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"Goethe-Institute haben eine Menge Geld verloren"

Vor den Neuwahlen im September wird nun wieder einmal die Einrichtung eines Bundesministeriums für Kultur und eine damit verbundene Integration der Goethe-Institute gefordert. Nach Ansicht des ehemaligen Staatsministers für Kultur, Michael Naumann, würde das keine sehr große Veränderung bedeuten. Zur Frage, ob Deutschland ein Kulturministerium benötigt, sagte er:

Moderation: Doris Schäfer-Noske | 23.07.2005
    Nauman In Wirklichkeit war es ja so, dass das Amt eines Bundeskulturministers schon Jahrzehnte vor meinem Antritt dort von der CDU gefordert worden war. Ich glaube, es war der damalige Minister Schmücker, der diesen Vorschlag machte. Des Weiteren gab es natürlich auch verfassungsrechtliche Untersuchungen, inwieweit ein solches Amt kollidieren würde mit der so genannten Kulturhoheit der Länder. Und die bundesinternen, im Innenministerium angestellten Überlegungen sagten: Nein, es gäbe da keine Kollision, denn es gäbe genügend kulturpolitische Zuständigkeiten des Bundes, die ein solches Amt rechtfertigen würden. Und so ist es denn ja auch gekommen - wenn auch nicht als "Bundesminister", sondern als "Staatsminister".

    Schäfer-Noske: Warum sind Sie denn nicht gleich Bundesminister gewesen, wenn es da keine Bedenken mehr gegeben hätte?

    Naumann: Bundeskanzler Schröder kam natürlich selber aus einem Land, er war Ministerpräsident in Niedersachsen, und hatte die Kulturhoheitsideologie der Länder völlig verinnerlicht. Das heißt, er war durchaus der Meinung, hier könnte es ein Grundgesetzkonflikt geben - den wollte er nicht am Anfang seiner Amtszeit haben. Und mir, ehrlich gesagt, war es völlig Wurst, ob das nun ein Staatsminster ist oder ein Bundesminister, das hätte lediglich eine Art Gehaltsunterschied ausgemacht. In der wesentlichen Frage, nämlich in der Repräsentanz der kulturpolitischen Anliegen der gesamten Republik in Brüssel, war auch die Funktion des Staatsminsters völlig ausreichend und hat in der Tat da durchaus Wirkungen zeigen können, die Vertreter der Kulturministerkonferenz nicht hatten - die ließen sich da auch praktisch nie sehen.

    Schäfer-Noske: Es war ja am Anfang so, dass zum Beispiel der CSU-Politiker Hans Zehetmair gesagt hat: Ein Kulturstaatsminister, das wäre wie ein Marineminister für die Schweiz. Also, es gab da ja durchaus auch Vorbehalte. Aber dann, eigentlich doch schon bei der Bundestagswahl 2002, war klar, dass ja auch ein möglicher Bundeskanzler Stoiber hätte ja dieses Amt behalten. Also hat sich das ja anscheinend bewährt?

    Naumann: Das hat sich sicherlich bewährt. Die nicht vorhandene Marine, wenn wir sie einfach mal übersetzen in Verfügungskompetenz über Geld, war doch ganz beträchtlich. Das heißt, als ich mein Amt da antrat, war der Etat 1,9 Milliarden Mark groß. Der ist dann auch noch gewachsen unter meinen Nachfolgern. In anderen Worten: Auch für Herrn Zehetmair wäre das ein Etat gewesen, über den er sich sehr gefreut hätte, den er nicht hat in dieser Höhe. Der Bund hat mit diesem Amt eine Position geschaffen, in der die Ausgaben des Bundes auch vom Parlament nun gewissermaßen an einer Person fixiert kontrolliert werden können und nicht so versickern in verschiedenen Etats. Das hat sich alles sehr bewährt.

    Schäfer-Noske: Nun hat die derzeitige Kulturstaatsministerin Weiss und einige SPD- und auch Grünenpolitiker haben sich nun wirklich für ein Bundeskulturministerium ausgesprochen - auch die Berliner Kulturpolitikerin und CDU-Spitzenkandidatin Monika Grütters, übrigens -, während unionsgeführte Bundesländer und auch CSU-Politiker sich dagegen geäußert haben. Was würden Sie davon halten, wenn es nun wirklich ein Bundeskulturministerium werden würde?

    Naumann: Es wäre kein wirklicher Unterschied zwischen der derzeitigen Regelung festzustellen. Er oder sie würden ganz einfach ein höheres Monatsgehalt bekommen - und möglicherweise natürlich dann auch mit Abstimmungsrecht im Kabinett. Der Staatsminister hatte Mitspracherecht, konnte sich auch äußern - das habe ich auch getan und das haben auch meine Nachfolger getan in den Kabinettssitzungen -, aber abstimmen durften sie nicht.

    Schäfer-Noske: Nun wird ja als Rechtfertigung für einen solchen Schritt auch immer die mögliche Integration der auswärtigen Kulturpolitik und der Goethe-Institute, manche sagen auch der Medienpolitik und Bildungspolitik ins Kulturministerium angeführt. Was wäre da Ihrer Erfahrung nach sinnvoll?

