Ann-Kathrin Büüsker: Glyphosat soll von europäischen Äckern verschwinden. Das Unkrautvernichtungsmittel hat inzwischen einen schlechten Ruf. Noch immer ist nicht klar widerlegt, aber auch nicht klar bewiesen, ob Glyphosat krebserregend ist. Aber immer mehr Verbraucher sind skeptisch und immer mehr EU-Staaten sagen, das wollen wir eigentlich gar nicht mehr verwendet sehen. Die Zulassung für Glyphosat läuft aus, die EU-Kommission müsste sie verlängern und heute könnte, was das angeht, eine Entscheidung fallen. Bis Ende des Jahres muss das auf jeden Fall der Fall sein.
Beitrag Karin Bensch
Hier im Deutschlandfunk wollen wir jetzt die Perspektive der Bauern einnehmen, und zwar mit einem der obersten Landwirte der Republik: mit Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Guten Morgen, Herr Rukwied.
Joachim Rukwied: Guten Morgen, Frau Büüsker.
Büüsker: Fünf bis sieben Jahre – das könnte jetzt der Kompromiss sein, unter dem eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat möglich wäre. Das hieße ja, die Landwirte könnten es erst mal weiter verwenden und hätten dann auch ein bisschen Zeit, Alternativen zu entwickeln. Wie zufrieden sind Sie damit?
"Es geht um eine grundsätzliche Entscheidung"
Rukwied: Hier geht es um eine grundsätzliche Entscheidung. Wir haben in Europa neutrale Institutionen, nämlich ECHA, EFSA, die grundsätzlich Wirkstoffe, bevor diese in Verkehr gebracht werden, untersuchen auf rein wissenschaftlicher Basis. Wir haben auch in Deutschland ähnliche neutrale Institutionen und diese Institutionen kommen alle zum Ergebnis, dass Glyphosat nicht krebserregend ist, und empfehlen daher eine Verlängerung von Glyphosat. Da war ja ursprünglich 15 Jahre angedacht. Das ist für mich, für uns als Landwirte auch die Basis im Hinblick auf eine Wiederzulassung eines Mittels. Wenn neutrale wissenschaftliche Behörden eine Verlängerung empfehlen, dann sollte das meines Erachtens die Grundlage sein und basierend darauf dann auch die Entscheidung getroffen werden, und nicht basierend auf einer emotionalen Kampagne, die wissenschaftlich nicht unterlegt ist.
Büüsker: Herr Rukwied, wenn ich da ganz kurz einhaken darf? Sie verweisen auf die Unbedenklichkeit, die wissenschaftlich erwiesen sei, und sagen auch, das Urteil der Institute steht auch nicht infrage. Nun ist es aber zum Beispiel so, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung in seinem Gutachten ganz offensichtlich abgeschrieben hat von dem Zulassungsantrag von Monsanto. Also kann man doch die Unabhängigkeit dieser Institutionen offenbar ein bisschen in Zweifel ziehen?
Rukwied: Diese Institutionen – das gilt für die europäischen Institutionen, auch für das Institut BfR in Deutschland – sind weltweit anerkannt, haben höchstes Renommee im Hinblick auf ihre Sachkenntnis und auf ihre Neutralität. Wenn man die Dinge infrage stellt, dann stellt man grundsätzlich unsere Risikobewertungssysteme infrage. Das ist für mich schlichtweg nicht nachvollziehbar. Wenn wir zukünftig basierend auf unwissenschaftlichen Angstkampagnen – und hier geht es um eine politische Kampagne; ich kann da gerne noch ein paar Sätze zu sagen -, wenn wir darauf basierend unsere Entscheidungen treffen, dann sind wir meines Erachtens nicht gut beraten, weil wir brauchen als Grundlage die wissenschaftliche Basis.
Ich will das heute ganz offen ansprechen. Hier geht es nicht wirklich um den Wirkstoff Glyphosat. Hier geht es darum, Monsanto anzugreifen in Verbindung mit Roundup Ready Sojabohnen und Mais, das heißt, glyphosatresistente Pflanzen, die wir hier gar nicht anbauen, die wir hier auch nie anbauen wollen, die keine Relevanz für Deutschland haben. Hier will man im Prinzip dieses System der Landwirtschaft, das es bei uns nicht gibt, das möchte ich betonen, das wir Bauern nicht wollen, dies will man angreifen. Das ist verboten und da wird es hoch politisch.
Büüsker: Herr Rukwied, wenn ich da ganz kurz einhaken darf, damit unsere Hörerinnen und Hörer das tatsächlich auch verstehen? Sie unterstellen hier auf europäischer Ebene tatsächlich eine Kampagne im großen Stil?
Rukwied: Es ist festzustellen, dass hier die wissenschaftliche Expertise hoch renommierter europäischer und auch deutscher Institutionen infrage gestellt werden.
