"Die Unbedenklichkeit von Glyphosat ist gegeben", sagte Krüsken. Nun müssten die Landwirte darauf vertrauen können, dass die weitere Zulassung nicht vom politischen Belieben abhänge.
Krüsken argumentierte, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln von den deutschen Behörden regelmäßig kontrolliert und geschult werde. Ohnehin werde die Diskussion über Glyphosat vor allem durch dessen Einsatz in Südamerika befeuert, wo es in extremen Mengen angewendet werde. In Deutschland hingegen arbeite man mit einem Zwanzigstel dieser Menge.
Krüsken äußerte die Vermutung, dass es bei der Diskussion gar nicht so sehr um das Herbizid Glyphosat gehe, sondern vielmehr um die generelle Frage des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Die konventionelle Landwirtschaft dürfe aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden.
Das Interview in voller Länge:
Ann-Kathrin Büüsker: Vor allem die Blicke von Bauern und von Umweltschützern gehen in diesen Tagen nach Brüssel. Dort wird ab heute darüber diskutiert, ob die Zulassung des Herbizids Glyphosat verlängert wird. Das findet sich als Bestandteil zum Beispiel in Roundup. Das haben Sie vielleicht selber schon mal benutzt, um in Ihrem Garten Unkraut zu bekämpfen. In der konventionellen Landwirtschaft, da wird Glyphosat im recht großen Stil eingesetzt, und es ist hochgradig umstritten. Die deutsche Regierung, die ist sich jetzt nun nicht einig, ob sie sich in Brüssel für eine Verlängerung einsetzen soll. Die SPD hat da ihre Zweifel, gerade mit Blick auf eine mögliche Gesundheitsschädlichkeit.
Die Zulassung von Glyphosat muss verlängert werden. Das fordert der Deutsche Bauernverband. Warum? Dazu kann ich jetzt den Generalsekretär des Bauernverbands befragen, Bernhard Krüsken. Guten Tag, Herr Krüsken.
Bernhard Krüsken: Guten Tag, Frau Büüsker.
"Eine unabhängige wissenschaftliche Risikobewertung sagt, dass von dieser Substanz bei sachgemäßem Gebrauch keine Gefahr ausgeht"
Büüsker: Herr Krüsken, warum geht es für konventionelle Bauern nicht ohne Glyphosat? Biobauern können es doch auch.
Krüsken: Ich glaube, man muss noch mal einen Schritt zurückgehen. Sie haben nach dem Grund gefragt, warum wir sagen, dass eine Zulassung jetzt stattfinden müsste oder verlängert werden müsste. Der wichtigste Grund ist der, dass eine unabhängige wissenschaftliche Risikobewertung sagt, dass von dieser Substanz bei sachgemäßem Gebrauch keine Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt ausgeht. Das ist das Fundament, auf dem eine Zulassung beruht, und das ist das zentrale Kriterium für eine Zulassung. Die WHO hat diese Einschätzung im Grunde noch mal bestätigt jetzt am Wochenende und damit diese Diskussion auch ein Stück weit ausgeräumt, die wir im Zuge der IARC-Einstufung von vor anderthalb Jahren gehabt haben. Im Grunde ist die wichtigste Voraussetzung für eine Zulassung, nämlich die Unbedenklichkeit gegeben. Und wenn das so ist und man der selbstgegebenen Spielregel für die Zulassung von solchen Wirkstoffen folgen will, dann muss man jetzt auch logischerweise die Zulassung aussprechen.
Büüsker: Aber, Herr Krüsken, die WHO hat ja nicht vollkommen ausgeschlossen, dass es ein Krebsrisiko gibt. Sie hat gesagt, es ist wahrscheinlich nicht krebserregend. Das ist ja schon ein Unterschied.
