Schon vor Monaten angekündigt, ist er nun auf dem Markt: der "Showcase", also ein "Schaukasten", den Google bislang nur auf Android-Handys in seinem Dienst "News" anbietet.
Als erste Redaktion in Deutschland hat "Der Spiegel" gezeigt, was möglich ist mit dem neuen Angebot. Unter den üblichen Schlagzeilen sticht ein Kasten hervor. Zwischen feinen grauen Linien wird eine eigene Datenrecherche des Nachrichtenmagazins beworben, Inhalt: "Stadtflucht wegen Corona". Zusätzlich werden zwei weitere Texte angezeigt, die inhaltlich zum Thema passen.
Kein spektakuläres, aber ein interessantes Produkt von Google, findet Annika Sehl, Professorin für Digitalen Journalismus an der Bundeswehr-Universität in München. Auch weil er Inhalte anbietet, die sich sonst hinter einer Paywall befinden: "Das heißt, Nutzerinnen und Nutzer können hier einen kostenlosen Zugang zu diesen Premium-Artikeln erhalten."
Axel Springer ist nicht dabei
"Google News Showcase" ist zunächst in Deutschland und Brasilien gestartet, weitere Länder sollen folgen. Bei dem neuen Produkt gehe es "nicht nur um eine substantielle finanzielle Förderung für Verlage", betont das Unternehmen, sondern auch darum, "journalistische Inhalte zugänglich zu machen". Darunter neben dem "Spiegel" weitere große Namen: "Die Zeit", "FAZ", Burda sowie Gruner + Jahr.
Doch einer, das fällt auf, fehlt: Axel Springer und seine Titel wie "Bild" und "Welt". Man stünde grundsätzlich Kooperationen mit Anbietern wie Google "aufgeschlossen gegenüber", ließ der Verlag in einer schriftlichen Stellungnahme erklären. Allerdings setze man weiterhin auf eine "wirkungsvolle Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie".
Springer drängt seit Jahren darauf, dass Google, Facebook und Co. auch angemessen dafür zahlen müssen, redaktionelle Inhalte präsentieren zu dürfen.
"Das ist die Grundlage für alles. Wenn der Schutz geistigen Eigentums nicht gesichert ist, haben Verlage in Zukunft keine Perspektive", sagte Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner bereits 2016 auf einem Kongress des heutigen Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV).
BDZV kritisiert Geldausschüttung "nach Gutsherrenart"
Döpfner ist bis heute Präsident des Verbands, der auch die Interessen von Presseverlagen vertritt, die sich nun am "News Showcase" beteiligen. Dennoch lehnt auch der BDZV das Angebot ab: Die Geldausschüttung an Verlagshäuser erfolge bei Google "nach Gutsherrenart", teilte der Verband mit. Das habe "nichts mit unseren Vorstellungen von einem modernen Urheberrecht im 21. Jahrhundert zu tun".
Google weist diese Kritik zurück. Man zahle "für die Lizenzierung von Inhalten und die redaktionelle Kuratierung dieser", teilte das Unternehmen dem Deutschlandfunk auf Nachfrage schriftlich mit. Presseinhalte würden so angezeigt, "wie es rechtlich erforderlich ist".
Noch ist das so, könnte sich aber bald ändern. Denn die EU hat im vergangenen Jahr eine Urheberrechtslinie beschlossen, die besagt: Plattformen müssen nicht für kurze Auszüge zahlen, für ganze Artikel aber sehr wohl. Diese Linie muss nun in nationales Recht umgesetzt werden. Und das Beispiel Frankreich zeigt, wie wenig kompromissbereit Google an dieser Stelle ist. Die französische Regierung hat sich an die EU-Vorgaben gehalten.
Und deshalb, erklärt Medienwissenschaftlerin Annika Sehl, heißt es jetzt dort: "Gut, dann begnügt sich Google mit diesen sehr kurzen Auszügen, das ist rechtskonform. Man kann Plattformen natürlich auch nicht zwingen, längere Passagen zu verwenden und dafür zu zahlen."
Dass Google nun ausgerechnet in Deutschland mit dem "News Showcase" startet – Sehl sieht darin auch wohl kalkulierte PR-Arbeit: "Man weiß, dass diese Diskussion nächstes Jahr wieder kommen wird, wenn das in deutsches Gesetz überführt wird, und das nimmt natürlich auch ein bisschen die Luft bei großen Verlagen jetzt auch schon raus, dass bei 'Spiegel', 'Zeit' man schon eine Einigung auf der Ebene gefunden hat, dass man eine freundlichere Stimmung möglicherweise herstellen wollte und will."
Initiative als PR-Strategie?
Auch Ingo Dachwitz hält die Kritik des Zeitungsverlegerverbands für berechtigt. Der Redakteur vom Portal netzpolitik.org spricht von einer Teile-und-herrsche-Strategie, die Google anwendet: "Die Verlage, die da jetzt mitmachen, die gehen dieser Strategie ein bisschen auf den Leim für den kurzfristigen Vorteil, der sicherlich da ist."
Denn kurzfristig will Google in den kommenden drei Jahren 855 Millionen Euro an Verlage weltweit ausschütten. Es ist die zweite große Finanzspritze nach der "Google News Initiative", also Nachrichtenintiative. Unter dieser Überschrift hat Google bereits zwischen 2016 und 2019 europäische Medienunternehmen gefördert, damals mit 150 Millionen Euro.
"Der Großteil ging dann wirklich an kommerzielle, etablierte Verlage, die ohnehin schon große Reichweite und große finanzielle Möglichkeiten haben", so Dachwitz.
Ende Oktober erscheint eine Studie des Journalisten zur "News Initiative" für DGB und Otto-Brenner-Stiftung. Ein Ergebnis: Google hat mit seiner Förderung versucht, Regulierungen – wie ein Leistungsschutzrecht für Verlage – zu verhindern und die Presse zu besänftigen.
Mit dem "News Showcase" bleibt Google seiner Strategie treu, betont Dachwitz: "Man darf ja eines nicht vergessen: Bis heute ist Google Gegenstand Dutzender offizieller Untersuchungen, Gerichtsverfahren und so weiter - wegen Datenverstößen, wegen dem Missbrauch von Marktmacht, Kartellrecht und vielen weiteren Punkten."
In der Debatte um das Leistungsschutzrecht gibt es für Dachwitz mit dem "Showcase" langfristig nur einen Gewinner - und der heißt Google.