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Gorillaz-Frontmann Damon Albarn
"Brexit? Wir kommen zurück"

Damon Albarn überrascht das Publikum weiterhin verlässlich mit seiner Cartoon-Band Gorillaz: Das neue Album "The Now Now" enthält viele Anspielungen auf die USA und eine Welt, die durchzudrehen scheint. Was den EU-Austritt Großbritanniens angeht, gibt sich der Musiker im Corsogespräch gelassen.

Damon Albarn im Corsogespräch mit Robert Rotifer |
    Damon Albarn(links) sieht Jamie Hewlett (Zeichner der Gorillaz) an der rechts im Bild steht -beide tragen dunkle Jacken und wirken entspannt
    Damon Albarn (l.) - hier zusammen mit Jamie Hewlett, dem Zeichner der Comic-Band Gorillaz (Dhillon Shukla - Warner)
    Robert Rotifer: Die ursprüngliche Idee von Gorillaz war ja die Erschaffung der perfekten Diversität in Gestalt einer Band. Passt dieses Konzept zur derzeitigen politischen Debatte, oder machen Sie sich darüber lieber keine Sorgen?
    Damon Albarn: Es ist, was es ist. Politik muss gefühlsbezogen sein, wenn sie in der Musik funktionieren soll. Die Emotion muss wichtiger sein als der politische Inhalt selbst. Politische Musik funktioniert nur wirklich, wenn es diese seltsame Alchemie gibt, wo man nicht weiß: Geht es hier um Liebe oder um Politik? Denn Politik ist nicht die Liebe. Wir sind alle nicht verliebt in die Politik. Wir sind daran interessiert, davon fasziniert, geistig gefesselt, es ist eine Studie des Menschseins, aber es ist nicht die Liebe. Und wenn es zur Liebe wird, dann ist es falsch.
    "Wir sind alle im Herzen des Wahnsinns"
    Rotifer: Was ihre Texte für Gorillaz anlangt: Es muss schwer sein, für eine Band aus Comic-Figuren zu schreiben, wenn in Amerika eine Comic-Figur Präsident ist. Das neue Album enthält viele Anspielungen auf Amerika. Ist das Grundthema also eine Welt, die durchdreht, mit Amerika im Herzen des Wahnsinns?
    Albarn: Wir sind alle im Herzen des Wahnsinns. Ich denke, das Internet ist im Herzen des Wahnsinns.
    Rotifer: Das Experiment der sozialen Medien?
    Albarn: Ja, schon wieder ein Experiment mit der Menschheit. Und wie alle Experimente braucht es eine lange Zeit, bis man sie richtig hinkriegt. Weil man nicht weiß, was das Ergebnis sein wird. Aber das, was man nicht weiß, hilft einem zu lernen. Wir müssen also von diesem sozialen Experiment lernen und dürfen nicht erlauben, dass es sich in Populismus verwandelt. Darin liegt im Moment die Gefahr: Isolationismus und Populismus. In der Demokratie ist es nötig, dass alle ein gewisses Bewusstsein und Bildung haben. Das ist aber nicht der Fall. Und leider hält dieses Versagen das Bestehen genau dessen aufrecht, was zu dem Versagen geführt hat. Nämlich ein Mangel an Bewusstsein.
    Zum Nachhören im englischen Originalton - das Corsogespräch mit Damon Albarn
    Rotifer: Ich musste an Sie denken, als ich hörte, dass das von ihnen so gern besuchte Land Mali eine Brutstätte für militanten Islamismus geworden ist.
    Albarn: Ja, ich habe gehört, dass sogar die Briten da jetzt Truppen hingeschickt haben. Fucking hell, man - das ist unfassbar.
    Rotifer: Sie waren ja vor 14 Jahren zum ersten Mal dort.
    Albarn: Ich war Anfang dieses Jahres zum Arbeiten dort. Ich mache nächstes Jahr in Frankreich ein großes Ding über Mali mit dem Filmregisseur Abderrahmane Sissako. Er kommt aus Mali und lebt in Mauretanien.
    Rotifer: Wie gehen Sie mit der Gefahr dort um?
    Albarn: Um ehrlich zu sein, bisher betrifft es eher einen anderen Teil des Landes. Das Problem ist nicht so virulent in Bamako, wo ich die meiste Zeit verbringe. Ich habe begonnen, langsam die Bamana-Sprache zu lernen. Es ist sehr befriedigend, wenn man dort hinkommt, aber wirklich schwer es hier zu lernen. Ich habe hier nur den einen malischen Lehrer.