Büüsker: Von Regierungen wie beispielsweise in Frankreich. Frankreich ist gegen eine weitere Zulassung von Glyphosat. Unterstellen Sie Frankreich, dass es sich bewusst gegen Monsanto stellt?
"In Deutschland nur in geringen Mengen im Einsatz"
Rukwied: Jetzt sage ich Ihnen mal etwas als Landwirt. Ich habe einen gewissen Überblick über den Einsatz von Glyphosat in Europa, in Deutschland und weltweit. Wir haben – und das ist richtig – ganz strenge Vorgaben bei Glyphosat. Wir dürfen – und das ist richtig – Glyphosat beispielsweise nicht vor der Ernte einsetzen. Wir setzen Glyphosat nur ab und an ein. Das heißt, nicht jedes Jahr und nicht auf jedem Feld. Es gibt Jahre, wo ein Landwirt überhaupt kein Glyphosat einsetzt.
Wenn ich meinen Blick nach Südamerika wende, dann haben wir dort den Einsatz in der Regel regelmäßig mit Aufwandmengen, die zehnmal so hoch sind wie bei uns in Europa. Für uns als Landwirte ist Glyphosat ein Wirkstoff, den wir bei Bedarf ab und an, nicht in jedem Jahr, nicht auf jedem Feld in geringen Mengen einsetzen.
Büüsker: Aber das würde dann doch heißen, wenn Glyphosat verboten wird, ist das für Sie gar nicht so schlimm.
Alternativen "nicht so umweltschonend"
Rukwied: Die Landwirte werden die Leidtragenden sein. Wir stehen in einem offenen Wettbewerb. Die Produkte, die mit Glyphosat in wesentlich höherer Menge – nicht die Produkte selbst, die sind ja nicht behandelt, sondern Produkte, die aus Flächen kommen, die mit Glyphosat in wesentlich höherer Menge behandelt wurden, die sind weiterhin bei uns auf dem Markt. Die können weiterhin gekauft werden. Wir haben dieses Instrument, um hartnäckige Unkräuter oder beispielsweise bei einer Mulchsaat Zwischenfrüchte, die nicht abgestorben sind, weil es keinen Frost gab, diese können wir nicht mehr bekämpfen. Wir haben hier einen technischen Nachteil, wir haben hier einen Wettbewerbsnachteil. Die Produkte sind weiter auf dem Markt, das ist für mich keine ehrliche Politik. Wir sind die Leidtragenden. Wir werden unsere Produktionssysteme dann eben etwas umstellen müssen. Wir müssen den Pflug wieder öfters einsetzen, das heißt höherer Treibstoffverbrauch, das heißt höherer CO2-Ausstoß, das heißt höheres Erosionsrisiko. Die Landwirtschaft wird weiterhin ihre Flächen bewirtschaften, aber mit anderen Bewirtschaftungssystemen, die zum Teil nicht so umweltschonend sind wie jetzt beispielsweise reduzierte Bodenbearbeitung und Mulchsaat-Verfahren. – Wir müssen eines sehen: Wir müssen das im Gesamten sehen.
Büüsker: Herr Rukwied, wenn ich da kurz einhaken darf? Das heißt, Sie halten es für umweltfreundlicher, Glyphosat einzusetzen als zu pflügen?
Rukwied: Ich halte Mulchsaat-Verfahren für eine umweltschonende Bodenbearbeitung.
Büüsker: Das müssen Sie jetzt, glaube ich, unseren Hörerinnen und Hörern erklären, was Mulchsaat-Verfahren ist.
Rukwied: Ganz einfach. Wir ernten beispielsweise auch in unserem Betrieb unser Getreide Ende Juli, Anfang August. Dann machen wir mit dem Grubber eine flache Bodenbearbeitung, um Unkräuter, um Ausfallgetreide zum Keimen zu bringen. Das läuft dann auf und das ist dann nach 10, 14 Tagen der Fall. Dann fahren wir Mitte August mit einem Gerät darüber, wo wir den Boden lockern und wo wir parallel dazu eine Zwischenfruchtmischung, beispielsweise bestehend aus Ramtillkraut, Alexander-Kremer-Klee und Phacelia einsäen. Diese wächst dann, bei uns zuhause ist das zum Teil jetzt 1,20 Meter hoch, beginnt, zu blühen, also Insektenweide. Diese lassen wir stehen bis im Januar und arbeiten die dann flach ein und säen dann später in diesen ...
Büüsker: Herr Rukwied, wir haben ein kleines zeitliches Problem, weil wir jetzt zum Ende unserer Interview-Zeit kommen. Ich danke Ihnen aber ganz herzlich, dass Sie heute Morgen zur Verfügung standen für dieses Interview im Deutschlandfunk. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, vielen Dank!
Rukwied: Gerne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.