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Golden-Globes-Verleihung
"Eine Beerdigung des alten Hollywood"

Bei den Golden Globes erschienen die Stars demonstrativ in Schwarz auf dem roten Teppich. Damit sollte ein Zeichen zu den Skandalen um sexuelle Belästigung in der Filmindustrie gesetzt werden. Insgesamt gab sich die Preisverleihung sehr politisch, sagte der Filmkritiker Peter Claus im Dlf. Auch in der Auswahl der Preisträger.

Peter Claus im Gespräch mit Juliane Reil |
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    Reese Witherspoon, Eva Longoria, Salma Hayek, Ashley Judd bei der Verleihung der diesjährigen Golden Globes. Um gegen Sexismus und Machtmissbrauch zu protestieren, trugen viele Stars in diesem Jahr schwarz. (imago/UPI)
    Juliane Reil: Kaum eine andere Industrie steht so unter Druck, unterhalten zu müssen, wie Hollywood. Gestern fand die erste große Gala der Film-Großfamilie statt, nachdem sie von einem Skandal im letzten Jahr erschüttert wurde: Die Vorwürfe gegen Filmproduzent Harvey Weinstein, der jahrelang Frauen sexuell belästigt hat. Comedian und Late-Night-Moderator Seth Meyers führte durch die Golden-Globe-Verleihung, und der Journalist und Filmkritiker Peter Claus hat den Abend mitverfolgt. Herr Claus, ich habe gerade von einer Erschütterung gesprochen. War davon gestern etwas auf der Preisverleihung etwas zu spüren?
    Peter Claus: Der ganze Abend war eine einzige Erschütterung, sagen wir ein Echo auf diese Erschütterung. Es gab Tränen, es gab tatsächlich Brandreden, und es war eine große Demonstration sozusagen der MeToo-Bewegung, also der Bewegung, da Frauen, aber auch Männer sagen, Schluss mit den Machtspielen, mit den gefährlichen Machtspielen, mit den Machtspielen die uns, die Opfer, die, die wir abhängig sind von den Geldgebern, in die Ecke drängen, die uns zu sexuellen Opfern machen. Und es war auch ein Abend der Time's Up Bewegung, dieses Logo Time's Up, die Zeit ist um, beziehungsweise die Zeit ist reif, haben viele Damen und Herren getragen, die ja fast zu 98 Prozent in Schwarz erschienen sind, um auf eher stille Art zu dokumentieren, wie sie zu diesen Bewegungen, wie sie zu diesen Erschütterungen stehen. Es war also auch ein Abend der Frauen vor allem, die sagen, Schluss damit, dass wir hier zweitklassig behandelt werden, wir wollen endlich wirkliche Gleichberechtigung in der Filmbranche.
    Kritisches Kino abseits der Traumabrik
    Reil: Aber ich muss sagen, ich habe da so ein bisschen gerätselt, ob dieser Farbsymbolik ganz einfach, alle tragen Schwarz. Was will uns das sagen? Dass das alte Hollywood da zu Grabe getragen wird?
    Claus: Im Grunde war es das. Es war auch eine Beerdigung tatsächlich des alten Hollywood, aber: Erste US-amerikanische Journalisten haben bereits kritisiert, dass ja viele von denen, die dieses alte Hollywood nun nicht mehr mitbegründet haben, darüber Jahrzehnte schon getragen und gestützt haben, auch geklatscht haben, dass also auch eine gewisse Bigotterie auszumachen war.
    Reil: An wen gingen denn die Preise? Gab es da irgendwelche Überraschungen?
    Claus: Es gab eigentlich keine wirklichen Überraschungen. Die knapp 100 Mitglieder der Hollywood-Auslandspresseorganisationen haben wieder so ein bisschen nach dem Gieskannenprinzip geurteilt. "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" war der große Gewinner des Abends, bestes Filmdrama beispielsweise, beste Schauspielerin, die Hauptdarstellerin ist damit ausgezeichnet worden, Frances McDormand, was denn allerdings auch ein Zeichen ist für ein Hollywood, dass sich politisch engagiert. Das ist ja ein politisch tatsächlich starker Film, der sich damit auseinandersetzt, auch mit der Frage, dass Frauen zweitklassig behandelt werden, aber auch, dass Recht und Gesetz nicht immer auf der Seite derer sind, die wirklich Recht haben. Und natürlich muss ich gestehen, ich habe mich gefreut als deutscher Filmjournalist, dass Fatih Akin für "Aus dem Nichts" mit Diane Kruger in der Hauptrolle, den Preis für den besten Nicht-englischsprachigen Film bekommen hat. Insgesamt wurde vor allem das kritische Kino, das Kino fern der Traumfabrik ausgezeichnet, und das ist denn auch ein Statement.
    "Der Film entspricht dem US-amerikanischen Geschmack"
    Reil: Aber wie erklären Sie sich diesen Erfolg jetzt von einem deutschen Film, weil "Aus dem Nichts" ist ja nicht gerade von Kritikern hier in Deutschland hier so in den Himmel gehoben worden. Würden Sie sagen, das hat auch was mit dem Thema zu tun, ich sag jetzt mal so ganz böse, nicht das Dritte Reich, aber die Nachwehen dieser Zeit. Es geht ja in dem Film um die NSU Morde in Deutschland.
    Claus: Es geht um die NSU-Morde. Dieser Film entspricht ganz sicherlich dem US-amerikanischen Geschmack, da er ja eine Mischung aus Thriller, aus Psychodrama und Gerichtsfilm ist. Und der Film ist bei allen möglichen Kritikpunkten, die ich allerdings als Filmkritiker, der ich ja bin, kaum teile. Der Film ist provozierend, weil er hat ja ein Ende, bei dem man sich fragt, ist Selbstjustiz tatsächlich die Lösung, der Film verstört einen sehr am Ende. Und das muss man eben auch sagen, Diane Kruger ist einfach fantastisch in der Hauptrolle, und so war es dann auch nur recht und billig, dass Fatih Akin den Preis nicht alleine, sondern mit ihr zusammen entgegen genommen hat und auch gesagt hat, das ist dein Preis.
    Reil: Peter Claus über die 75. Verleihung der Golden Globes gestern Nacht in Los Angeles. Danke Ihnen für das Gespräch.
    Claus: Sehr gerne.
    In seinem neuen Film "Aus dem Nichts" hat sich der Filmemacher Fatih Akin mit der NSU-Mordserie auseinandergesetzt. Als Hamburger mit türkischen Wurzeln hat er seinen eigenen Zugang zum Thema. Mit dem fiktiven Drama möchte er über den NSU aufklären - vor allem geht es ihm um den menschlichen Drang nach Gerechtigkeit und Rache.

    Lesen Sie hier das Corsogespräch mit Fatih Akin über seinen Film "Aus dem Nichts"