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Glyphosat
"Viele Unkrautvernichter sind noch mehrere Jahre zugelassen"

In Brüssel entscheidet der zuständige Fachausschuss in Kürze darüber, ob das umstrittene Herbizid Glyphosat neu oder nur befristet zugelassen wird. Andernfalls könnte die Zulassung Ende dieses Monats auslaufen. Davon wären auch Produkte für den privaten Gebrauch betroffen, erklärt unsere Autorin Daniela Siebert.

Daniela Siebert im Gespräch mit Jule Reimer |
    Die Verpackung eines Unkrautvernichtungsmittel, das den Wirkstoff Glyphosat enthält.
    Die Verpackung eines Unkrautvernichtungsmittel, das den Wirkstoff Glyphosat enthält. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Jule Reimer: Über welche Produkte reden wir da eigentlich Daniela Siebert?
    Daniela Siebert: Der Naturschutzbund hat kürzlich eine Liste ins Internet gestellt, darauf finden sich knapp 50 in Deutschland gehandelte Produkte. Vom berühmten Monsanto-Produkt "Roundup" in diversen Varianten über "Glyfos Supreme" des deutschen Herstellers Cheminova bis Raiffeisen "Gartenkraft Total Unkraut-frei".
    Viele dieser Unkrautvernichter für Privatanwender sind offiziell noch mehrere Jahre zugelassen, ein Produkt aus dem Hause Bayer sogar bis 2022, aber auch sie wären betroffen, wenn die EU-weite Zulassung Ende des Monats ausläuft.
    Reimer: Was genau würde dann passieren?
    Siebert: Dann greifen nur noch kurze Übergangsfristen, d.h. die eigentlich noch langjährige Zulassung in Deutschland wäre dann für die Hersteller bedeutungslos – auch Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt dürfte dann keine Glyphosatprodukte mehr erlauben. Und wie die Übergangsfristen aussehen, weiß die Pestizid-Expertin beim BUND Heike Moldenhauer:
    "Auch wenn die EU-Kommission die Glyphosat-Zulassung auslaufen lassen würde, dürften Rest-Bestände bis Ende des Jahres verkauft werden und Privatgärtner dürften ihre vorhandenen glyphosathaltigen Mittel noch bis Mitte nächsten Jahres einsetzen."
    Allerdings sieht sie auch eine Kontroll-Lücke. Wenn sich jemand jetzt mit solchen Produkten eindecken würde und sie über diese Fristen hinaus benutzen würde, würde das kein Mensch feststellen glaubt sie. Dass der Verkauf in den Geschäften unterbleibt, müssten die Landesbehörden überprüfen.
    Etliche Baumärkte bieten glyphosathaltige Produkte nicht mehr an
    Reimer: Aber die EU-Kommission arbeitet doch an einer Zulassungsverlängerung für 12 bis 18 Monate. Was würde die für den Verkauf und Gebrauch solcher Glyphosatprodukte für Privatanwender bedeuten?
    Siebert: Dann ändert sich erstmal nichts. Alle glyphosathaltigen Produkte – auch die für den Privathaushalt bleiben weiter verkäuflich und dürfen benutzt werden, gemäß der Gebrauchsanweisung. Unabhängig von der Politik tut sich natürlich trotzdem was. Etliche Baumarktketten haben sich mittlerweile entschieden, solche Produkte nicht mehr anzubieten, darunter Toom, Obi, Bauhaus und Hornbach und viele Verbraucher wollen solche Artikel ja auch nicht mehr, weil sie die Diskussionen verunsichert haben.
    Das Szenario würde auch bedeuten, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium im Alleingang Verbote erlassen könnte. Das hat Frankreich beispielsweise schon getan, da gibt es derzeit keine Glyphosatprodukte mehr für Privatanwender zu kaufen. Dass Christian Schmidt solch einen Weg gehen würde, scheint derzeit aber wenig wahrscheinlich. Nochmal Heike Moldenhauer vom BUND:
    "Wir haben eine Aussage von Herrn Schmidt, er hat irgendwann mal gesagt, er wollte Glyphosat nur noch von Profis für Profis zugelassen haben, das haben wir so interpretiert, dass mit Profis die Landwirte gemeint sind und damit dann die Haus-und Kleingärtner als Laien abqualifiziert würden, aber dann ist überhaupt nichts passiert und Glyphosat ist nach wie vor dann auch für den Haus- und Kleingartenbereich weiterhin zugelassen. Schmidt hat überhaupt nichts gemacht, er hätte ja auch Erlasse verfügen können, dass bestimmte Anwendungen von Glyphosat nicht mehr möglich sind, da ist aber nichts passiert, sondern was passiert ist: dass etliche Gartencenter und Baumärkte dann Glyphosat freiwillig aus dem Regal verbannt haben. Das war aber kein Handeln einer Regierungsstelle."
    Das Bundeslandwirtschaftsministerium wollte sich dazu gegenüber dem Deutschlandfunk nicht äußern. Andere regierungsnahe Behörden verhalten sich im Moment auch zurückhaltend: Das Umweltbundesamt warnt nicht explizit vor Glyphosat, rät jedoch Privatleuten generell, bei Unkraut auf Chemie zu verzichten, wo immer es geht und stattdessen eben zu jäten oder abzuflämmen.
    Reimer: Der EU-Gesundheitskommissar will ja am Montag neuerdings auch Einschränkungen der Glyphosatanwendung zur Abstimmung in den Ständigen Fachausschuss geben. Betreffen die auch Privatanwender?
    Kommission empfiehlt drei Anwendungseinschränkungen
    Siebert: Nein. Kurioserweise gar nicht. Die Kommission empfiehlt den Mitgliedsstaaten demnach drei Anwendungseinschränkungen:
    1. Keine Tallowamine mehr als Beistoffe in den Produkten zu erlauben, die sind in Deutschland aber eh schon verboten.
    2. Möglichst wenig Glyphosat in öffentlichen Parks, auf Spielplätzen und Grünflächen einzusetzen, private Gärten sind damit aber nicht gemeint.
    3. Die Vorerntebehandlung mit Glyphosat zu minimieren
    Es gab aber noch einen Schlüsselsatz in der Presseerklärung von Vytenis Andriukaitis, den ich als Schlusswort nehmen möchte: Wenn die EU eine Substanz zulässt, dann bedeute das nur, dass die Mitgliedsstaaten solche Produkte auf ihrem Gebiet zulassen dürfen, sie sind aber nicht gezwungen das zu tun. Und er geht noch weiter: kein Staat müsse sich hinter der Kommissionsentscheidung so wörtlich verstecken, sondern könnte den Gebrauch untersagen.