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Glühender Hitler-Verehrer in Vichy

Der erfolgreiche deutsche 'Blitzkrieg' führte im Juni 1940 zu einer Teilung Frankreichs. Im Norden herrschten die Deutschen, im Süden schufen sie einen vom Badeort Vichy aus regierten Satellitenstaat. Sein zweimaliger Ministerpräsident war Pierre Laval. Am 18. April 1942 wurde er zum zweiten Mal Ministerpräsident.

Von Peter Hölzle |
    "Franzosen, eine neue Regierung ist gebildet. Pierre Laval wird unter meiner Führung die innere und äußere Politik des Landes leiten. Franzosen, schart Euch einmütig um die Regierung. Sie schenkt Euch neuen Glauben und neue Hoffnung."

    Mit diesen Worten wandte sich Philippe Pétain am 19. April 1942 über den Rundfunk an die Franzosen. Der greise Marschall, als Sieger von Verdun Frankreichs Retter im Ersten Weltkrieg, war nach der Niederlage gegen Nazi-Deutschland im Juli 1940 Staatspräsident eines südfranzösischen Satellitenstaates von Hitlers Gnaden geworden, den er vom Badeort Vichy aus regierte. Hier, in Vichy, hatte er tags zuvor, am 18. April, Pierre Laval zum Ministerpräsidenten ernannt.

    Einen Tag später, am 20. April, redete Laval zum Volk, auch er über das Radio, versprach alles nur Menschenmögliche zu tun, die kriegsbedingten Leiden der Bevölkerung zu lindern, hielt aber auch eine unverhohlene Drohung bereit:

    "Die gigantischen Kämpfe, die Deutschland gegen den Bolschewismus führt, haben nicht nur den Krieg ausgeweitet. Glaubt Ihr, wenn die Sowjets siegen würden, würden sie an unseren Grenzen Halt machen? So stehen wir vor der Alternative: Entweder wir fügen uns in ein neues und befriedetes Europa ein, in dem unsere Ehre und unsere Lebensinteressen geachtet werden. Oder wir nehmen das Verschwinden unserer Zivilisation hin. Wenn wir das nicht wollen, hilft nur eins: Wir müssen mit Deutschland eine dauerhafte Politik der Verständigung betreiben, die sich auf Aufrichtigkeit in Worten und Taten gründet."

    Kurze Zeit später, am 22. Juni 1942, ging der gerade erst ins Regierungsamt Gelangte noch weiter. Über den Rundfunk schockte Laval die Franzosen mit zwei in ihren Ohren ungeheuerlichen Wünschen. Der erste:

    "Ich wünsche den Sieg Deutschlands, weil sich sonst der Bolschewismus morgen überall ausbreiten wird."

    Und der zweite Wunsch, der nicht minder irritierte, richtete sich direkt an französische Arbeiter, denen Laval einen für sie höchst unvorteilhaften Platztausch vorschlug:

    "Heute Abend appelliere ich an Eure nationale Solidarität. Kanzler Hitler hat soeben die Freilassung einer beträchtlichen Zahl kriegsgefangener Landwirte entschieden, die nach Eurer Ankunft in Deutschland nach Frankreich heimkehren können."

    Hinter der mit Anbiederungen an Nazi-Deutschland drapierten Suada des Zivilisten Laval und den wenigen Worten des alten Soldaten Pétain versteckten sich zwei Standpunkte der Kollaboration, die unterschiedlicher nicht sein konnten.

    Während der Zauderer Pétain die Zusammenarbeit mit den deutschen Siegern auf ein Minimum beschränkt sehen und seinen südfranzösischen Rumpfstaat aus dem weiteren Kriegsgeschehen heraushalten wollte, strebte sein erster Diener, der Feuerkopf Laval, genau das Gegenteil an: An der Seite Deutschlands in den Krieg einzutreten, um nach dem deutschen Endsieg Frankreich einen würdigen Platz im neuen, totalitären Europa zu sichern. Aus diesem Fundamentalgegensatz erwuchs ein Spannungsverhältnis, das sich im Auf und Ab von Lavals politischer Karriere in Vichy-Frankreich spiegelt. In dessen Anfängen war er schon einmal Regierungschef gewesen, fiel aber nach wenigen Monaten - auch wegen seiner "glühenden" Hitler-Parteinahme - in Ungnade, um erst wieder am 18. April 1942 von Pétain an die Spitze der Regierung gestellt zu werden. Diese zweite Berufung verdankte er keineswegs deutschem Druck, wie gerne behauptet wird, sondern dem Willen des Marschalls, das Klima zur Siegermacht zu verbessern: eine Illusion, wie sich rasch erweisen sollte. Immerhin blieb Laval nun bis zum bitteren Ende des Vichy-Regimes im August 1944 Ministerpräsident - in der letzten Zeit freilich nicht mehr von Pétains, sondern von Hitlers Gnaden.