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Golf-Staaten
"Es ist der Versuch, Katar zu isolieren"

Der Bruch zwischen Katar und mehreren arabischen Staaten gehe auf das Konto Saudi-Arabiens, sagte der Politikwissenschaftler Sebastian Sons im DLF. Das Land stelle sich als wichtigster Führer im Golf-Kooperationsrat dar. Den Freifahrtschein dafür habe US-Präsident Donald Trump mit seiner Parteinahme für Saudi-Arabien und gegen den Iran geliefert.

Sebastian Sons im Gespräch mit Peter Kapern |
    Im Nebel stehen die Hochhäuser der Skyline von Doha, Katar, am 15.0.2014.
    Skyline von Doha, Katars Hauptstadt. "Die Saudis sehen in der Unterstützung Katars für die Muslim-Brüder eine Unterstützung für Terrorismus", sagte Politik-Experte Sebastian Sons von der DGAP im DLF. (dpa/EPA/Yoan Valat)
    Peter Kapern: Bei uns am Telefon ist Sebastian Sons, Experte für die Golf-Region bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Ich grüße Sie, Herr Sons.
    Sebastian Sons: Guten Tag.
    Kapern: Herr Sons, waren Sie von der jüngsten Entwicklung genauso überrascht wie der Rest der Welt?
    Sons: Ja, ich war schon überrascht von der Vehemenz der Entscheidung, die von Saudi-Arabien und VAE (Vereinigte Arabische Emirate, Anm. d. Red.) maßgeblich vorangetrieben wurden. Wie schon im Beitrag angeklungen ist, gab es ja eine ähnliche Krise vor drei Jahren, als die Botschafter abgezogen wurden, aber wir sehen heute eine neue Eskalationsstufe. Es ist der Versuch, Katar zu isolieren. Es ist auch der Versuch, stärkere Regionalpolitik zu betreiben, und vor allen Dingen aus saudischer Perspektive ist es der Versuch, sich als der wichtigste Führer im Golf-Kooperationsrat darzustellen und dementsprechend auch Katar in die Schranken zu weisen.
    Katar unterstütze eher Muslim-Brüder oder Hamas, weniger IS oder El-Kaida
    Kapern: Ist denn Katar tatsächlich ein Finanzier des islamistischen Terrors, wie es da jetzt in den Vorhaltungen heißt?
    Sons: Ich glaube, man muss hier differenzieren, wer wie was als Terrorismus definiert. Die Saudis sehen in der Unterstützung Katars für die Muslim-Brüder eben eine Unterstützung für Terrorismus. Es geht hier auch darum, inwieweit Saudi-Arabien die konzilianten Beziehungen Katars zu Iran kritisiert und anprangert, und dementsprechend geht es hier nicht so stark darum, wie es hier auch in den Medien immer heißt, dass Katar den IS oder El-Kaida maßgeblich unterstützt, sondern es geht eher um die Unterstützung für die Muslim-Brüder, auch für die Hamas, oder auch die Zusammenarbeit mit Iran.
    Kapern: Ist das keine Unterstützung des Terrors, wenn die Hamas mitfinanziert wird aus Katar?
    Sons: Das ist mit Sicherheit auch Unterstützung des Terrors. Aber es ist von saudischer Seite auch maßgeblich darauf Bezug genommen worden, dass IS und El-Kaida von katarischer Seite unterstützt werden. Ich sehe das eher als ein PR-Instrument, um auch im Westen Anklang zu finden für die Maßnahmen, die jetzt gegen Katar ergriffen worden sind.
    Saudi-Arabien kritisierte Berichterstattung von Al-Jazeera über Arabischen Frühling
    Kapern: Immer wieder wird ja mit dem Finger gezeigt auch auf Al-Jazeera, diesen Fernsehsender in Katar, der mit großem Erfolg ja mittlerweile weltweit sendet, und auch dem wird unterstellt, er sei eine Plattform für die Terroristenwerbung. Ist da was dran?
    Sons: Die Kritik an Al-Jazeera richtet sich von saudischer Seite vor allen Dingen gegen die Berichterstattung über den Arabischen Frühling vor fünf, sechs Jahren, als man nämlich islamistische Gruppierungen wie die Muslim-Brüder als demokratische Alternative darstellte, als eine Alternative, die demokratisch legitimiert werden könne, und das konnte das saudische Königshaus nicht akzeptieren. Dementsprechend hat man auch Al-Jazeera ins Fadenkreuz genommen, dessen Aktivitäten zu kritisieren.
