Friedbert Meurer: Nachdem russische Truppen in Georgien einmarschierten, da kam die Angst vor einem neuen Kalten Krieg auf. Jetzt scheint sich die Lage doch zu beruhigen. Das ist für die Toten und Verletzten des Krieges zwar zu spät, aber Russland will seine Truppen aus Georgien abziehen. Die EU kontrolliert den Ablauf mit 200 Beobachtern. Auch aus der Hafenstadt Poti, am Schwarzen Meer gelegen, will Moskau seine Soldaten zurückholen und dort in Poti arbeitet Irakli Absandze. Er leitet eine Hilfsorganisation, die benachteiligten Schülern helfen will. Guten Morgen, Herr Absandze.
Irakli Absandze: Guten Morgen.
Meurer: Zunächst vielleicht die Frage: In der Hafenstadt Poti gab es ja eine Reihe von russischen Soldaten. Sind die abgezogen? Was wissen Sie darüber?
Absandze: Ja, das kann ich bestätigen. Die sind schon seit zwei Tagen abgezogen.
Meurer: Wie viele waren das etwa?
Absandze: Das waren mehr symbolische als militärische Truppenteile, glaube ich, weil ich habe nur zehn Militärpanzer gesehen und ungefähr 50 Leute.
Meurer: Wie haben denn Ihre georgischen Landsleute die Präsenz, die Anwesenheit dieser Truppen kommentiert? Was sagen die jetzt dazu, dass die Truppen abgezogen sind?
Absandze: Natürlich waren sie etwas verwirrt und auch verängstigt. Mit Russen haben wir in Poti im Allgemeinen kein Problem, weil bis zu den 90er Jahren haben hier auch sehr viele Russen gewohnt. Ungefähr 40 Prozent der Bevölkerung von Poti war russisch. Aber die letzte militärische Aktion, die wir mitgekriegt haben, hat natürlich irgendetwas in unserer Erinnerung hinterlassen. Sehr viele Frauen und Kinder sind einfach während dieser Zeit aus der Stadt geflohen, weil sie sich wahrscheinlich daran erinnert haben, dass alles mit einer Bombardierung angefangen hat. Einmal wurde der Seehafen von Poti bombardiert.
Meurer: Also das alles in den letzten Wochen? In diesen Kriegstagen wurde Poti mehrmals bombardiert?
Absandze: Genau. In diesen Tagen wurden auch ungefähr 13 Leute getötet und das war natürlich sehr schwer zu verarbeiten. Aber Gott sei Dank gibt es immer noch keine anti-russischen Stimmungen.
Meurer: Wie läuft das im Alltag ab? Arbeiten Russen und Georgier beispielsweise an ein und demselben Arbeitsplatz? Kauft man in den gleichen Geschäften ein? Wie muss man sich das vorstellen?
Absandze: Natürlich. Sehr viele der russischen Bewohner, die bis zu den 90-er Jahren sehr zahlreich in Poti vertreten waren, sind, wie gesagt, immer noch hier geblieben. Was ich in der letzten Zeit bemerkt habe: man kauft prinzipiell keine russische Ware mehr. Aber das machen die Russen, die hier in Poti wohnen, genauso wie Georgier. Das ist quasi ein politischer Protest gegen das, was in letzter Zeit passiert ist. Auf der menschlichen Ebene habe ich keine großen Probleme dort bemerkt.
Meurer: Herr Absandze, Sie haben lange in Deutschland gelebt, sind dann nach Georgien gegangen, haben dort eine Hilfsorganisation gegründet, die Schülern helfen will. Was macht Ihre Organisation, die, glaube ich, den Namen "Nina" trägt? Was machen Sie?
Absandze: Ja, das ist richtig. - Wir haben viele Bildungsprojekte. Wir arbeiten zum Beispiel sehr eng mit der Konrad-Adenauer-Stiftung zusammen und vielen anderen Organisationen, die aus dem Westen nach Georgien kamen. In der letzten schwierigen Zeit haben wir aber absolut auf Flüchtlingshilfe umgeschaltet. In Poti haben wir ungefähr 50 Leute aus Tschinwali, aus Südossetien gehabt und die musste man auch irgendwie versorgen. Das war in letzter Zeit unser primäres Ziel.
Meurer: Sie werden aber wieder Schülern helfen wollen, oder was hatten Sie sich vorgestellt, als Sie nach Georgien kamen?
Absandze: Ja, natürlich, sobald die Normalität wieder zurückkehrt. Wir werden das dann einfach weiter machen, wie wir das vorher gemacht haben.
Meurer: Arbeiten die Schulen im Moment wieder normal? Gehen die Schüler jeden Tag zur Schule, als wäre nichts gewesen?
