Archiv

Glosse
Porsche-Gate und Jetsetleben

Während Bundesfinanzminister Christian Lindner wegen des "Porsche-Gates" mediale Aufmerksamkeit bekommt, gebe es für CDU-Chef Friedrich Merz und seinen Privatjet lediglich nüchternes Fakt-Checking - beobachtet Arno Ozessek in seiner Glosse.

Von Arno Orzessek |
CDU-Chef Friedrich Merz und seine Frau Charlotte sitzen im Cockpit ihres Privatfliegers.
CDU-Chef Friedrich Merz ist in seinem Privatflieger zur Lindner-Hochzeit gekommen. (picture alliance/dpa | Axel Heimken)
Zur Erinnerung: So ziemlich alle Medien hatten über die strahlende Hochzeit von Franca Lehfeldt und Christian Lindner auf Sylt berichtet, als das Handelsblatt resümierte: "Wenn man mit Neid ein Kraftwerk betreiben könnte, müsste Deutschland nicht mehr in der ganzen Welt um Gas betteln."
Ja, das wäre toll! Putin würde toben. Findet also rasch heraus, wie sich Neid in Gas und Wärme umwandeln lässt, liebe Ingenieure und Ingenieurinnen.
Allerdings muss man sagen: In den renommierten Medien hat die Lindner-Hochzeit weniger Neid provoziert, als vielmehr Reflexionen über Sensibilität und Bodenhaftung in Zeiten inflationärer Spar-Appelle. 
Friedrich Merz etwa, der mit seiner schicken Diamond Aircraft 62 nach Sylt eingeflogen war, wurde der Abgehobenheit verdächtigt. Jedoch zu Unrecht – wie er im ZDF-Sommergespräch betonte. 
Merz erklärte dem Publikum, soweit es aus irgendwelchen Gründen keine eigenen Flugzeuge zu betanken gewohnt ist, sein Privatjet verbrauche "weniger Sprit als jeder Dienstwagen eines Mitglieds der Bundesregierung."

Nüchternheit statt Neid

Und reagierten die Medien darauf besonders spöttisch, aggressiv, sarkastisch und doch irgendwie neidisch auf einen Mann, der sich demütig der "gehobenen Mittelschicht" zurechnet? Von wegen! Der journalistische Zeitgeist steht auf Fakten-Check – Nüchternheit statt Neid. 
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland zum Beispiel verschwieg nach penibler Recherche keineswegs, dass die gepanzerte Kanzler-Limousine ähnlich viel Sprit frisst wie Merz' schlanker Vogel. Was jedoch sonstige Regierungs-Karossen angeht, sei Merz' Behauptung schlicht "falsch". Punkt. Böseres kam da nicht.
Hätte man Merz nicht wenigstens mit Luisa-Neubauer'scher Rotzigkeit unter die Nase reiben müssen, dass sein Flieger halbleer war, als er nach Sylt propellert ist? Obwohl Polit-Größen wie Buschmann, Kubicki und Stark-Watzinger ja auch zu der Sause wollten.
Nun, immerhin karikierte der WDR das "Jetset-Leben" von Merz, der im April gesagt hatte "Der Höhepunkt des Wohlstands liegt wohl hinter uns", und im Netz hieß es unter einem Bild des Sternenzerstörers aus "Star Wars": "Mach Platz, Geringverdiener."
Christian Lindner wäre unterdessen froh, so gnädig wegzukommen wie Merz für die Luftnummer mit dem Privatjet. Dass der Porsche-Fan seine Hochzeit per Porsche Targa zur Porsche-Promotion genutzt hat – geschenkt. 
Dass Lindner jedoch mit dem Porsche-Chef Oliver Blume, zugleich neuer VW-Chef, über E-Fuels alias synthetische Kraftstoffe gekungelt haben könnte – allein der Verdacht führt zur Hochkonjunktur des Begriffs 'Porsche-Gate', für den Google bereits über 18 Millionen Treffer anzeigt.

Ist das Porsche-Gate Gottes Strafe?

Sollte etwas dran sein, dann bitteschön: ''Rücktritt“! - lässt nicht nur die Tageszeitung Lindner wissen. Überall wird die Fratze der alten Mövenpick-Partei FDP wiederentdeckt, die früher so engagiert gegen ein ordentliches Lobby-Register gekämpft hat, wie heute gegen ein Tempolimit und die Verlängerung des 9-Euro-Tickets.
Theologen mögen nun ergründen, ob Porsche-Gate die Strafe dafür ist, dass Lindner vor dem Traualtar auf Sylt um Gottes Segen bat – jedoch keine Kirchensteuern zahlt.
Und falls Lindner tatsächlich stürzt? Tja, die Partei "Die Partei" hat das Kürzel FDP auf ihrer Website als "Fahr doch Porsche" ausbuchstabiert. Dieser Partei bliebe Lindner gewiss eng verbunden.