Es klingt bizarr, gibt Martin Pigeon zu, aber Glyphosat sei zu erfolgreich. Das Mittel sei in Europa der meistgenutzte Unkrautvernichter, weil recht günstig und im Gegensatz zu anderen Mitteln nicht so giftig. Aber die Auswirkungen auf den Boden seien verheerend, erklärt der Mitarbeiter des Corporate Europe Observatory – einer Gruppe von Aktivisten, die den Einfluss von Unternehmen auf Entscheidungen der EU kritisch hinterfragen, insbesondere im Bereich Umwelt und Ernährung:
"Glyphosat ist ein Unkrautvernichter mit einer breiten Wirkung. Es tötet alle Pflanzen, wo man es anwendet und das bedeutet, dass das Potential von Glyphosat, ein ganzes Öko-System zu zerstören, riesig ist. Denn: Wenn man alle Pflanzen tötet, dann tötet man auch alles andere. Alle Insekten, alle Pilze, alle Tiere, alle Bakterien."
Unbrauchbarer Boden
Und das mache den Boden auf Dauer unbrauchbar, sagt Pigeon. Fünf Organisationen, darunter Greenpeace, das Pesticide Action Network Europe und das Corporate Europe Observatory, setzen sich für ein Verbot von Glyphosat ein. Hierfür haben sie eine Europäische Bürgerinitiative gestartet. So eine Initiative muss von der EU-Kommission genehmigt werden, dann haben die Organisatoren ein Jahr Zeit, um eine Million Unterschriften zu sammeln. Diese müssen aus mehr als sieben Staaten der Europäischen Union stammen.
Mit einem Verbot von Glyphosat wäre es aber nicht getan, erklärt Martin Pigeon. Es würde beispielsweise bloß dazu führen, dass Bauern auf andere Unkrautvernichter umstiegen.
"Wenn man ihnen nicht hilft, dann werden sie andere Produkte benutzen, die möglicherweise noch giftiger und ein bisschen teurer sind. Dadurch macht man die Situation eigentlich nur schlechter."
Ruf nach mehr Transparenz
Darum fordert die Bürgerinitiative, dass die EU-Staaten den Einsatz von Pestiziden im Allgemeinen rechtsverbindlich beschränken. Außerdem setzt sie sich dafür ein, dass die Studien, auf deren Basis die Umwelt- und Gesundheitsschädlichkeit eines Unkrautvernichters beurteilt wird, in unabhängigen Laboren angefertigt und veröffentlicht werden müssen.
"Der wissenschaftliche Beweis, auf den sich öffentliche Behörden berufen, gehört der Industrie und wird nicht veröffentlicht. Im Fall von Lebensmittelsicherheit gibt es darum keine wissenschaftliche Überprüfung von dem, was EU-Behörden entscheiden."
Martin Pigeon meint damit beispielsweise die Arbeit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, kurz EFSA. Sie war zu dem Schluss gekommen, es sei unwahrscheinlich, dass Glyphosat krebserregend wirke, wenn es mit der Nahrung in den menschlichen Körper gelange. Grundlage für diese Einschätzung waren Studien, die nicht veröffentlicht worden waren. Nach anhaltenden Protesten hatte die Behörde die Rohdaten an einige Abgeordnete des EU-Parlaments geschickt, die eine Einsicht beantragt hatten. Martin Pigeon sieht darin einen kleinen Anhaltspunkt, dass die EFSA ihren Umgang mit Studien in Zukunft ändern und möglicherweise transparenter arbeiten könnte.
Möglicherweise krebserregend für Bauern
An der Antwort auf die Frage, ob Glyphosat krebserregend ist, hängt viel, da Glyphosat dann in der EU verboten würde. Die internationale Agentur für Krebsforschung, IARC, war zu dem Schluss gekommen, dass Glyphosat möglicherweise Krebs verursachen könne, wenn man, wie beispielsweise Bauern, häufig mit dem Mittel umgeht. Die EFSA hatte dieser Studie widersprochen. Die Ergebnisse seien aber nicht vergleichbar, meint Pigeon, da die eine Studie Bauern betreffe, die andere den Verbraucher.
Martin Pigeon hat schon einmal eine Europäische Bürgerinitiative mit mehr als einer Million Unterschriften bei der EU-Kommission eingereicht. Die Reaktion damals sei ernüchternd gewesen. Zugespitzt:
"Thank you, have a good day.”
Denn die vielen Unterschriften und die Forderungen der Initiative haben keine bindende Kraft wie ein Referendum. Trotzdem hofft der Mitarbeiter vom Corporate Europe Observatory, dass ihre Forderungen von den Mitgliedstaaten gehört und umgesetzt werden.