Nur ein paar Prozent Steuern zahlen, davon träumen sicher nicht nur einige Unternehmen, sondern auch Bürger. Doch wer hierzulande produziert, Dienstleistungen anbietet oder konsumiert, kommt um Steuern deutlich über 10 Prozent kaum herum. Digitalkonzerne wie Apple, Facebook, Google oder Amazon dagegen schaffen es, durch geschickte Konstruktionen aus Niederlassung, Lizenzen und Betriebsausgaben ihre Steuerschuld zu minimieren. Das ärgert nicht nur Die Linke. Ihr finanzpolitischer Sprecher Fabio De Masi erklärt:
"Wenn ich mir überlege, dass ein Konzern wie Apple 2014 nur 0,005 Prozent Steuern auf seine Gewinne gezahlt hat, das sind 50 Euro für jede Million Gewinn, dann ist das für mich nicht wichtig, ob sich Apple darüber ärgert, sondern der Bäcker oder der Handwerker, die ärgern sich, weil die meistens mehr als 50 Euro Steuern zahlen, aber nie eine Million Gewinn machen."
Darum überlegten sich einige Finanzpolitiker, das muss sich ändern. Eine Digitalsteuer soll her. Die traf allerdings nicht gerade auf große Begeisterung im Kreise der EU-Staaten. Irland beispielsweise fürchtet um seine Attraktivität als IT-Standort.
Einigung mit Frankreich
Zu den Vorkämpfern einer Digitalsteuer zählt der französische Präsident Emmanuel Macron, der die Abgabe zu einem zentralen Punkt seiner Präsidentschaft gemacht hatte. Jedoch fehlten ihm die Mitstreiter. Selbst der enge Verbündete Deutschland reagierte eher zögerlich. Jetzt haben sich beide Staaten auf einen Kompromiss geeinigt. Finanzminister Olaf Scholz erklärt:
"Wir wollen eine Regelung für Europa präsentieren, die in Kraft tritt, falls wir es nicht schaffen, bis zum Sommer 2020 eine internationale Regelung zu treffen, die wir dann in Europa einführen können."
Die Regelung besagt, dass die Internetkonzerne drei Prozent auf Ihre Werbeumsätze zahlen sollen. Wie hoch die Umsätze allerdings genau sind und welcher Anteil pro EU-Land anfallen würde, ist unklar. Zuvor war noch die Rede von Besteuerung des Gesamtumsatzes oder gar einer ganz neuen Art der Besteuerung. Für Teile der deutschen Opposition waren das alles keine überzeugenden Vorschläge. So kritisiert der digitalpolitische Sprecher Manuel Höferlin von der FDP:
"Es ist ja nicht so, dass Unternehmen, die digitale Produkte anbieten, keine Steuern zahlen oder keine Steuern zahlen müssen. Deswegen frage ich mich manchmal, was soll eigentlich eine digitale Steuer besteuern, was nicht das Steuerrecht schon besteuert?"
Vor allem soll die Digitalsteuer verhindern, dass die Steuerschuld von Hochsteuerländern in Niedrigsteuerländer verschoben wird. Nur trifft das nicht auch auf Unternehmen zu, die in ganz anderen Bereichen wirtschaften?
"Manchmal ist dieser Gedankengang um die digitale Steuer derzeit getrieben von der Vorstellung, wie arbeiten die paar großen Unternehmen. Dann sollte man es ehrlicherweise auch ‚Facebook- und Google-Steuer’ nennen und nicht Digitalsteuer, weil ich glaube, es wird zukünftig Unternehmen geben, die auf ganz anderen Bereichen Wertschöpfung erlangen."
Damit ist der FDP-Politiker, wie er selbst betont, ausnahmsweise sogar auf einer Linie mit Finanzminister Olaf Scholz, der eine komplett neuartige, global auf OECD-Ebene abgestimmte Steuer bevorzugt. Auch die CDU favorisiert diesen Weg, erklärt die finanzpolitische Sprecherin Antje Tillmann.