Krüsken: Ja! Trotzdem ist diese Einstufung vom Wochenende signifikant verschieden von der, die die IARC im letzten Jahr gemacht hat, die auch nicht unumstritten ist. Und wir sind ja nicht diejenigen, die hier eine toxikologische Bewertung abgeben können und auch eine Zulassung aussprechen können, sondern wir sind aus der Perspektive der Anwender darauf angewiesen, dass diejenigen, die nach unserem Zulassungsverfahren und seit fast 20 Jahren zuständig sind für eine unabhängige Risikobewertung. Auf deren Urteil müssen wir vertrauen können und wir müssen auch darauf vertrauen können, dass diese Spielregeln für die Zulassung auch eingehalten werden und dass das nicht nach politischem Belieben erfolgt, und da sind wir auch schon beim Punkt. Die vermeintliche Unsicherheit über die krebserzeugenden Wirkungen sind eigentlich auch mit der WHO-Stellungnahme vom Wochenende ausgeräumt. Dann kommen wir, dann müssen wir zu dem Schluss kommen, dass wir hier bei dieser Diskussion um Glyphosat nicht eine Diskussion um diesen Wirkstoff und seine speziellen Eigenschaften haben, sondern hier geht es um eine grundsätzliche Frage: Wie gehen wir mit Pflanzenschutzmitteln um und welche Spielregeln lassen wir bei der Zulassung gelten.
Büüsker: Okay. Es ist also eine Grundsatzfrage, vielleicht auch eine Grundsatzfrage mit Blick auf die konventionelle Landwirtschaft. Was kann, was darf die? Wie sehr kann Landwirtschaft die Natur belasten? Das ist ja eine wichtige Frage, die wir uns stellen müssen. Wenn wir darauf gucken: In meiner Region, in Norddeutschland, da gibt es immer mehr Maisfelder. Das bedeutet auch, immer mehr Bauern setzen Glyphosat-Stoffe ein. Das bedeutet, die Biodiversität nimmt ab. Das können Sie schlecht leugnen, oder?
Krüsken: Da gibt es sehr unterschiedliche Sichtweisen darüber, was mit Biodiversität zu tun hat. Ich denke, eine Politik, die auf Biodiversität setzt und auf Erhaltung von Biodiversität setzt, kann nicht so aussehen, dass man grundsätzlich Landwirtschaft infrage stellt und dass man sozusagen dem Grundsatz folgt, wie das aus dem Hause des Bundesumweltministeriums manchmal zu hören ist, dass da Umweltschutz stattfindet, wo es keine Landwirtschaft gibt.
"Man muss sich darüber verständigen, was das Kriterium sein soll für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln"
Büüsker: Aber, Herr Krüsken, es geht ja nicht unbedingt darum, Landwirtschaft infrage zu stellen. Es gibt ja nun mal auch Landwirte, die kommen gänzlich ohne Glyphosat aus. Das ist das, was ich am Anfang sagte: Biobauern können es ohne. Warum können es konventionelle Landwirte nicht ohne?
Krüsken: Weil sie ihre Produktion anders organisiert haben, weil sie auch mit Wirkstoffen und mit Instrumenten arbeiten wollen und müssen aufgrund wirtschaftlicher Bedingungen, die den Kollegen aus dem ökologischen Landbau nicht zugänglich sind. Und noch mal: Man muss sich darüber verständigen, was das Kriterium sein soll für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Geht es um die Grundsatzfrage, um eine Systemfrage in der Landwirtschaft, oder geht es um die Risikobewertung von Stoffen. Wenn wir natürlich sagen, wir führen eine Grundsatzdiskussion über Landwirtschaft, welche Form von Landwirtschaft gesellschaftlich erwünscht ist, dann muss man diese Diskussion auch politisch führen und muss sie in der Grundsätzlichkeit führen und kann sie nicht an einem einzelnen Wirkstoff festmachen. Wenn wir sagen, wir reden über Gefährdung, über Risiken, gesundheitliche, umweltliche Risiken, dann muss man sich auch der Diskussion stellen und der unabhängigen Risikobewertung.
Büüsker: Der Bauernverband sagt jetzt ja, dass Glyphosat, die sachgemäße Anwendung von Glyphosat eigentlich keine negativen Auswirkungen hat.
Krüsken: Absolut.
Büüsker: Was ist denn, vielleicht erklären Sie uns das, die sachgemäße Anwendung?
