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Googles "Privacy-Sandbox"
Monopolisten-Märchen

Ob Sneaker, Shirts oder Spielzeug – mit Internetsuchen, auf deren Basis noch über Wochen hinweg Werbung angezeigt wird, soll bei Google bald Schluss sein. Das US-Unternehmen will Daten mit einer "Privacy-Sandbox" besser schützen. Doch Kritiker erkennen in den geplanten Maßnahmen vor allem eigene Interessen.

Von Maximilian Brose |
Ein Smartphone zeigt das Android-Logo von Google, dahinter ein Bildschirm
Milliarden Menschen weltweit nutzen Android, das Betriebssystem von Google, für mobile Geräte (picture alliance/dpa | Franziska Gabbert)
Die Ankündigung von Google klingt ein wenig wie im Märchen: Da die Nutzerinnen und Nutzer neue Erwartungen an ihre Privatsphäre im Netz hätten, bringt Google ein neues Maßnahmenbündel für mehr Privatsphäre, die sogenannte "Privacy-Sandbox", auf den Weg. So schaltet das Unternehmen häufig kritisierte Trackingtechnologien wie Third-Party-Cookies in seinem Browser bis 2022 schrittweise ab. Programme aus der Sandbox sollen aber weiterhin Werben wie mit Cookies ermöglichen, nur möglichst sicher für die Daten der Nutzerinnen und Nutzer, sagt Katharina Arntzen vom Google go to Market-Team: "Um auch sicherzustellen, dass vor allem Publisher weiterhin ihr Geschäftsmodell betreiben können. Dass zugleich aber die Privatsphäre der Nutzer gewahrt wird."
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Googles Mutterkonzern Alphabet verdient den Hauptteil seines Geldes mit dem Schalten von Werbeanzeigen. Um das zu optimieren, nutzt das Unternehmen derzeit auch Third-Party-Cookies. Da die aber von anderen Browsern wie Safari und Firefox in den Standardeinstellungen schon jetzt nicht mehr zugelassen würden, hätte auch Google nachziehen müssen und das sei schlecht für das Geschäftsmodell, sagt Thorsten Strufe, Professor für Informationssicherheit am Karlsruher Institut für Technologie. Daher habe sich Google jetzt eine andere Möglichkeit einfallen lassen müssen, um Informationen im Netz auszulesen. Und zwar ohne Third-Party-Cookies, direkt über seinen Browser Chrome, mit dem 65 bis 70 Prozent der Menschen im Internet unterwegs seien: "Und jetzt kann Google natürlich einfach sagen, wir nehmen eure Browserhistory. Das hätte niemand mit sich machen lassen. Und Google ist jetzt aber natürlich in der Lage zu sagen Okay: Wir bauen da jetzt Privacy-Hokuspokus um die Browserhistory drum herum."

Experte: Google wird zum Daten-Gatekeeper

Eine Anwendung, die den Browserverlauf wie von magischer Hand schützen soll, ist das sogenannte FloC-Modell. Das Modell solle browserbasiert Nutzergruppen bilden, die sich für verschiedene Bereiche wie Reisen oder Yoga interessierten, sagt Arntzen von Google. "Und dass dann Werbetreibende Anzeigen für diese Kohorten schalten können. Ich möchte aber betonen, dass es nur sogenannte Kohort-IDs gibt, der individuelle Nutzer geht praktisch in der Masse unter, es wird keine einzelnen Nutzer-IDs geben."
In der Wissenschaft spreche man hier von einer K-Anonymität, betont Professor Strufe. "K" steht dabei für die Anzahl der Individuen in einer Gruppe – im Fall von FLoC sollen es mindestens 1.000 sein – unter denen die einzelnen Identitäten scheinbar verschwinden würden: "Aber K- Anonymität, solange wir es kennen, ist es auch gebrochen. Das heißt, wir wissen, dass wir, sobald es irgendwelche weiteren zusätzlichen Informationen gibt, ich sofort auch wieder einzelne Individuen identifizieren kann."
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Die Daten würden nicht nur unzureichend verschlüsselt, meint Prof. Strufe, Google werde mit dem Privatsphäre-Sandkasten zu einer Art Gatekeeper der Daten der Nutzer und Nutzerinnen. "Auf einmal können auch kleinere Märkte nicht mehr ihre eigenen Systeme zur Zählung oder zur Messung und dementsprechend auch zur Optimierung ihrer Werbung aufbauen, sondern sie müssen sich dann jetzt auch an Google wenden und müssen auch über Google quasi ihre Werbung kaufen, verkaufen."

Andere erwarten Wettbewerbsnachteile

Google will also seine Stellung als Marktführer festigen. Das kritisieren auch Werbetreibende und Technologieunternehmen. Einige von ihnen haben in Großbritannien im November eine Wettbewerbsbeschwerde gegen Googles Privacy-Sandbox-Pläne eingereicht. Die zuständige Behörde CMA ermittelt zwar noch. Doch eine erste Marktanalyse der CMA zeigt, dass die Vorschläge von Google signifikanten Einfluss auf Verlage und den Markt für Onlinewerbung haben könnten. "Wir sind mit der CMA in Kontakt und freuen uns, mit denen weiter das Produkt zu entwickeln", betont Katharina Arntzen von Google. Das Unternehmen sei sich bewusst, dass sich seine Pläne auf den Werbemarkt im Internet auswirken würden: "Und deswegen werden diese Änderungen wirklich Stück für Stück implementiert mit langer Vorankündigung und nicht ad hoc, einfach um sicherzustellen, dass das Anzeigenökosystem weiterhin in Balance bleibt."
Dass von einem ausgewogenen Werbemarkt keine Rede sein wird, befürchtet Achim Schlosser, Vorstand der european net-ID-Foundation. Google würde mit seinem Privatsphäre-Sandkasten vor allem kleinere Konkurrenten auf dem Werbemarkt in seine Abhängigkeit treiben. Und die Pläne würden sich auch auf Internetseiten auswirken, die sich über Werbung finanzierten, wie Onlinezeitungen. Selbst für vergleichsweise große Webangebote, wie "Spiegel", könnte es schwierig werden, Werbung unabhängig von Google zu schalten, betont Schlosser: "Die Frage ist, wie können auch Leute, die jetzt noch mal kleiner als ein ‚Spiegel‘ sind, denn überhaupt dann sagen, ich betreibe jetzt eine Internetseite, noch basierend auf Werbung, beziehungsweise, ich kann es dann nur noch machen, wenn ich mich sozusagen in dieses Privacy-Sandbox Konstrukt begebe."
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Das Privacy-Sandbox-Konstrukt soll auch Server beinhalten, auf die vertrauenswürdige Partner von Google Zugriff hätten. Wie die genau aussehen sollen, müsse noch mit Markteilnehmern in einem offenen Prozess diskutiert werden, sagt Arntzen. Professor Strufe fürchtet, dass so Google direkt Daten der Nutzer und Nutzerinnen weitergeben könnte: "Wo im Prinzip durch die Hintertür das Schlechteste von der aktuellen Welt dann wieder eingeführt wird und dann aber nur verkauft an die Partner von Google."