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Göring-Eckardt: Planwirtschaft bei der Energiewende

Katrin Göring-Eckardt sagt, dass man bei Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) zur Energiewende "so was wie Verzagtheit" erlebe. Sie hätte dem Minister mehr zugetraut, sagt die Grünen-Politikerin. Von der Union und FDP mit "ihrer chaotischen Art zu regieren" sei sie enttäuscht.

Katrin Göring-Eckardt im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Eigentlich ist das heute für die Grünen ein guter Tag. Erstmals seit ihrem Bestehen wird ein grüner Politiker Präsident des Bundesrates. Schon der Erfolg Winfried Kretschmanns bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, das war eine Sensation. Jetzt ist er für ein Jahr (oder wird es sein) protokollarisch die Nummer zwei im Land. Aber das heißt noch lange nicht, dass die Grünen in einem Jahr sich wieder in der Regierung im Bund wiederfinden werden. Die Wähler werden langsam von den hohen Energiepreisen verschreckt und könnten ihre Begeisterung über die Öko-Wende verlieren.
    Ein Amt haben die Bündnis-Grünen schon seit Längerem, nämlich das der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Das ist Katrin Göring-Eckardt. Guten Morgen, Frau Göring-Eckardt!

    Katrin Göring-Eckardt: Herr Meurer, schönen guten Morgen!

    Meurer: Die Wahl Winfried Kretschmanns, werden Sie das feiern heute?

    Göring-Eckardt: Jedenfalls ist es ein großartiges Gefühl, dass ein Grüner jetzt Bundesratspräsident wird und damit noch ein Stückchen mehr in die Aufmerksamkeit gelangt und dann auch der Letzte und die Letzte weiß, es gibt einen grünen Ministerpräsidenten. Und ich bin im Übrigen auch ganz sicher, dass er das sehr gut machen wird. Winfried Kretschmann ist ja jemand, der auf der einen Seite sagt, er moderiert, das tut er auch, und auf der anderen Seite natürlich bei den Inhalten auch sehr klare Überzeugungen hat, die er vertritt und die er manchmal auch auf unkonventionelle Weise dann durchsetzt oder andere davon überzeugt.

    Meurer: Zeigt die Person Kretschmann, dass die Grünen dann Erfolg haben, wenn jemand weit ins bürgerliche und auch konservative Lager hineinstrahlt?

    Göring-Eckardt: Ich denke, es geht vor allen Dingen darum, dass Winfried Kretschmann zeigt, es gibt Gesamtverantwortung, es gibt Gesamtverantwortung für ein Land, es gibt, auch wenn man Themen hat, die erst mal quer zu kommen scheinen, wenn man die mit Überzeugung vertritt, und das Entscheidende bei Winfried Kretschmann war sicherlich, dass er immer deutlich gemacht hat, ich mach nicht das, was ich will, sondern ich will erst mal zuhören, was sind eigentlich die Probleme und was sind die Fragen, die die meisten Leute umtreiben. Und im Übrigen: In Baden-Württemberg muss man einfach sagen, die Leute wollten ordentlich regiert werden, und dafür stand Winfried Kretschmann, steht Winfried Kretschmann und eben nicht Herr Mappus, an den wir uns nur dann noch erinnern, wenn es wieder einen neuen Skandal gibt.

    Meurer: Mit dieser Haltung, Zuhören, nicht unbedingt das machen wollen, was er selber will, unterscheidet sich da Kretschmann von der Partei?

    Göring-Eckardt: Nein, das würde ich nicht sagen. Bündnis 90/Die Grünen sind ja eine Partei in Ost wie West, die die Frage von Bürgerbeteiligung und Bürgerrechten immer starkgemacht haben, und Winfried Kretschmann symbolisiert das natürlich noch zusätzlich als Person. Es geht ja nicht darum, dass die Grünen eine Partei wären, die immer schon weiß, wie es richtig ist. Manchmal hatte man sicherlich in den 80er-Jahren den Eindruck, dass da jemand unterwegs ist, der sagen will, wie die anderen leben sollen. Inzwischen: wir sind eine Partei, die ganz klar und deutlich sagt, wir wollen Bürgerinnen und Bürger beteiligen, und natürlich haben wir eine klare Linie und eine klare Haltung, gerade wenn es um Ökologie geht, gerade wenn es um den Zusammenhalt der Gesellschaft, die soziale Frage geht. Trotzdem geht es nur dann, wenn man Menschen mitnimmt und wenn man sie überzeugt, wenn man sie begeistern kann.

    Meurer: Und es geht auch nur dann, Frau Göring-Eckardt, wenn Sie einen Koalitionspartner haben, und nicht nur die Grünen haben sich ja verändert in 30 Jahren, sondern auch gewaltig die CDU. Sie hat die Wehrpflicht abgeschafft, sie ist für den Atomausstieg. Und trotzdem sagen die Grünen, gestern Renate Künast wieder, auf keinen Fall Schwarz-Grün. Was wollen die Grünen eigentlich noch von der Union?

    Göring-Eckardt: Wir wollen gar nichts von der Union, sondern wir wollen gerne mit den Sozialdemokraten regieren, und dass wir das schaffen können, das kann man an den letzten Landtagswahlen sehen, das kann man daran sehen, dass wir deutlich um die zehn Punkte noch ein Potenzial haben, was wir hoffentlich erreichen werden.

    Meurer: Aber an der Summe der Umfragen, SPD/Grüne, kann man es nicht sehen?

