Fast andächtig hält Ilannguaq Olsen den grauen Gesteinsbrocken an den Schleifstein und bewegt ihn dabei langsam auf und ab. Solange, bis das blasse Rot des Tugtupit deutlich zu Tage tritt. Ein Edelstein wie es ihn so nur in Grönland gibt.
Olsen, ein Mann Mitte 30, steht in der Werkstatt seines kleinen Bauunternehmens am Stadtrand von Nuuk. Er hofft, mit solchen Mineralien bald Geld zu verdienen, sie in die ganze Welt zu exportieren – und das ganz ohne ausländische Hilfe.
"Seit meiner Kindheit habe ich davon geträumt, einen Schatz auszugraben. Als ich dann hörte, dass in Südgrönland Uran abgebaut werden sollte, wollte ich zeigen, dass es umweltfreundlichere Bodenschätze gibt. Zum Beispiel solche Edelsteine."
Minenlizenzen vor allem für ausländische Investoren
Ob Uran, seltene Erden, Zink, Eisenerz oder Gold: Angelockt vom schmelzenden Eis wollen immer mehr ausländische Investoren Minenlizenzen von der grönländischen Regierung – die darüber autonom von Dänemark entscheiden darf. Einheimische Inuit wie Olsen ärgert, dass die Bodenschätze Grönlands bislang nur von ausländischen Konzernen ausgebeutet werden. Er schlägt sich den Staub von seinem Kapuzenpullover und schiebt ein paar unbearbeitete Steine zur Seite.
"Mit der Vergabe der ersten großen Minenlizenzen 2009 ging es los. Dabei gibt es bis heute in Grönland keine öffentliche Debatte darüber, was wir eigentlich und vor allem wie wir es aus dem Boden holen sollen!"
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Begehrte Insel: Grönland im Fokus der Großmächte".
Die vielen Neubauten in der Hauptstadt Nuuk können nicht darüber hinweg täuschen: Fast jeder fünfte der gut 50.000 Grönländer, die allermeisten davon Inuit, lebt unterhalb der Armutsgrenze. Darum meint nicht nur Unternehmer Olsen, dass die Gewinne aus den Bodenschätzen im Land bleiben sollten. Viele Grönländer gingen dafür in den vergangenen Jahren auch auf die Straße – vor allem gegen die von einem australisch-chinesischen Konsortium betriebene Uranmine im südgrönländischen Kvanefjeld.
Ohne Rohstoff-Ausbeutung keine Unabhängigkeit?
Der für die Bodenschätze zuständige Minister Vittus Qujaukitsoq sitzt in seinem Büro im Regierungsgebäude von Nuuk. Der Politiker setzt sich für die Unabhängigkeit Grönlands ein und betont mit fast regungsloser Miene, dass sein Land das nur mit Hilfe seiner Rohstoffe schaffen könne. Derzeit käme noch viel Geld aus Dänemark, und 90 Prozent aller eigenen Einnahmen stammten aus dem Fischfang. Zu den großen Bergbau-Konzernen aus China, Kanada oder den USA gebe es keine Alternative:
"Zu behaupten, wir würden unser Land an irgendjemanden billig verkaufen, ist nicht wahr. Aber es ist nun einmal so, dass ein Unternehmen über die notwendige Erfahrung und das Wissen verfügen muss, um mit so schwierigen Förderbedingungen wie in Grönland zurechtzukommen. Und es muss auch das notwendige Kapital mitbringen, damit es unsere Vorgaben erfüllen kann."
Die Olsens wohnen in einem der modernen, neuen Wohnblocks am Stadtrand von Nuuk. Eine bescheidene Drei-Zimmer-Wohnung mit Blick auf die Hafenbucht. Ilannguaqs Frau Eva, studierte Lehrerin, bereitet das Abendessen vor, die beiden Söhne im Kindergartenalter schauen derweil Zeichentrickfilme auf den Handys der Eltern.
Olsen selbst hat sich noch einmal vor seinen Laptop gesetzt. Er ruft die Webseite der Regierung auf und entdeckt auf der Karte für Rohstoff-Erkundungen, dass ausländischen Investoren weitere Gebiete zugeteilt worden sind. Er lehnt sich resigniert zurück:
"Wie sollen wir gegen die ankommen? Wir Grönländer haben einfach nicht die Mittel und das Geld, um so große Minen zu betreiben."
Olsen will es ohne Hilfe schaffen
Zwei erste Erkundungs-Lizenzen für den Edelstein Tugtupit hat Olsen inzwischen bekommen, nach jahrelangem Kampf mit der Bürokratie auch eine Exportgenehmigung. Es wäre leicht, einen ausländischen Partner mit ins Boot zu holen, sagt er – so wie es eine andere Mineralienfirma in Nuuk getan hat, die nun mehrheitlich Norwegern gehört. Doch Olsen will es allein schaffen, auch wenn er dabei keinerlei Unterstützung der Regierung bekommt.
Beim Abendessen und mit Blick auf die Kinder, geht die Diskussion unter den Eheleuten Olsen weiter: Die Frage der Bodenschätze sei doch wichtig für die Zukunft Grönlands. Denn wie die meisten ihrer Landsleute wollen auch sie, dass Grönland eines Tages unabhängig ist. Eva Olsen streichelt sanft den Arm ihres jüngsten Sohnes.
"Unsere Kinder sollen es einfacher haben als wir, in ihrem Land selbstbestimmt zu leben. Sie sollen selbst darüber bestimmen können, was mit den Bodenschätzen und allem anderen passiert. Ich wünsche mir, dass sie später in einer Gesellschaft leben, wo sie glücklich sein können."
Die Sachen selbst in die Hand nehmen
Dann fährt Olsen mit seinem Auto noch einmal los. Es ist schon dunkel, die Lichter des Hafens strahlen matt. Spätestens im nächsten Jahr, so hofft er, werden von dort die ersten Edelsteine seiner Firma in alle Welt verschifft. Wir Inuit müssen uns mehr zutrauen, sagt er:
"Weil wir so lange kolonialisiert worden sind, herrscht vor allem bei der älteren Generation immer noch die Haltung vor: Lasst die Regierungen nur machen."
Olsen will das ändern – und die Sachen selbst in die Hand nehmen. Wenn auch nicht um jeden Preis. Denn wenn zum Klimawandel der Raubbau kommt, das weiß auch er, könnte von Grönlands atemberaubender Schönheit irgendwann nicht mehr viel übrig bleiben.