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Googles Internet-Institut

Das "Institut für Internet und Gesellschaft" in Berlin wird im Oktober eröffnet. Finanziert wird es zunächst von Google. Der Suchmaschinen-Gigant will die Internetforschung hierzulande anschieben - ein Bereich, in dem Deutschland kaum eine Rolle spielt.

Von Philip Banse |
    Wie entsteht Innovation im Internet? Wie kann und soll unsere digital vernetzte Welt reguliert werden? Wie kann ein neues Urheberrecht aussehen? Wie müssen Medien auf Digitalisierung und Internet reagieren? Diese Fragen sollen zukünftig unter einem Dach gebündelt werden, im "Institut für Internet und Gesellschaft", das Ende Oktober in den Räumen der juristischen Fakultät in Berlin eröffnen wird. Der Völkerrechtler und Gründungsdirektor Ingolf Pernice nennt seine zentrale Forschungsfrage:

    "Demokratieaufbau auf globaler Ebene war bislang ein Thema, was den Utopisten zugedacht war, und jeder Realist sagt, das ist unmöglich. Meine Frage ganz einfach: Ändert das Internet etwas dran?"

    Große Fragen, ein kleines Institut: Die Humboldt Universität, die Universität der Künste, das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und als Juniorpartner das Hamburger Hans-Bredow-Institut stellen drei Forschungsdirektoren und insgesamt vier Wissenschaftliche Mitarbeiter, alles bekannte Namen der deutschen Internet-Forschung. Geplant sind Doktoranden-Stipendien, ein Graduierten-Kolleg und Gastforscher. Finanziert wird das Institut zunächst komplett von Google. Für die ersten drei Jahre überweist der Internet-Konzern 4,5 Millionen Euro, pro Jahr also 1,5 Millionen Euro – nicht viel, sagt UdK-Präsident Martin Rennert:

    "Im universitären Bereich sind 1,5 Millionen eben die Begründung einer kleinen Infrastruktur."

    So ist es auch gedacht. Google will mit dem Geld die Internetforschung in Deutschland anschieben, einen Forschungsbereich, in dem Deutschland international kaum eine Rolle spielt.

    "Es ist eine Startup-Finanzierung, wenn sie wollen."

    Sagt Max Senges von Google Deutschland.

    "Es geht darum, diese Infrastruktur erst mal auf die Beine zu stellen und dann sollte sie wirklich auf einer breiten Basis stehen, unterstützt werden von EU-Geldern, von DFG-Geldern, dass es wirklich eingebunden ist in das Umfeld."

    Kritiker fragen, warum die großen Universitäten nicht längst ein Internet-Institut gegründet haben, um die Forschung in diesem fundamentalen Feld auf internationales Niveau zu heben?

    "Weil wir mit Bordmitteln der Universitäten gar nicht in der Lage sind, die Internetforschung in gleichem Umfang zu etablieren, wie es eben mithilfe eines solchen Instituts geht."

    ,sagt die Gründungsdirektorin Jeanette Hofman, google-kritische Netzforscherin am Wissenschaftszentrum Berlin. Doch das kann nicht überzeugen: Die deutsche Forschungsgemeinde soll keine 4,5 Millionen Euro auftreiben können, um die gesellschaftlichen Auswirkungen des Internets zu erforschen? WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger:

    "Wir wollen diesen Bereich aufbauen und wir können es aus eigenen Mitteln nicht machen, weil wir uns programmatisch auf andere Felder festgelegt haben."

    Internet-Forschung war der Wissenschaft also nicht wichtig genug. Jetzt finanziert ein Internet-Konzern die Internet-Forschung – und verfolgt natürlich auch wirtschaftliche Interessen. Google-Vertreter Max Senges:

    "Wir freuen uns auf die Ergebnisse, die uns auch helfen werden, bessere Produkte zu machen."

    Und nun müssen sich die Forscher fragen lassen, wie unabhängig sie noch sein können. Google und die Forscher sagen, die Geldgeber würden die Forschung nicht beeinflussen. Der Präsident der Humboldt Universität, Jan-Hendrik Olbertz:

    "Von Google kommt nur Geld. Dann lege ich großen Wert darauf, dass wir im Rahmen der Gremien selbst entscheiden, worauf dieses Geld verwendet wird."

    Die Wissenschaftler müssten ihre Publikationen nicht von Google abnicken lassen; der Kooperationsvertrag mit Google werde öffentlich sein; ein Wissenschaftlicher Beirat mit zwölf international anerkannten Forschern werde die Unabhängigkeit der Forschung überwachen. Doch der Filter setzt früher an: Wenn Internet-Forscher zu 100 Prozent von Google finanziert sind und dann beispielsweise über Datenschutz schreiben, dürften sich sie sich irgendwann fragen: Wie sehr nehme ich Google ins Visier? Nehme ich Google in die Überschrift oder kommt es ins letzte Kapitel? Datenschutz-Spezialistin Jeanette Hofman sieht diese Gefahr nicht:

    "Die Antwort ist ganz einfach: Es war Voraussetzung für die Zusammenarbeit, dass wir unabhängig arbeiten können. Und Google wusste ja auch, wen sie sich ausgesucht haben mit mir. Meine Texte stehen im Internet, von daher gab es da nie ein Problem."