    Kapern: Und diese Vorwürfe kommen ja aus Ländern, in denen die freie Presse ungefähr so blüht wie eine Wasserpflanze in der Wüste.
    Sons: Ja, das ist vollkommen richtig. Al-Jazeera war definitiv ein Kanal, der auch sehr pluralistisch und meinungsoffen berichtet hat, dementsprechend auch kritische Haltungen gesendet hat, die beispielsweise gegen die Interessen Saudi-Arabiens oder der Vereinigten Arabischen Emirate ging, und das konnten sich die jeweiligen Herrscher nicht bieten lassen aus deren Perspektive und sind dementsprechend auch sehr, sehr kritisch, was die Rolle Al-Jazeeras angeht, und was wir in den letzten Jahren gesehen haben ist auch eine deutliche Reduzierung der saudi-kritischen Berichterstattung in Al-Jazeera, eben aufgrund dieses Drucks.
    "Auch Katar ist ein autoritäres Regime"
    Kapern: Ist das jetzt, was wir da sehen, so etwas wie die späte Rache von Autokraten?
    Sons: Das ist mit Sicherheit keine späte Rache der Autokraten. Es geht hier darum, weil wir reden ja auch bei Katar nicht über ein demokratisches Land, das demokratisch legitimiert ist. Auch das ist ein autoritäres Regime. Es geht hier darum, wie Katar sich versucht darzustellen in der Region, dass es teilweise konziliante Beziehungen zu Iran pflegt, dass es Muslim-Brüdern auch Schutz geboten hat, und das sind genau die Gründe, die Saudi-Arabien und die VAE dazu geführt haben, jetzt solche drastischen Maßnahmen zu ergreifen.
    Kleinere Golfstaaten seien angewiesen auf ein neutrales Verhältnis zu Iran
    Kapern: Könnten Sie uns das, Herr Sons, noch mal erklären, was das heißt, konziliante Beziehungen gegenüber dem Iran? Was muss man sich darunter vorstellen? Wir haben doch bisher gedacht, dass es dort eine harte Trennlinie zwischen dem Iran und dem Rest der Region, zwischen Sunniten und Schiiten gibt.
    Sons: Diese Trennlinie gibt es innerhalb des Golf-Kooperationsrates gegen Iran nicht. Es gibt vor allen Dingen die kleineren Golf-Staaten, dazu gehört auch Katar, die aufgrund ihrer geostrategischen Lage und auch aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von offenen Beziehungen zu allen möglichen Akteuren davon abhängig sind, auch relativ neutrale Verhältnisse zu Iran aufrecht zu erhalten. Man darf nicht vergessen, dass Katar sich mit Iran ein sehr, sehr wichtiges Gasfeld teilt. Das heißt, hier ist auch ein wirtschaftliches Interesse zu verorten, und dementsprechend hat Katar in der Vergangenheit nie so klar Position gegen Iran bezogen wie beispielsweise Saudi-Arabien.
    Ähnliches trifft aber auch auf Kuwait und Oman zu, die ja auch zum Golf-Kooperationsrat gehören, so dass man keineswegs davon sprechen kann, dass der Golf-Kooperationsrat mit Saudi-Arabien an der Spitze eine geeinte Front gegen Iran bilden würde. Das wird maßgeblich vorangetrieben von den VAE und von Saudi-Arabien.
    "Eine direkte Konsequenz aus dem, was Donald Trump dort geäußert hat"
    Kapern: Nun ist aufgefallen, dass bei seiner Nahost-Reise US-Präsident Donald Trump, als er in Saudi-Arabien war, massiv Front gemacht hat, verbal gegen den Iran. Ist das, was wir jetzt gerade an politischer Aktion in Riad sehen, so etwas wie die Ausführung des Willens der Vereinigten Staaten?
    Sons: Ich glaube nicht, dass es die Ausführung des Willens der Vereinigten Staaten ist. Ich glaube, es ist eine direkte Konsequenz aus dem, was Donald Trump dort geäußert hat, nämlich mit seiner Parteinahme für Saudi-Arabien, gegen Iran, hat er Tür und Tor geöffnet für solche saudisch initiierten Aktionen gegen Katar beispielsweise, und das ist meines Erachtens eine zunehmende Eskalation, die Donald Trump dort befeuert hat, und kann eigentlich nicht im Interesse der USA liegen, denn immerhin sind in Katar ja auch amerikanische Truppen stationiert und von daher glaube ich nicht, dass Donald Trump das beabsichtigt hat. Aber mit seiner Parteinahme für Saudi-Arabien, gegen Iran, ist das quasi aus saudischer Perspektive ein Freifahrtschein gewesen, eine solche Politik jetzt auch gegen Katar zu betreiben.
