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Goethe-Medaille für den Verleger Enkbhat Roozon
Eigenwilliger Kampf für die Meinungsfreiheit

Der mongolische Publizist, Buchhändler und Verleger Enkhbat Roozon hat die größte Buchhandelskette des Landes gegründet. Er arbeitet an der Modernisierung des Bildungssystems mit und tritt für die Meinungsfreiheit ein. Für sein Engagement wird ihm nun die Goethe-Medaille verliehen.

Von Mirko Schwanitz |
Eine Goethe-Medaille liegt auf einem Tisch
Die Goethe-Medaille wird schon seit 1954 an Menschen verliehen, die sich in besonderer Weise für den internationalen Kulturaustausch einsetzen (dpa-Zentralbild)
"Diese Buchhandlung hier vor uns, habe ich vor sieben Jahren gegründet. Sie fragen mich, ob ich darauf stolz bin? Ich weiß nicht recht. Ich gebe damit jedenfalls nicht an. Das ist nicht mein Charakter."
Wir sind in Ulan-Bator, der Hauptstadt der Mongolei. Enkhbat Roozon ist auf dem Weg zur Arbeit. Der Buchladen vor ihm ist der Geburtsort der größten Buchhandelskette in einem noch immer von Nomaden geprägten Land. In Zahlen heißt das: Roozon ist Herr über sechs Buchhandlungen - für etwas mehr als drei Millionen Einwohner.
"Ich habe in meiner Kindheit kaum gelesen. Später habe ich in Leipzig Fotografie studiert und mich mehr mit Bildern als mit Büchern beschäftigt. Ich kann also nicht behaupten, dass ich mit Büchern aufgewachsen wäre."
Blick auf die mongolische Hauptstadt Ulan Bator.
In Ulan Bator betreibt Enkhbat Roozon sechs Buchhandlungen - für gut drei Millionen Einwohner. (dpa / picture alliance / Wu Hong)
Nach dem Studium arbeitete er als Fotograf. Als die Sowjetunion zusammenbrach war er unter den Tausenden, die auch in Ulan Bator politische Veränderungen forderten.
"1990 wusste niemand, welchen Weg er gehen sollte. Die Geschäfte waren leer, die Menschen arbeitslos. Ich machte Fotos und verkaufte sie als Postkarten an die wenigen Touristen, die damals in die Mongolei kamen – für einen Dollar das Stück."
"Das Interesse am Lesen hängt nicht allein vom Einzelnen ab, sondern von der Gesellschaft"
Mit dem so verdienten Geld kaufte sich Roozon eine klapprige Druckmaschine und druckte seine Postkarten bald selbst. Heute ist seine Admon-Druckerei die modernste im Nomadenland. Als Kind von Eltern, die immer Wert auf Bildung gelegt hatten, beobachtete Roozon mit Sorge, dass sich das Bildungssystem in der Mongolei lange nicht von den Folgen des Zusammenbruchs in den 1990er Jahren erholte. Er beschloss, einen Verlag zu gründen.
"Mit einem Verlag können Sie in der Mongolei zwar kein Geld verdienen. Aber ich beobachtete, dass immer mehr Kinder die eigene Muttersprache nicht mehr beherrschten. Also begann ich, Bücher für Vorschulkinder zu drucken. Denn ich bin überzeugt, dass Sprache und Literatur eng verbunden sind."
Roozons Monsudar-Verlag ist in der Mongolei heute führend im Bereich internationale Belletristik sowie der Herausgabe moderner Lehrmaterialien. In öffentlichen Veranstaltungen setzt sich der Verleger seitdem für die Modernisierung des Bildungssystems und die Stärkung der Meinungsfreiheit ein. Denn bis heute hat sich in der Mongolei weder eine unabhängige Presse noch eine kritische Öffentlichkeit etablieren können.
"Während des Sozialismus wurden nicht nur viele Bücher herausgegeben. Es wurde tatsächlich viel gelesen. Ich ziehe daraus den Schluss, dass das Interesse am Lesen nicht allein vom Einzelnen abhängt, sondern von der Gesellschaft. Warum sind in der Mongolei die Steuern auf Bücher so hoch wie auf jede beliebige andere Handelsware? Das heißt doch klipp und klar, dass unser Staat keine leserfreundliche Politik macht."
Ein Berater in Bildungsfragen
Um hier Veränderungen herbeizuführen, berät Roozon inzwischen die Regierung in Bildungsfragen. Und in ländlichen Gebieten schloss er Verträge mit kleinen Geschäften, die – manchmal neben Tomaten oder Gurken – nun auch Bücher anbieten. Ohne sein Engagement wäre die Mongolei heute wohl eine intellektuelle Wüste. Das zumindest meint Jargealsaikhan Orchirkuu, deren Übersetzungen des japanischen Autors Haruki Murakami in Roozons Admon-Verlag erschienen sind.
"Enkhbat Roozon hat für den mongolischen Buchmarkt Herausragendes geleistet. Man könnte sagen, er hat sein ganzes Leben der Bildung unseres Volkes gewidmet. Kritisch zu sein - das ist seine Art, Verantwortung zu übernehmen. Bis heute ist er einer der wenigen, der Probleme im Bildungssystem benennt und es wagt, Politiker offen zu kritisieren. Das hat ihm nicht nur Freunde eingebracht."