Krüsken: Eine sachgemäße Anwendung - ich will es mal festmachen an dem Vergleich zwischen Europa und Südamerika. Sehr viel von der Glyphosat-Diskussion der vergangenen Jahre kommt ja aus, macht sich fest an südamerikanischen Verhältnissen. Dort ist das Teil eines Anbausystems, das auch verbunden ist mit gentechnisch veränderten Pflanzen, etwas, was hier in Europa kein Thema ist, und dort werden extreme Aufwandsmengen gefahren, die jenseits von zehn Kilogramm pro Hektar liegen. Wir arbeiten hier in Deutschland mit einem Zwanzigstel dieser Menge, also mit wenigen 100 Gramm pro Hektar als Durchschnitt, und haben relativ enge Spielregeln dafür, welche Wirkstoffmenge maximal auf eine Kultur in einer Vegetationszeit ausgebracht werden darf. Wir haben auch Beschränkungen. Das geht nicht bei allen Kulturen.
Büüsker: Herr Krüsken, vielleicht können wir es mit einem ganz konkreten Beispiel, was ich einfach mal aus meiner Nachbarschaft einstreue, festmachen. Ein Bauer hat einen Maisacker, da hat er jetzt im Frühjahr Gras gesät, sozusagen als Gründünger, und dieses Gras hat er einmal komplett totgespritzt mit Pflanzenschutzmitteln. Das tote braune Gras hat er dann untergepflügt, um dann seinen Mais zu säen. Ist das sachgemäße Anwendung?
Krüsken: Das kann dann Sinn machen, wenn Sie nämlich die Vorfruchtwirkung des Grases und die Nährstoffe aus dem Gras für die Folgefrucht nutzbar und verfügbar machen sollen. Wichtig ist vor allen Dingen, das ist ja eine Vorlaufanwendung. Das heißt, wir haben eine Anwendung, die immer vor der Aussaat einer Kulturpflanze stattfindet.
Büüsker: Aber könnte man nicht einfach das Gras unterpflügen und hat dann die gleiche Wirkung?
Krüsken: Das kann man sicherlich auch und in dem Fall frage ich mich, ob Ihre Beobachtung vielleicht die richtige war, denn der Landwirt hätte ja auch genauso gut das so machen können, wie Sie gesagt haben, und er hätte dabei noch Geld und einen Bearbeitungsgang gespart.
Büüsker: Aber ich habe es ja gesehen. Das ganze Feld war braun und er hat dann das Gras untergepflügt. Er hat erst gespritzt und dann gepflügt. Das erscheint mir ein bisschen widersinnig.
Krüsken: Ja. Da muss man vielleicht mal den Landwirt befragen, wie er seine Planung gemacht hat.
"Es gibt für Landwirte die Anforderung, hier einen Sachkundenachweis zu erbringen"
Büüsker: Worauf ich hinaus will, Herr Krüsken: Wer überprüft denn die sachgemäße Anwendung? Gibt es überhaupt irgendjemanden, der das Ganze überprüft?
Krüsken: Das gilt ja für alle Pflanzenschutzmittel. Da gibt es Behörden, die die Aufsicht haben. Es gibt, wie Sie vielleicht wissen, für Landwirte die Anforderung, hier einen Sachkundenachweis zu erbringen, um sicherzustellen, dass hier auch diejenigen Leute, die mit Pflanzenschutzmitteln arbeiten, dies sachgemäß tun, und das ist auch nicht nur ein Persilschein, den man sich irgendwann mal abholt und der dann für alle Zeiten gilt, sondern da wird regelmäßig nachgeschult, regelmäßig nachkontrolliert. Alle drei Jahre müssen Sie hin. Das ist zum Beispiel etwas, was in der privaten Anwendung überhaupt kein Thema ist.
Büüsker: Herr Krüsken, ich muss Sie leider unterbrechen. Wir müssen an dieser Stelle zum Schluss kommen. Ich danke Ihnen auf jeden Fall ganz herzlich für Ihr Gespräch hier im Deutschlandfunk. Bernhard Krüsken war das, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes.
Krüsken: Frau Büüsker, vielen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.