"Dauerhaft können wir für digitale Umsätze kein eigenes Steuerrecht schaffen, weil auch die normale Wirtschaft sich immer mehr digital aufstellt. Das heißt, sie werden einen einzelnen Umsatz gar nicht mehr abwägen können, was davon ist digital und was ist nicht digital. Deshalb glauben wir, dass der bessere Weg ist, das Besteuerungssystem auf OECD-Ebene mit Mindeststeuersätzen zu belegen, dass man sagt, wir unterscheiden gar nicht mehr zwischen digital und nicht digital, aber wir wollen sicherstellen, dass jeder Umsatz irgendwo auf der Welt gerecht besteuert wird."
Umsätze im virtuellen Raum
Eines der Probleme dabei mit der Digitalsteuer: Sie könnte zu Doppelbesteuerung führen. Darum liegt noch ein Vorschlag auf dem Tisch, der ebenfalls global abgestimmt werden muss: Die Schaffung einer sogenannten virtuellen Betriebsstätte. Den Sinn hinter dem Konzept erklärt SPD-Finanzexperte Lothar Binding. Die virtuelle Betriebsstätte solle da liegen, "wo die Kundendaten herkommen. Das ist ein Grundsatz für die Wertschöpfung. Dort soll dann auch die Steuer hin fließen, weil die Ursache für diese Wertschöpfung, für den Gewinn aus diesen Werbeeinnahmen, sind die Kundendaten, mit denen Google handelt."
Genau wie alle anderen Digitalkonzerne und künftig eventuell auch ganz andere Industriezweige. Die virtuelle Betriebsstätte wäre ein ganz neuer Ansatz der Besteuerung, der auch Auswirkungen haben könnte auf stark Export-orientierte Nationen wie Deutschland oder Dänemark. Steuern würden dann vermehrt dort erhoben, wo die Produkte gekauft werden. Für Die Linke durchaus ein willkommener Nebeneffekt, sagt Fabio De Masi.
"Natürlich könnte es dazu führen, dass eine Debatte geführt wird, stärker am Ort der Umsätze zu besteuern. Das wäre international gerecht, weil zum Beispiel wir Rohstoffe und Infrastruktur in Entwicklungs- und Schwellenländern nutzen, aber die Gewinne werden dann nach Europa geschafft. Es ist eben so, wenn man mehr Steuergerechtigkeit will, heißt das auch, dass wir auch international mehr Steuergerechtigkeit brauchen."
Nur: Wenn schon auf europäischer Ebene keine Einigung abzusehen ist, wie wahrscheinlich ist es dann, dass die Weltgemeinschaft in der OECD sich auf verbindliche Regeln einigt? Vorerst soll die Lösung der Drei-Prozent-Steuer auf Werbeumsätze auf EU-Ebene verabschiedet werden. Klappt das, könnte sie im Januar 2021 in Kraft treten, fall es bis dahin keine globale Einigung gibt.
"Steuerdumping schadet allen"
Sollte auch die europäische Digitalsteuer scheitern, sind nationale Alleingänge wahrscheinlich. Frankreich wird ganz sicher eine eigene Steuer auf den Weg bringen, einige andere EU-Staaten ebenso. Doch ob solche lokal begrenzten Steuern bei global agierenden Konzernen etwas bringen?
Antje Tillmann von der CDU sieht nationale oder europäische Ansätze als nicht zielführend an:
"Wir hoffen sehr, dass es auf OECD-Ebene zu Lösungen kommen wird. Alle Nationalstaaten können kein Interesse daran haben, dass einzelne Staaten Unternehmen mit ungerechtfertigtem Steuerwettbewerb anziehen. Steuerdumping führt zum Schaden für alle Staaten, die beteiligt sind, und deshalb hoffe ich sehr, dass wir uns da einig werden."
Bisher besteht nur Einigkeit zwischen Deutschland und Frankreich. Wenn auch der Rest Europas zustimmen würde, könnte es ein Druckmittel sein, die Diskussion auf OECD-Ebene zu beschleunigen. Doch erst einmal müssen die Gespräche starten. Denn bisher gibt es eben nur den Vorschlag der Mindestbesteuerung.