Absandze: Gestern hat bei uns wieder der Unterricht angefangen. Gestern hat nach den Sommerferien wieder die Schule angefangen und alle Schulen in Poti außer einer, wie ich weiß, wo immer noch Reparaturarbeiten laufen, haben mit dem Unterricht begonnen.
Meurer: Reparaturarbeiten, weil Schulen in den Kriegstagen zerstört worden sind.
Absandze: Einige Schulen, ja.
Meurer: Sitzen eigentlich georgische Schüler und russische Schüler in ein und denselben Klassen?
Absandze: Wenn die russischen Schüler eine georgische Ausbildung haben wollen, dann natürlich. Aber es gibt auch russische Schulen für die Leute, die eine russische Ausbildung haben wollen.
Meurer: Das heißt, insgesamt sind die georgischen und russischen Schüler doch eher getrennt?
Absandze: Ja. So sieht es eigentlich aus. Es geht darum, dass die Russen meistens ein russisches Abitur haben wollen, damit sie weiter in Russland studieren können oder an russischsprachigen Hochschulen hier in Georgien studieren können. Es gibt aber auch die umgekehrte Richtung. Ich kenne viele georgische Kinder, die an russischen Schulen studieren.
Meurer: Was haben Sie sich mit Ihrer Organisation "Nina" vorgenommen, wo und wie Sie helfen wollen?
Absandze: Bei dem ersten Projekt, was wir jetzt angefangen haben, geht es um Straßenkinder. In Poti hat es in den letzten zwei Jahren einen Wirtschafts-Boom gegeben. Die Stadt wächst sehr schnell. Deswegen kommen natürlich auch soziale Probleme und viele Kinder, die keinen sicheren sozialen Umgang in der Umgebung haben, kommen nach Poti. Denen muss man hier irgendwie präventiv helfen. Das ist eines der größten Probleme, was wir jetzt im Moment im Kinderbereich haben. Deswegen versuchen wir, ein so genanntes Tageszentrum zu organisieren, wo man freien Zugang zu Internet hat, wo man gute Filme mit anderen Kindern, mit Kindern anderer Nationalitäten zusammen sehen kann, wo ein paar Lehrer Nachhilfe geben können - und das nicht nur für Straßenkinder, sondern auch für andere, quasi "normale" Kinder. Ich denke, das wird sehr zum Resozialisierungsprozess der Kinder beitragen, die benachteiligt worden sind.
Meurer: Das war Irakli Absandze in Poti, in der Hafenstadt am Schwarzen Meer. Er hilft dort Straßenkindern und hat uns seine Eindrücke aus der Hafenstadt geschildert, nachdem die russischen Soldaten dort abgezogen sind. Herr Absandze, Ihnen für Ihre Arbeit alles Gute und auf Wiederhören nach Poti.
Absandze: Bitte!
Irakli Absandze: Guten Morgen.
Meurer: Zunächst vielleicht die Frage: In der Hafenstadt Poti gab es ja eine Reihe von russischen Soldaten. Sind die abgezogen? Was wissen Sie darüber?
Absandze: Ja, das kann ich bestätigen. Die sind schon seit zwei Tagen abgezogen.
Meurer: Wie viele waren das etwa?
Absandze: Das waren mehr symbolische als militärische Truppenteile, glaube ich, weil ich habe nur zehn Militärpanzer gesehen und ungefähr 50 Leute.
Meurer: Wie haben denn Ihre georgischen Landsleute die Präsenz, die Anwesenheit dieser Truppen kommentiert? Was sagen die jetzt dazu, dass die Truppen abgezogen sind?
Absandze: Natürlich waren sie etwas verwirrt und auch verängstigt. Mit Russen haben wir in Poti im Allgemeinen kein Problem, weil bis zu den 90er Jahren haben hier auch sehr viele Russen gewohnt. Ungefähr 40 Prozent der Bevölkerung von Poti war russisch. Aber die letzte militärische Aktion, die wir mitgekriegt haben, hat natürlich irgendetwas in unserer Erinnerung hinterlassen. Sehr viele Frauen und Kinder sind einfach während dieser Zeit aus der Stadt geflohen, weil sie sich wahrscheinlich daran erinnert haben, dass alles mit einer Bombardierung angefangen hat. Einmal wurde der Seehafen von Poti bombardiert.
Meurer: Also das alles in den letzten Wochen? In diesen Kriegstagen wurde Poti mehrmals bombardiert?
Absandze: Genau. In diesen Tagen wurden auch ungefähr 13 Leute getötet und das war natürlich sehr schwer zu verarbeiten. Aber Gott sei Dank gibt es immer noch keine anti-russischen Stimmungen.
Meurer: Wie läuft das im Alltag ab? Arbeiten Russen und Georgier beispielsweise an ein und demselben Arbeitsplatz? Kauft man in den gleichen Geschäften ein? Wie muss man sich das vorstellen?
