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Goethe-Institut
Neuer, alter Stützpunkt in Marseille

Es sei zwar nur ein bescheidenes Verbindungsbüro, das das Goethe-Institut in Marseille einrichten konnte, aber nach der Schließung vor vielen Jahren sei er über die erneute Präsenz sehr froh, sagte Joachim Umlauf, Leiter des Goethe-Instituts Paris. Gerade als Verbindung zu Nordafrika sei der Standort außerordentlich wichtig.

Joachim Umlauf im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich |
    Blick vom Fuß der Wallfahrtskirche Notre Dame de la Garde über Marseille auf die kleine Felseninsel Insel Ile d'Il mit dem Gefängnis Chateau d'If aufgenommen.
    Blick vom Fuß der Wallfahrtskirche Notre Dame de la Garde über Marseille auf die kleine Felseninsel Insel Ile d'Il mit dem Gefängnis Chateau d'If aufgenommen. (dpa / Andreas Engelhardt)
    Burkhard Müller-Ullrich: Goethe kannte zwar die Marseillaise, aber er war nie in Marseille. Inzwischen ist die Hafenstadt am Mittelmeer die zweitgrößte Stadt Frankreichs und jetzt ist Goethe dort präsent, nämlich in Form des Goethe-Instituts, das auf dem Gelände einer ehemaligen Tabakfabrik gerade eine Dependance eröffnet hat. Aber etwas an dieser Jubelmeldung ist verwunderlich: Es gab doch auch früher schon ein Goethe-Institut in Marseille. Was ist nun das Neue daran? Das habe ich den Leiter der französischen Goethe-Institute, Joachim Umlauf, gefragt.
    Joachim Umlauf: Na ja, das Neue ist natürlich zu einem, dass dieses Goethe-Institut, das es einmal in Marseille gab, 1998 geschlossen wurde, nun wieder ein bisschen neu belebt worden ist, und zwar in Form eines bescheidenen Verbindungsbüros, muss man sagen. Das heißt, wir haben eine Mitarbeiterin, die aus einem anderen Goethe-Institut in Frankreich freigestellt worden ist, nach Marseille geschickt, um dort zunächst im Rahmen der europäischen Kulturhauptstadt 2013 und jetzt auch weiter fortsetzend Kultur- und Sprachprojekte zu betreuen.
    Müller-Ullrich: Jetzt haben Sie schon gleich gesagt, erstens die Mitarbeiterin wird woanders freigestellt. Das heißt, es ist ein Nullsummen-Spiel, es darf keine neuen Ausgaben generieren. Auf der anderen Seite wurde im Zuge von Sparmaßnahmen damals das Marseiller Goethe-Institut geschlossen – nur in Marseille. Die anderen blieben ja offen in Frankreich.
    Umlauf: Die anderen haben sich retten können, wiewohl man auch Pläne hatte, andere Institute zu schließen oder teil zu schließen, und das ist an anderen Standorten – ich denke da besonders an Bordeaux und Toulouse – am Widerstand der lokalen Bevölkerung und der lokalen Politik gescheitert.
    Müller-Ullrich: Nur den Marseillern war das ein bisschen egal?
    Umlauf: Ja, in Marseille hat man sich nicht richtig darum gekümmert. Marseille ist eine Stadt, ist eine schwierige Stadt - das sollte man nicht verleugnen -, die dem Mittelmeer zugewandt ist, die große Migrationsprobleme hat, wo über 130 verschiedene Volksgruppen, Nationalitäten auf engem Raum zusammenleben. Damals hat man sich nicht so sehr dafür interessiert, eine deutsche Kulturpräsenz vor Ort zu haben. Das ist heute glücklicherweise anders.
    Müller-Ullrich: Nun war – Sie haben es bereits erwähnt – Marseille letztes Jahr Kulturhauptstadt. Da hätte man ja eigentlich schon präsent sein müssen.
    Umlauf: Das haben wir eben auch getan. Wir haben angefangen, mit der europäischen Kulturhauptstadt zusammenzuarbeiten, und die Fülle der Projekte und das Interesse an deutschen Künstlern, das sich daraus ergab, hat uns eigentlich erst richtig dazu angestiftet, in Marseille zu bleiben.
    Müller-Ullrich: Sie hatten auch gerade gesagt, die Position Marseille bedeutet automatisch eine Öffnung zum Mittelmeer, über das Mittelmeer hinweg vielleicht sogar nach Nordafrika, wo sich jetzt so wahnsinnig vieles tut. Ist das nicht ein bisschen so ein Traum, wie man ihn in Wien hatte, als der Eiserne Vorhang fiel, dass man Drehscheibe zum Osten werden wolle, aber im Grunde war es dann doch nicht Wien, sondern die Leute aus dem Ostblock gingen gleich nach England und Amerika?
    Marseille als Einfallstor für Nordafrika
    Umlauf: Das ist in diesem Fall natürlich was anderes, und zwar hat das auch etwas mit der Sprache zu tun. Sie dürfen natürlich nicht vergessen, dass in einer Reihe von nordafrikanischen, vor allen Dingen den Maghreb-Staaten Französisch Amtssprache ist, und da ist für uns die Verbindung über Marseille zu diesen Ländern natürlich ein sehr positives Einfallstor. Im Übrigen ist Marseille natürlich auch deshalb so interessant für uns, weil dort sehr viel im öffentlichen Raum stattfindet. Gerade die Frage der Verwirklichung der Bevölkerungsgruppen im öffentlichen Raum, partizipative künstlerische Projekte, spielen dort eine große Rolle, und das ist natürlich auch gut in Verbindung mit den nordafrikanischen Staaten zu machen: Was bedeutet Öffentlichkeit, was bedeuten Plätze, wo können die Menschen sich zum Ausdruck bringen, wo können sie miteinander interkulturelle Begegnungen haben.
    Müller-Ullrich: Und die deutsche Sprache ist da auch sehr gefragt?
    Umlauf: Na ja, mit der deutschen Sprache sieht es nicht ganz so gut aus. Wir sind da fast schon, wenn ich das so sagen darf, in der Diaspora in Südfrankreich. Da wird natürlich sehr viel weniger Deutsch gelernt als in anderen Gegenden Frankreichs. Aber Frankreich gehört natürlich absolut gesehen immer noch zu den Ländern, wo am meisten Deutsch gelernt wird, und gerade dass wir dort sind, ist von den zuständigen Stellen, den sogenannten Rektoraten, den Akademien, von den zuständigen Stellen ist das Deutsch lernen sehr positiv wahrgenommen worden, weil sie nun doch auch sich darauf freuen, von uns unterstützt zu werden bei zum Beispiel Fortbildungsseminaren für Lehrer, bei der Einführung neuer Schulmittel und Lehrmittel und Ähnlichem.
    Müller-Ullrich: Joachim Umlauf, Leiter der Goethe-Institute in Frankreich, über die neue Zweigstelle in Marseille.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.