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Glosse
Digitales Logbuch: Hunde-Handy (Teil 1)

Vor zehn Jahren war ich noch ein sehr junger Hund. Damals schenkte mir Tante Annie aus dem Handyladen ein Nokia. Wozu bitte braucht ein junger Hund ein Nokia?

Von Maximilian Schönherr |
    "Kno-chen!", sagte Tante Annie.
    "Ach so, Knochen!", bellte ich freudig und kaute auf dem Nokia herum, bis der Akku leer war, nach ungefähr fünf Wochen.
    Dann schaltete mir die verrückte Tante Annie ein Motorola frei. Den Bildschirm konnte ich, wenn er erst mal aufgeklappt war, schön abschlecken. Da waren die von mir aufgenommenen Fotos von Wendy und Tara drauf zu sehen, den für mich kleinen Köter leider völlig unerreichbaren Labradorinnen aus der Siedlung am Friedhof. Das Abschlecken insbesondere von Tara war auf Dauer so trostlos, dass ich das Motorola meist einfach zu Hause im Körbchen liegen ließ, zusammengeklappt.
    Dann schenkte mir Tante Annie ein funktionsfähiges iPhone, die Wahnsinnige! Damit begann die Zeit, dass ich beim Gassigehen nicht mehr an der Leine zog. Ich studierte stattdessen Hundefutter bei Ebay. Und auch mein Herrchen zerrte nicht mehr, denn er hatte von Tante Annie auch ein iPhone bekommen. Wir tetherten zusammen.
    Seit dem neuesten Streich von Annies Phone Shop, einem Samsung mit Android, geht Herrchen gar nicht mehr Gassi mit mir, und ich nicht mit ihm. Nicht mehr nötig. Auf dem Gorilla-Display läuft die Hunde VZ, und wenn ich mich tagelang mit den anderen am Friedhof herumgetrieben habe und wir uns ein wenig rustikale Ruhe im Hobbykeller genehmigen, hängen wir die Smartphones alle an die Steckdosen. Die Akkus sind eh längst platt. Wir haben so herumgetobt! Und natürlich sind in dem Hobbykeller auch Wendy und Tara, die wunderschönen Labradorinnen, und alles Technische spielt keine Rolle mehr.