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Google in China
"Absolut keine moralischen Standards"

Wenn Chinesen im Internet suchen, nutzen sie meist Weibo. Das könnte sich bald ändern: Google tüftelt an einer eigenen Suchmaschine für China. Angestellte des Konzerns sammeln jetzt Unterschriften gegen das Projekt. Sie werfen ihrem Arbeitgeber vor, Zensur zu unterstützen.

Von Annika Schneider |
    Suchmaske der chinesischen Suchmaschine Baidu auf einem Computer
    Die Suchmaschine Baidu ist das chinesische Äquivalent zu Google. (picture alliance / Da Qing/Imaginechina/dpa)
    "Um dich zu bewerben, brauchst du gute Programmierkenntnisse, fünf Jahre Erfahrung und absolut keine moralischen Standards, und du solltest glücklich darüber sein, die privaten Daten von Menschen herauszugeben", heißt es in einem Video zu der Kampagne, die derzeit unter dem Hashtag #DropDragonfly firmiert.
    Die Macher kritisieren damit ein neues Projekt von Google: Vor einiger Zeit kam heraus, dass der Konzern heimlich an einer Suchmaschine für den chinesischen Markt arbeitet. Mitarbeiter des Konzerns protestieren dagegen seit Monaten und haben nun gemeinsam mit Amnesty International eine Petition gegen das so genannte Projekt "Dragonfly" gestartet.
    Starttermin von "Dragonfly" offen
    Die Google-Mitarbeiter vermuten, dass die neue Suchmaschine Inhalte nach den Vorgaben der chinesischen Regierung filtern wird. Außerdem könnte sie es dem Staatsapparat ermöglichen Daten zu Suchanfragen zu nutzen, um Regimekritiker aufzuspüren.
    Schon zwischen 2006 und 2010 hatte Google in China eine Suchmaschine betrieben, diese aber wegen den chinesischen Zensurvorgaben wieder eingestellt. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, beschreibt Google "Dragonfly" als ein "Experiment", das nicht in absehbarer Zeit gelauncht werden solle.
    Chinesen nutzen Baido und Weibo
    Der Konzernleitung wird wohl bewusst sein, wie umstritten das Projekt ist. Die vermeintlich grenzenlose Freiheit des Internets ist in China strikt einschränkt: In der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation "Reporter ohne Grenzen" belegt das Land derzeit Platz 176 von 180 – entsprechend streng reguliert der Staat die Internetnutzung.
    Derzeit sind viele westliche Portale dank einer strikten Firewall in China gar nicht oder nur mit technischen Tricks zu erreichen. Statt Facebook, Google und Twitter nutzen Menschen in China den Kurznachrichtendienst Weibo, vernetzen sich über WeChat und recherchieren mit der Suchmaschine Baidu.
    Sogar Augenrollen wird zensiert
    2016 brachte ein neues Gesetz zur Cybersicherheit noch einmal eine Verschärfung. Alles, was auf chinesischen Portalen online geht, wird zensiert. Kritische Hashtags und Posts verschwinden, Suchanfragen liefern gefilterte Ergebnisse.
    Die Eingriffe der Kommunistischen Partei gehen aber noch weiter. Erst im Oktober wurde der Kanal einer chinesischen Streamerin gesperrt, die in einem ihrer Videos die Nationalhymne verunglimpft haben soll. Die junge Frau musste für fünf Tage ins Gefängnis. Auch der Account einer Journalistin wurde dieses Jahr gelöscht. Sie war auf dem Mitschnitt einer Pressekonferenz zu sehen, bei der sie genervt mit den Augen rollte.
    China bietet reizvollen Markt
    Diese Verstöße gegen die Pressefreiheit stellen US-amerikanische Internetkonzerne vor Herausforderungen. Zum einen ist China ein gigantischer Markt mit Millionen potentiellen Nutzern, den sich die Global Player erschließen wollen. Zum anderen stellen sich die Tech-Firmen gerne als Verfechter der Meinungsfreiheit dar – da passt es nicht, die chinesische Zensurmaschinerie zu unterstützen.
    Auch der Tech-Gigant Apple sorgte im Februar für Proteste, weil er die Cloud-Daten seiner chinesischen Nutzer von US-Servern nach China transferierte. Eine staatlich kontrollierte Internetfirma übernahm die Speicherung der Daten. Apple-Nutzer befürchten, dass der chinesische Staat nun direkt darauf zugreifen kann.