    Göring-Eckardt: Nein, wir haben ja auch noch ein bisschen Zeit und diese Zeit werden wir auch nutzen, um zu kämpfen. Da wird die SPD was beizutragen haben, da werden wir was beitragen müssen, ganz klar und deutlich. Aber wissen Sie, Herr Meurer, wenn man sich anguckt, was die Union tatsächlich macht - es geht ja nicht am Ende darum, dass man irgendwie rechnerisch eine Mehrheit hat, sondern am Ende geht es darum, hat man eigentlich inhaltlich so viele Gemeinsamkeiten, dass man darauf eine Regierung aufbauen kann. Die Wehrpflicht ist nun abgeschafft, darüber freuen wir uns, und was den Atomausstieg angeht, so hat der ja zwei Teile. Der zweite Teil ist die ernsthafte Energiewende. Da erleben wir jetzt gerade nicht nur so was wie Verzagtheit bei Herrn Altmaier - ich gebe zu, dass ich ihm da wirklich auch mehr zugetraut hatte, als er ins Amt kam -, sondern das, was er jetzt macht, neuerdings seit gestern erleben wir so was wie Planwirtschaft bei der Energiewende statt weiteren Antrieb und wir erleben natürlich auch, dass wir eine CDU und CSU haben und gerade dabei sind, ein Betreuungsgeld einzuführen, was wahrscheinlich weniger den Kindern zugutekommen wird, weil wir da ja aus unterschiedlichen Untersuchungen wissen, dass es eher schädlich ist. Das ist ein Betreuungsgeld quasi direkt für Horst Seehofer.

    Meurer: Ist aber keine Kernfrage der deutschen Politik, das Betreuungsgeld. Wollen Sie lieber in die Opposition nächstes Jahr, in der Opposition bleiben?

    Göring-Eckardt: Das Betreuungsgeld ist keine Kernfrage deutscher Politik, aber es zeigt natürlich darüber, was man wichtig findet, welche Priorität man setzt und mit welchem Familienbild man unterwegs ist. Ich will gerne regieren und ich bin auch überzeugt, dass wir das schaffen können, gemeinsam mit den Sozialdemokraten, ...

    Meurer: Sie wollen nur mit Rot-Grün? Sie wollen nur mit Rot-Grün regieren? Was anderes gibt es nicht im Bund?

    Göring-Eckardt: Wir wollen mit den Sozialdemokraten regieren, und das heißt auch, dass wir Menschen gewinnen müssen und gewinnen wollen, die in der Mitte der Gesellschaft sind und die von dem, was die CDU und was auch die FDP ja auch mit ihrer chaotischen Art zu regieren in den letzten Jahren gemacht haben, enttäuscht sind. Ich hoffe, dass wir die gewinnen können, und da bin ich auch sicher, dass es dazu gute Chancen gibt.

    Meurer: Ich halte jetzt einfach mal fest: Sie sagen nicht, dass Sie es ausschließen, Schwarz-Grün, wollen wir auch nicht ewig lange weitertreiben. Aber eins noch: Es gibt ja im Moment das Kandidatenrennen vor der Mitgliederbefragung. Wenn Sie jetzt sagen würden, Frau Göring-Eckardt, ich bin für Schwarz-Grün, dann können Sie doch vermutlich ihre Chancen und Ihre Kandidatur einpacken.

    Göring-Eckardt: Ich sage jetzt erst mal, ich halte fest, wir wollen mit den Sozialdemokraten regieren, und wir sind gerade in einem Urwahlverfahren, das übrigens sehr spannend ist. Ich glaube, es hat noch keine Partei geschafft, ihre eigenen Mitglieder und auch die Öffentlichkeit so stark ein Jahr vor der Bundestagswahl zu mobilisieren. Das ist jetzt für alle klar, dass wir bei der Frage der Energiewende, dass wir bei der sozialen Frage uns jetzt bereit machen dafür, dass wir noch zulegen können im nächsten Jahr, und dazu hilft diese Urwahl. Ich war ja zugegebenermaßen am Anfang skeptisch, ob so ein parteiinterner Prozess gut ist, aber was wir jetzt erleben, ist, dass viele sich dafür interessieren, dass die Bundespolitik in der Partei eine ganz andere Rolle spielt, als das normalerweise ein Jahr vorher der Fall ist.

    Meurer: Manche halten die Grünen schon für zu etabliert, vor allen Dingen, seitdem die Piraten aufsteigen. Was kann helfen, die Grünen vor dem grau werden zu bewahren?

    Göring-Eckardt: Na ja, erst mal sind die Piraten ja gerade am absteigen und nicht mehr am aufsteigen. Ich glaube, da hat sich auch gezeigt, dass eine Partei, die nur mit Sprüchen und nicht mit Themen dann am Ende aufwartet, es nicht schaffen kann in Deutschland. Aber was ganz klar ist: Die Grünen sind etabliert. Sie haben übrigens dafür auch gekämpft. Sie haben dafür gekämpft, regierungsfähig zu werden, in der Bundespolitik vor 1998, in den Ländern schon vorher, und ich finde gut, dass wir eine Politik machen, die alle im Blick hat, die seriös ist, die auch deutlich macht, dass, was wir vorschlagen, muss am Ende auch bezahlbar bleiben. Und dass wir trotzdem Parteimitglieder haben, die sehr unterschiedlich sind, zum Glück, dass wir trotzdem immer noch und immer wieder auch schräge Vorschläge haben, über die wir diskutieren, dass wir einen visionären Überschuss haben, wenn wir über eine andere Gesellschaft diskutieren, das merkt man immer wieder, wenn man im Land unterwegs ist. Also um das grau werden muss man sich, mal unabhängig von der Haarfarbe, glaube ich, keine Gedanken machen.

    Meurer: Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt zu den Perspektiven der Grünen heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Frau Göring-Eckardt, besten Dank und auf Wiederhören nach Berlin.

    Göring-Eckardt: Ich danke Ihnen auch, auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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