    "Zeig' Bewusstsein, Mann!"
    Rotifer: Haben Sie richtige Freunde dort?
    Albarn: Natürlich, ich hab auch einen malischen Namen. Ich heiße Makandjan Kamissoko. Der Name wurde mir in einer Zeremonie verliehen. Makandjan hat mit Kampf und Macht zu tun. Und Kamissoko war eine der frühen Griot-Familien am Anfang des Mandanka-Reichs unter der Herrschaft von König Sundiata. Das ist also ein sehr alter Name in der Griot- beziehungsweise Jeli-Tradition.
    Rotifer: Wurde Ihnen der verliehen, oder haben Sie ihn sich ausgesucht?
    Albarn: Er wurde mir verliehen, das ist eine enorme Ehre. Das war auch der Grund, warum ich meinen einst sehr militanten Standpunkt geändert habe, was den Empfang solcher Ehrentitel betrifft. Daher hab ich danach auch einen königlichen Orden, den Order of the British Empire angenommen. Das hätte ich früher nicht im Traum getan. Ganz ehrlich gesagt geht das auf meine Familie zurück. Da gab es Kriegsdienstverweigerer, und die grundsätzliche politische Ausrichtung innerhalb der Familie erlaubte sowas nicht. Aber ich war dann so bewegt von dieser Einladung und der Zeremonie und ihrer Bedeutung, der Wärme und der Ehrlichkeit der Leute in Mali, meinem Gefühl der Verpflichtung und Liebe gegenüber diesem Land, dass es sich für mich sehr unangenehm anfühlte, sich dann umzudrehen und zu diesem Orden nein zu sagen.
    Rotifer: Ihr eigenes Land abzulehnen?
    Albarn: Ja! Das ist lächerlich, denn ich liebe mein eigenes Land auch. Das kommt wieder auf den Isolationismus zurück. Es ist okay, viele Dinge zu lieben und in sich aufzunehmen. Man muss sich nicht nur auf das Eigene beschränken. Zeig' Bewusstsein, Mann!
    "Ich habe William getroffen, der sehr nett zu mir war"
    Rotifer: Es ist schon lustig, wenn sich einer wie Ray Davies zum Ritter schlagen lässt, beweist es paradoxerweise, dass er aus der Arbeiterklasse kommt. Denn sowas abzulehnen, das ist ein sehr snobistisches Mittelschicht-Verhalten.
    Albarn: Genau! Also ich bin froh, dass ich das gemacht habe. Ich habe William getroffen, der sehr nett zu mir war und gesagt hat, dass ihm meine Musik was bedeutet, weil sie ein Teil seiner Kindheit war. Ich hatte das nicht erwartet, ich stand ja in einer Schlange von 200 Leuten, und man hat nur anderthalb Minuten mit dem Verteter der Royals. Er wirkte sehr ehrlich, und das ganze Ding machte mir Spaß. Außerdem kamen viele der Leute, die im Buckingham Palace arbeiten, aus dem Stadtteil Leytonstone, wo ich als Kind aufwuchs. Das sind Leute aus der Arbeiterklasse, entgegen der Vorstellung, dass im Palast nur Aristokraten herumlaufen. In der Maschinerie der königlichen Familie arbeiten sehr verschiedene Menschen.
    Rotifer: Ein bisschen wie eine Band?
    Albarn: Ja, es ist wie eine Band! Sie sind wie Queen. Sie sind Queen.
    Rotifer: Wo wir schon hier oben bei ihnen im Arbeitszimmer sitzen: Hier in der Gegend steht ja auch der voriges Jahr abgebrannte Grenfell Tower.
    Albarn: Sie können es da drüben sehen, das mit dem Gerüst ist der Grenfell Tower.
    Rotifer: Bei aller Liebe zu ihrem Land, es entwickelt sich zu einem sehr harten Ort. Und dazu kommt noch, was seit diesem Brexit-Referendum alles geschieht.
    Albarn: Das ist mir schon klar. Aber machen Sie sich keine Sorgen, wir kommen zurück.
    Rotifer: Are we? I hope so.
    Albarn: Ja, ja ja - Wir haben jetzt George Soros auf unserer Seite. In den Achtzigern hatten wir Rock Against Racism. Das ist dieselbe Sache.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.