Gute Verbandsführung wird nicht alle Skandale verhindern können. Aber: Ohne gute Verbandsführung wird kein Skandal überwunden. Davon gehen die Macher des Sports Governance Observer fest aus. Nach Auffassung der Forscher ist dafür Transparenz unerlässlich, damit auch von außen beurteilt werden kann, wie in den Sportorganisationen gearbeitet wird.
"Wer von außen beobachtet wird, wird mit geringer Wahrscheinlichkeit korrupt handeln."
Transparenz ist nur ein Kriterium, das die Forscher anlegen. Dazu beleuchten sie demokratische Prozesse in Verbänden - etwa, wie Wahlen ablaufen. Außerdem: Welche Verantwortlichkeiten und Rechenschaftspflichten gibt es und wie sozial verantwortlich handeln die Organisationen?
Erstaunen über die Ergebnisse aus Deutschland
Verblüfft war das Team um Studienleiter Arnoud Geeraert über die Ergebnisse aus Deutschland:
"Ich erinnere mich dran, als die Ergebnisse für Deutschland reinkamen, ein Verband nach dem anderen, da bin ich echt auf die Forscher vor Ort zugegangen und habe gefragt: Seid ihr Euch echt sicher?"
Deutschland schneidet im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich ab. Warum? Einer der Forscher in Deutschland war Sportwissenschaftler Jürgen Mittag von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Für ihn ist das auch eine kulturelle Frage:
"Nehmen wir das Beispiel der Steuererklärung. In Skandinavien ist es selbstverständlich, dass man seine Steuererklärung offen legt. Kein Bundesbürger würde das tun und ähnliches gilt auch für die Sportorganisationen. Und da muss man sich eben erst einmal reinbewegen und auch den größeren Rahmen, des politischen Systems, der politischen Kultur, des Umfeldes berücksichtigen, um die Ergebnisse hier in einem europäischen Rahmen einordnen zu können."
Problemfall Ehrenamt
Ebenso Teil dieser Kultur ist das Ehrenamt - auch in der Führung Deutscher Sportverbände. Hier finde langsam ein Umdenken statt:
"Wenn man dann eine professionelle Organisation hat mit hauptamtlichen Beschäftigten hat, dann ist der Weg zu Good Governance nicht mehr so weit. Wenn man aber eine stark auf Ehrenamtlichkeit setzende Organisation hat, dann ist der Weg durchaus noch eine ganze Ecke entfernt von diesen Strukturen. Und das haben wir auch gemerkt."
Von den neun untersuchten deutschen Sportorganisationen schneiden der Deutsche Olympische Sportbund und der deutsche Turnerbund am besten ab, gefolgt vom DFB. Am unteren Ende stehen der Deutsche Volleyball- und der Schwimmverband. Fast durchgehend schlecht bewertet werden demokratische Prozesse innerhalb von Verbänden, etwa, was die Zusammensetzung des Vorstands angeht. Ebenso wird deutlich: Soziale Verantwortung, wie Anti-Diskriminierungsrichtlinien oder die Etablierung von Athletenrechten stehen bisher nicht so weit oben auf der Prioritätenliste.
"Bei der Frage der Athletenrechte sind wir ja gerade mittendrin in einer ganz intensiven Debatte. Hier muss man grundsätzlich sagen, da ist Deutschland ein Nachzügler, da sind uns andere europäische Staaten weit voraus."
Nicht alles schlecht
Es sei nicht darum gegangen zu tadeln, sondern Änderungsprozesse anzustoßen, das ist den Forschern wichtig. Viele Verbände waren auskunftsfreudig und offen.
"Auf der anderen Seite würden wir den deutschen Schwimmverband ansprechen. Da hatten wir Schwierigkeiten, Kontakte und Informationen zu sammeln. Das heißt: Das weniger gute Ergebnis des Schwimmverbandes lässt sich vielleicht auch auf die und nicht zur Verfügung stehenden Informationen zurückführen. Das ist die andere Seite der Medaille."
Druck von außen hilft
Das gleiche Bild auf internationaler Ebene. Der Welt-Schwimmverband FINA lieferte - ebenso wie der Tennisverband ITF -- keine Auskünfte an das Forscherteam. Auch auf der internationalen Ebene verglichen die Wissenschaftler Sportverbände nach Good-Governance Kriterien. Bei allen fünf ist noch Luft nach oben: Schlusslicht sind der internationale Tennis- und der Welt-Schwimmverband. Die FIFA und der Welt-Leichtathletikverband schneiden in puncto gute Verbandsführung noch am besten ab.
Dazu liefert Studienleiter Geeraert eine Erklärung: "Verbände führen insbesondere dann gute Strukturen ein, wenn es von außen besonders viel Druck und Skepsis gibt. Sie wissen ja, der Welt-Leichtathletikverband mit seiner Korruptionsaffäre 2015/2016 und jeder kennt den FIFA-Korruptionsskandal. Der Druck war dort groß. Die sind dabei, bedeutsame Reformen einzuführen. Verbände, die nicht auf diese Art und Weise Druck verspüren, führen zwar einige Elemente von guter Verbandsführung ein, aber wenn man da genauer hinschaut, dann merkt man: Sie schaffen es oft nicht, robuste Veränderungen einzuführen."
"Das Level muss in Deutschland wirklich besser werden"
Dabei sei gerade die Verbandsführung der einfachere Hebel, um wirklich etwas zu bewirken: "Also, wenn man die Möglichkeiten für Korruption verringern will, muss man zwei Probleme angehen: Die Korruptionskultur und die Regeln für Verbandsführung. Aber Kulturen zu verändern ist so schwierig in allen Organisationen. Das passiert einfach nicht von jetzt auf gleich, oft muss dafür das Personal ausgetauscht werden. Ich glaube, der kosteneffektivste Weg ist es, gute Verbandsführung zu installieren."
Bei einigen deutschen Verbänden könnten aus Sicht der hiesigen Forscher schon mit geringem Aufwand deutliche Verbesserungen erzielt werden. Bei vielen sei durchaus Lernwille und Änderungsbereitschaft da. Auch hinsichtlich öffentlicher Förderung könnte das für die Zukunft durchaus relevant werden.
Arnaud Geeraert fordert für Deutschland dringend eine breite Diskussion über die aufgezeigten Defizite: "Es ist wichtig, dass man die Gründe dafür findet und dass man eine Debatte darüber anstößt. Es ist wichtig, dass man diese Probleme jetzt angeht. Weil eines ist sicher: Das Level der Verbandsführung in Deutschland muss wirklich besser werden."