Absandze: Natürlich. Sehr viele der russischen Bewohner, die bis zu den 90-er Jahren sehr zahlreich in Poti vertreten waren, sind, wie gesagt, immer noch hier geblieben. Was ich in der letzten Zeit bemerkt habe: man kauft prinzipiell keine russische Ware mehr. Aber das machen die Russen, die hier in Poti wohnen, genauso wie Georgier. Das ist quasi ein politischer Protest gegen das, was in letzter Zeit passiert ist. Auf der menschlichen Ebene habe ich keine großen Probleme dort bemerkt.
Meurer: Herr Absandze, Sie haben lange in Deutschland gelebt, sind dann nach Georgien gegangen, haben dort eine Hilfsorganisation gegründet, die Schülern helfen will. Was macht Ihre Organisation, die, glaube ich, den Namen "Nina" trägt? Was machen Sie?
Absandze: Ja, das ist richtig. - Wir haben viele Bildungsprojekte. Wir arbeiten zum Beispiel sehr eng mit der Konrad-Adenauer-Stiftung zusammen und vielen anderen Organisationen, die aus dem Westen nach Georgien kamen. In der letzten schwierigen Zeit haben wir aber absolut auf Flüchtlingshilfe umgeschaltet. In Poti haben wir ungefähr 50 Leute aus Tschinwali, aus Südossetien gehabt und die musste man auch irgendwie versorgen. Das war in letzter Zeit unser primäres Ziel.
Meurer: Sie werden aber wieder Schülern helfen wollen, oder was hatten Sie sich vorgestellt, als Sie nach Georgien kamen?
Absandze: Ja, natürlich, sobald die Normalität wieder zurückkehrt. Wir werden das dann einfach weiter machen, wie wir das vorher gemacht haben.
Meurer: Arbeiten die Schulen im Moment wieder normal? Gehen die Schüler jeden Tag zur Schule, als wäre nichts gewesen?
Absandze: Gestern hat bei uns wieder der Unterricht angefangen. Gestern hat nach den Sommerferien wieder die Schule angefangen und alle Schulen in Poti außer einer, wie ich weiß, wo immer noch Reparaturarbeiten laufen, haben mit dem Unterricht begonnen.
Meurer: Reparaturarbeiten, weil Schulen in den Kriegstagen zerstört worden sind.
Absandze: Einige Schulen, ja.
Meurer: Sitzen eigentlich georgische Schüler und russische Schüler in ein und denselben Klassen?
Absandze: Wenn die russischen Schüler eine georgische Ausbildung haben wollen, dann natürlich. Aber es gibt auch russische Schulen für die Leute, die eine russische Ausbildung haben wollen.
Meurer: Das heißt, insgesamt sind die georgischen und russischen Schüler doch eher getrennt?
Absandze: Ja. So sieht es eigentlich aus. Es geht darum, dass die Russen meistens ein russisches Abitur haben wollen, damit sie weiter in Russland studieren können oder an russischsprachigen Hochschulen hier in Georgien studieren können. Es gibt aber auch die umgekehrte Richtung. Ich kenne viele georgische Kinder, die an russischen Schulen studieren.
Meurer: Was haben Sie sich mit Ihrer Organisation "Nina" vorgenommen, wo und wie Sie helfen wollen?
Absandze: Bei dem ersten Projekt, was wir jetzt angefangen haben, geht es um Straßenkinder. In Poti hat es in den letzten zwei Jahren einen Wirtschafts-Boom gegeben. Die Stadt wächst sehr schnell. Deswegen kommen natürlich auch soziale Probleme und viele Kinder, die keinen sicheren sozialen Umgang in der Umgebung haben, kommen nach Poti. Denen muss man hier irgendwie präventiv helfen. Das ist eines der größten Probleme, was wir jetzt im Moment im Kinderbereich haben. Deswegen versuchen wir, ein so genanntes Tageszentrum zu organisieren, wo man freien Zugang zu Internet hat, wo man gute Filme mit anderen Kindern, mit Kindern anderer Nationalitäten zusammen sehen kann, wo ein paar Lehrer Nachhilfe geben können - und das nicht nur für Straßenkinder, sondern auch für andere, quasi "normale" Kinder. Ich denke, das wird sehr zum Resozialisierungsprozess der Kinder beitragen, die benachteiligt worden sind.
Meurer: Das war Irakli Absandze in Poti, in der Hafenstadt am Schwarzen Meer. Er hilft dort Straßenkindern und hat uns seine Eindrücke aus der Hafenstadt geschildert, nachdem die russischen Soldaten dort abgezogen sind. Herr Absandze, Ihnen für Ihre Arbeit alles Gute und auf Wiederhören nach Poti.
Absandze: Bitte!