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Goma im Ostkongo
Krieg auf dem Campus

Die Universitäten in der Demokratischen Republik Kongo galten in Afrika einmal als Eliteeinrichtungen – zumindest in den 80er-Jahren. Damals wurde auch die Universität in Ostkongos Provinzhauptstadt Goma errichtet. Heute ist sie ein Symbol für den Verfall des Landes. Immer häufiger kommt es jetzt zu Protesten: gegen die Ausstattung, aber auch die Regierung des Landes.

Von Simone Schlindwein |
    Die Universität von der Provinzhauptstadt Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo.
    Die Universität von der Provinzhauptstadt Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo. (dpa / picture alliance / Mika Schmidt)
    Harvard, Yale, Oxford – steht auf den Türen zu den Vorlesesälen. Hunderte Studierende drängen sich in den Raum, genügend Stühle gibt es nicht. Einst war die Universität eine Eliteeinrichtung. Doch nach 20 Jahren Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo ist der Campus in Ostkongos Provinzhauptstadt Goma zum Sinnbild für den Verfall geworden.
    Im Treppenaufgang hängt ein Schild mit einer durchgestrichenen Pistole: Waffengebrauch verboten – so die Botschaft. Es riecht nach Urin in den dunklen Fluren. Die Wasserversorgung ist seit Jahren abgestellt.
    Die Studierendenvertretung hat ihr Büro im ersten Stock. Ein kleiner Raum mit nur einem Fenster. Von der Decke hängt eine Glühbirne. Doch der Strom ist abgestellt. Studierendensprecher Kambere Lumumba ist im dritten Semester für Elektrotechnik eingeschrieben. Er will an den Bedingungen etwas zu ändern, sagt er.
    "Wir haben uns an die Regierung gewandt und gefordert, den Campus zu rehabilitieren. Doch sie ignorieren uns entweder oder beschuldigen uns, der Opposition nahe zu stehen. Das ist typisch für unsere Regierung, jede Forderung als oppositionell abzutun. Wir haben diese Logik satt, denn die Studiengebühren sind hoch und gleichzeitig müssen wir unter solchen Bedingungen studieren: in Vorlesesälen ohne Stühle und unter unmenschlichen hygienischen Bedingungen. Wir können das nicht weiter akzeptieren."
    Der 23-Jährige nennt sich selbst Lumumba, nach Kongos erstem Premierminister, der nach der Unabhängigkeit von den belgischen Kolonialherren 1960 die Kongolesen vereinen wollte. Dann wurde er ermordet. Wie sein Vorbild, will auch Kambere Lumumba die Studierenden vereinen. Bislang sind sie gespalten gewesen, je nach ethnischer Zugehörigkeit. Der über 20-jährige Bürgerkrieg setzt sich bis in die Uni hinein fort, sagt Lumumba.
    "Die Vorsitzenden der verschiedenen Fakultäten verfolgen ihre Interessen eigennützig. Damit wir Studierenden uns nicht mit unseren Forderungen an die Verwaltung wenden, haben sie uns gegeneinander aufgehetzt. Es kam zu Auseinandersetzungen. Aber wir, also meine Generation, wir haben davon jetzt genug. Wir wollen die internen Konflikte beilegen. Wir wollen nicht, dass der Campus ein Schlachtfeld ist, sondern eine wissenschaftliche Einrichtung."
    Deshalb haben sie sich zu einer landesweiten Protestbewegung zusammengeschlossen. La LUCHA nennen sie sich, das französische Akronym für „Kampf für Veränderung". Über 1.500 Mitglieder hat LUCHA allein in Goma. Seit Beginn des Jahres gehen sie auf die Straßen, um zu protestieren. Auch in Goma. Die Regierung reagierte mit Waffengewalt. In Goma starben mindestens vier Studierende durch Schussverletzungen. Kongos Regierung fürchtet, die Studierenden eine Revolution anzetteln wollen , wie in Bukina Faso, erklärt Luc Lukula, der Anführer und Gründer von La Lucha in Goma. Er war bis 2011 Sprecher der Uni.
    "Zuvor waren wir in unseren Fachschaften organisiert. Wir haben der Univerwaltung Briefe geschrieben. Sie kamen, haben sich unsere Probleme angehört, haben versprochen etwas zu ändern. Dann sind sie gegangen und nichts wurde getan. Das hat uns sehr wütend gemacht. Dann haben wir entschieden, wir müssen handeln. Wir wollen nicht länger Teil dieses Systems sein, in welchem wir instrumentalisiert werden. Dieses System der Korruption, Misswirtschaft und Unterdrückung, das wir nicht nur an der Uni haben. Denn unsere Probleme – kein Wasser, schlechte Infrastruktur und die enorme Arbeitslosigkeit – sind die Probleme aller Kongolesen."
    Trotz der Proteste hat sich am Zustand der Uni nichts verändert. Im Gegenteil, die Studierendenvertreter wurden vom Geheimdienst verhaftet. Der Anführer der landesweiten La-Lucha-Bewegung, Fred Bauma, sitzt seit fünf Monaten im Gefängnis – ohne Anklage.