Stefan Koldehoff: Hohen Besuch erwartet morgen das eigentlich sehr alte und doch noch sehr junge Goethe-Institut in Myanmar, dem früheren Burma. Zwar wurde dort 1959 die erste größere Niederlassung des deutschen Kulturinstitutes in Südostasien eröffnet; das schloss das Militärregime drei Jahre später nach dem Putsch dann aber auch schon wieder. Seither gab es zwar Kooperationen mit kulturellen Einrichtungen im Land und unter dem Dach des Instituts der französischen Nachbarn; ein eigenes Goethe-Institut in der Hauptstadt eröffnet Bundespräsident Joachim Gauck aber erst morgen Vormittag unserer Zeit – wieder, muss man sagen.
Den Leiter dieses Instituts, Franz Xaver Augustin, habe ich vor der Sendung über eine art wackelige Skype-Leitung gefragt, was dieser Schritt für das deutsche Kulturengagement in Myanmar nach dem Beginn des Demokratisierungsprozesses vor drei Jahren bedeutet.
Franz Xaver Augustin: Was Herr Gauck morgen eröffnet, ist grundsätzlich das Goethe-Institut in Yangon. Wir haben eine Zwischenunterbringung, eine vorläufige Unterbringung bei den französischen Kollegen, und das Haus, das morgen die Kulisse sein wird, ist eine wunderbare Villa aus den 20er-Jahren, die lange als Art School gedient hat, die aber völlig runtergekommen ist und die jetzt erst in den nächsten zwei Jahren gründlich saniert und renoviert wird und umgebaut wird. Es sind auch die Verhandlungen über dieses Haus noch nicht ganz abgeschlossen. Aber ich bin guter Dinge und das wird dann die Gelegenheit sein, dass wir in unserem Haus nicht nur Filme zeigen können, Ausstellungen aus Deutschland zeigen können, sondern auch jungen burmesischen Künstlern Gelegenheit geben, auf unserer Bühne, in unserer Galerie, in unseren Ausstellungsräumen ihre Dinge zu zeigen. Eine ganze Reihe von freien Künstlerinitiativen müssen schließen, können die neue Freiheit nicht genießen und nutzen, weil die Preise für die Immobilien zumindest einigermaßen im Zentrumnähe völlig unbezahlbar geworden sind, und vor diesem Hintergrund ist ein Goethe-Institut mit eigenen Räumlichkeiten und mit einer eigenen Infrastruktur von größter Wichtigkeit.
Die neue Freiheit genießen
Koldehoff: Das heißt, was früher aus politischen Gründen vielleicht schwierig war, ist es heute aus kommerziellen Gründen geworden?
Augustin: Leider ist das so.
Koldehoff: Ich lese trotzdem in Ihren Presseinformationen, in kaum einem anderen Land der Region und auch sonst in Asien werden die Angebote des Goethe-Instituts mit einem so wachen Interesse und so großer Resonanz aufgenommen. Worauf führen Sie das zurück?
Augustin: Wir hatten diverse Konzerte, westliche Klassik, aber auch die burmesische Tradition, kombiniert zum Teil mit westlicher Musik, Jazz, mit westlichen Improvisationsformen. Wir hatten gestern Abend ein wunderbares Konzert, Freiluftkonzert, wo die jungen und älteren Besucher geströmt sind. Das ist ein Beispiel aus der Musik, das gleiche können wir aber auch von den Filmen sagen, die wir beim Europäischen Filmfestival regelmäßig zeigen. Auch jetzt zum Beispiel die ersten Sprachkurse, die wir anbieten, im französischen Zentrum vorläufig, ohne große Werbung, wir hatten ganz schnell die ersten 100 Kursteilnehmer beisammen. Das Land ist ausgehungert nach Informationen nach 50 Jahren quasi totaler Isolation, abgeschnitten sein von nicht nur den globalen Kapitalströmen, sondern auch von den globalen Strömen von Wissen und Information, und vor diesem Hintergrund bin ich ganz sicher, dass wir hier einer großen Zukunft entgegensehen.
Ausgehungert nach Informationen
Koldehoff: Welche Rolle spielt die deutsche Sprache jetzt schon in Myanmar? Wenn Sie sagen, wir haben ganz schnell Anmeldungen für die Kurse, die wir anbieten, welche Hoffnung ist damit verbunden, welches Ziel?
Augustin: Es gibt zurzeit einen Touristenboom und die burmesischen Touristenführer mögen es mehr als in anderen Ländern, dass sie ihre Gäste in ihrer Muttersprache bedienen und führen können. Das habe ich sonst nirgendwo, vielleicht noch in Griechenland so erlebt. Wir werden auch jetzt, wo die heiße Zeit beginnt und die Hochsaison vorbei ist, noch mal eigene Kurse für Reiseführer machen. Das ist eine Richtung.
Die andere ist, dass sehr viele deutsche Firmen und vor allem deutsche Institutionen, Entwicklungshilfe etc. anlanden und die wollen auch, dass ihre Mitarbeiter Deutschkenntnisse haben. Und eigentlich die größte Zielgruppe, wie ich sie aus Vietnam oder aus Indonesien oder auch aus Thailand kenne, werden aber junge Leute sein, die in Deutschland studieren wollen. Da sehe ich ein großes Potenzial.
Koldehoff: Der Demokratisierungsprozess in Myanmar hat im April 2011 begonnen. Noch ist nicht alles in trockenen Tüchern, noch ist nicht alles golden und rosig. Es gibt nach wie vor Berichte über Menschenrechtsverletzungen, Pressefreiheit wird noch dran gearbeitet, die Verfassung schreibt immer noch Vorrechte des Militärs in bestimmten Bereichen fest. Welche Hoffnung haben Sie als Leiter des Goethe-Instituts, an der Entwicklung der Zivilgesellschaft mithelfen zu können?
Ein wirklicher Wandel ist spürbar
Augustin: Wenn man es vor Ort erlebt, dann spürt man zunächst mal einen wirklichen Wandel. Ich kenne das Land jetzt seit 2007. Die größte Veränderung ist, dass die Menschen keine Angst mehr haben. Der Geheimdienst, der vorher allgegenwärtig war, ist in seine Schranken gewiesen. Dass wir jetzt ein Institut wieder aufmachen können, ist das Signal für die Rückkehr dieses Landes in die Weltgemeinschaft. Es ist unsere große Verantwortung, dass wir als eine internationale Kulturorganisation den globalen Diskurs, die globale Vernetzung als etwas Positives erleben lassen und den Menschen zugänglich machen. Da sehe ich unsere Hauptaufgabe drin, dass wir den vor allem jungen Menschen, die kulturinteressiert sind, die bildungshungrig sind, den Zugang zu den Informationen, die wir in anderen Ländern seit langem liefern, auch zugänglich machen, und das ist ganz gewiss ein ganz wesentlicher Beitrag zur zivilen Entwicklung des Landes.
Koldehoff: Franz Xaver Augustin war das, der Direktor des Goethe-Instituts in Myanmar. WLAN gab es für dieses Gespräch nur in der Hotel-Lobby, wir bitten die wechselhafte Tonqualität zu entschuldigen. Ihr Radio ist nicht kaputt.
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