    "Der Konflikt Saudi-Arabien und Iran wird weiter zunehmen"
    Kapern: Wohin führt denn diese zunehmende Eskalation, von der Sie gerade gesprochen haben? Auf was müssen wir uns einrichten?
    Sons: Wir müssen uns zunehmend darauf einrichten, dass innerhalb des Golf-Kooperationsrates die Differenzen weiter zu Tage treten. Wir müssen uns vor allen Dingen zunehmend darauf einrichten, dass der Konflikt Saudi-Arabien und Iran weiter zunehmen wird. Rhetorisch und propagandistisch ist das ja schon längst der Fall. Und wir sehen das auch an den diversen Regionalkrisen in der Region, sei es im Jemen, sei es auch in Syrien, dass die zunehmende Konkurrenzsituation und Rivalität zwischen Iran und Saudi-Arabien eine politische Lösung verhindern, und das kann eigentlich nicht im Interesse der internationalen Gemeinschaft und auch nicht der USA sein.
    Kapern: Beide Staaten, Saudi-Arabien und Iran, führen ja schon Stellvertreterkriege in der Region, beispielsweise in Syrien oder auch im Jemen. Müssen wir uns auf einen heißen Krieg zwischen diesen beiden Ländern einstellen? Ist das im Bereich der Möglichkeiten?
    Sons: Ich sehe das momentan nicht im Bereich der Möglichkeiten, einfach weil Saudi-Arabien, glaube ich, ziemlich genau weiß, ihre eigenen militärischen Kapazitäten einzuschätzen. Zwar ist das saudische Militär bis an die Zähne bewaffnet und hoch technologisiert und wird von den Amerikanern ja auch massiv mit Rüstungsgütern unterstützt. Aber wenn es darum gehen würde, einen direkten militärischen Krieg mit Iran zu führen, da wissen, glaube ich, die Militärberater in Riad sehr wohl, dass sie diesen Krieg nicht gewinnen können.
    Kapern: Dann ist es doch aber aus der Perspektive der kleinen Nachbarstaaten nur klug, gute Beziehungen zum Iran zu pflegen.
    Sons: Es ist in der Tat sehr klug und genau das wurde ja in der Vergangenheit auch gemacht, sehr zum Widerwillen der Saudis. Weil die kleinen Nachbarstaaten nicht über diese Schwerkraft, die wirtschaftliche Schwerkraft oder auch das religiöse Image wie Saudi-Arabien verfügen, sind sie darauf angewiesen, aus geostrategischen Überlebensgründen mit Iran in irgendeiner Art und Weise klar zu kommen. Das hat Katar gemacht, das haben wie gesagt auch Oman und Kuwait in der Vergangenheit gemacht und das war teilweise immer wieder ein Dorn im Auge der Saudis.
    "Die USA fallen als Vermittler quasi aus"
    Kapern: Sie sehen keinen militärischen Konflikt in der Region. Aber wer rückt die Verhältnisse wieder zurecht? Wer kann da jetzt vermitteln, damit die Dinge wieder in ein Lot kommen?
    Sons: Das ist die große Frage. Die USA fallen als Vermittler quasi aus, weil Donald Trump sich ganz klar auf die Seite Saudi-Arabiens gestellt hat. Das heißt, es kann eigentlich nur eine innerregionale Lösung geben, dass beispielsweise Länder wie Kuwait oder auch Oman versuchen, in den Reihen des Golf-Kooperationsrates in gewisser Art und Weise für Ordnung zu sorgen, die Wogen zu glätten. Das passiert auch im Hintergrund. Kuwait hat sich in der Vergangenheit immer wieder als Mediator auch hervorgetan. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass auch Saudi-Arabien ein Interesse daran hat, den Konflikt mit Katar weiter zu eskalieren. Es wird hier darum gehen, dass Katar einknickt, dass auf die Forderungen der Saudis und der Emiratis eingegangen wird. Wenn das passiert, dann kann ich mir vorstellen, dass auch relativ schnell wieder zur Normalität übergegangen werden kann. Aber das ist auch eine Frage, wie sich Katar da verhält und ob Saudi-Arabien noch weiteres Öl ins Feuer gießt.
    Kapern: … sagt Sebastian Sons, der Experte für die Golf-Region bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Herr Sons, vielen Dank, dass Sie heute Mittag Zeit für uns hatten.
    Sons: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.