    Naumann: Also ich habe seinerzeit ja versucht, das Goethe-Institut zu integrieren in die Behörde des Staatsministers für Kultur. Das ist aber gescheitert mit dem Goethe-Institut an dem Kompetenzsog des Außenministers Fischer, der gerne die Goethe-Institute bei sich behalten hätte - was die inzwischen lebhaft bedauern. Denn Joschka Fischer - bei aller Kompetenz und Pracht seiner Amtsführung - hat sich in Wirklichkeit nicht um die Kulturpolitik, die immerhin, glaube ich, ein Drittel seines gesamten Etats ausmacht, im Ausland in dem Maße gekümmert, wie das sinnvoll und richtig gewesen wäre. Und die Goethe-Institute haben in diesen letzten sieben Jahren doch eine Menge Geld verloren.

    Schäfer-Noske: Also das wäre für Sie eine sinnvolle Sache, die Goethe-Institute dem Kulturstaatsminister beziehungsweise dann eben auch einem möglichen Bundeskulturministerium zuzuschlagen. Wie ist das mit der Bildungspolitik?

    Naumann: Die Kompetenz der Bildungspolitik des Bundes ist bekanntlich sehr beschränkt, bezieht sich in erster Linie auf gemeinsame Standards und die Errichtung neuer Universitäten. Und das liegt, wie ich finde, sinnvollerweise beim Forschungsministerium. Eine andere Möglichkeit - und die halte ich für bedenkenswert und interessanter, damit die Ministerien sich nicht so vermehren - wäre die Verlagerung der Kulturabteilung in das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Und möglicherweise wird die Opposition, wenn sie die Wahl gewinnt - was ja noch keineswegs so hundertprozentig der Fall zu sein scheint -, genau diese Kombination vornehmen, so dass Sie automatisch einen Bundeskulturminister kriegen, ganz einfach, weil die Kulturabteilung dorthin verlegt wird, wo sie gewissermaßen eigentlich auch hingehört, nämlich in die Wissenschaft und Forschung.

    Schäfer-Noske: Da ist dann natürlich die Frage, inwieweit sich jemand, der sich um die Forschung, die ganze Gentechnik-Debatte und so weiter kümmern muss, inwieweit der auch noch Luft hat, sich um die Kultur zu kümmern.

    Naumann: Ja sehen Sie, das ist genau der Punkt, wo sich die beiden Themen doch sehr berühren, denn die Debatte um die Genforschung, die bioethische Debatte ist in erster Linie eine normative Debatte. Es geht längst nicht mehr um Förderung von Apparaturen, Techniken - das natürlich auch - und rein naturwissenschaftlich-biologischen Prozessen, sondern es geht jetzt um die Frage der Anwendung der technischen Entwicklungen zum Beispiel in der Zellforschung. Und das sind Fragen, die auf dem klassischen Feld der Kultur debattiert werden, nämlich in Ethik-Kommissionen, in philosophisch-inspirierten, theologisch-inspirierten Gesprächskreisen, auf die ein solcher Minister zurückgreifen könnte und zurückgreifen muss. Es wäre also eine Erweiterung dieses etwas auf die Künste beschränkten Kultur-Begriffes. Und ich würde das sehr begrüßen, wenn das so käme.

    Schäfer-Noske: Die gegenwärtigen Prognosen gehen ja doch davon aus im Moment, dass die CDU wohl die vorgezogenen Bundestagswahlen gewinnen wird. Sie hat jetzt die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gewonnen und dort ja auch einiges in Sachen Kultur verändert. In Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen wurde das Kulturressort von der Zuständigkeit her abgewertet. Und im Wahlprogramm der CDU kommt die Kultur ja auch nur ganz am Rande vor. Was würden Sie denn erwarten von einer CDU-FDP-Bundesregierung in Sachen Kultur?

    Naumann: Nicht viel. Denn Sie sagen, völlig zu Recht, Sie sehen im Augenblick ja schon, dass in dieser - man muss wirklich sagen - neoliberal verhexten Wahlkampfprogrammatik beider Parteien, die ja eine völlige Ökonomisierung der gesellschaftlichen Debatte zum Inhalt hat, die wird genau dieses Feld, in der eigentlich die Sinnfragen der Gesellschaft debattiert werden, mit derselben Wurstigkeit behandeln, wie sie das eben viele Jahrzehnte lang getan hat. Das führt unter anderem eben dazu, dass in Deutschland immer mehr Menschen sich völlig zu Recht fragen: Wozu leben wir in unserer Gesellschaft?, Was ist der Zweck unserer Arbeit?, Wo kommt das Unglück, die allgemeine Depression, die über Deutschland liegt, eigentlich her? Kommt sie vielleicht daher, dass wir uns eigentlich nie klargemacht haben, was Glück eigentlich ist in einer modernen Gesellschaft? Das sind Debatten, die normalerweise im Kulturbereich - zum Beispiel im Theater - stattfinden, und in der Literatur, und wenn sich Parteien aus dieser Diskussion verabschieden, dann werden sie früher oder später in einer Gesellschaft aufwachen, in der andere Leute diese Antworten geben - und das werden nicht unbedingt die besten Demokraten sein.

    Schäfer-Noske: Unter einer Bundeskanzlerin Merkel, wer wird sich da um die Kultur kümmern?

    Naumann: Ich wünschte mir natürlich - das will ich ganz offen sagen -, dass die derzeitige Kulturministerin Christina Weiss ihr Amt beibehalten kann. Wenn das aber nicht der Fall sein sollte, wird sicherlich ein Mann von der Qualität und den Kenntnissen eines Norbert Lammert eine Arbeit fortsetzen können, die er selber auch als Oppositionspolitiker unterstützt hat.