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Gottfried Böhm zum 100. Geburtstag
Kirchenarchitekt, Brutalist, Bildhauer

Der Kölner Architekt Gottfried Böhm wird heute 100 Jahre alt. Bekannt wurde er mit seinen aufsehenerregenden Kirchenbauten aus Beton, Stahl und Glas. Vor zwei Jahren gab er dem Deutschlandfunk noch ein Interview über sein wohl berühmtestes Bauwerk: den Mariendom in Neviges.

Von Monika Dittrich |
Radikal mutig: Mariendom-Architekt Gottfried Böhm
Architekt Gottfried Böhm - kurz vor seinem 98. Geburtstag (Deutschlandradio / Monika Dittrich)
Gottfried Böhms Werk strahlt weltweit. Schon sein Vater Dominikus Böhm war ein herausragender Kirchenbaumeister. Und auch drei seiner vier Söhne arbeiten als Architekten.
Zu Gottfried Böhms wichtigsten Bauwerken gehören viele Kirchen, zum Beispiel die Kölner Kapelle "Madonna in den Trümmern", aber auch Profanbauten wie das Bensberger Rathaus oder das Potsdamer Hans-Otto-Theater. 1986 wurde Gottfried Böhm als erster deutscher Architekt mit dem angesehenen Pritzker-Preis ausgezeichnet.
"Verrückte Zeichnungen"
Das Interview findet in Böhms Haus in Köln-Marienburg statt. Er sitzt in einem Sessel, den Rollator neben sich. Schlohweißes Haar, schwarze Fleecejacke, weißes Hemd. Auf dem Tisch vor ihm liegt ein zerlesener Band von Max Frischs "Homo Faber". Den habe er gerade noch gelesen, erzählt er.
Es ist noch nicht lange her, da ging der Architekt und studierte Bildhauer noch jeden Tag ins Büro, wo jetzt sein Sohn arbeitet, und hat mitgemacht: entworfen, gezeichnet, nach Lösungen gesucht. Das sei ihm jetzt zu anstrengend geworden.
Doch die Schaffenskraft hat ihn noch nicht verlassen: "Ich mache jetzt lauter so verrückte Zeichnungen."
Auf einem kleinen Schreibtisch im selben Raum liegen Rollen mit Zeichenpapier, Stifte, Lineale, Anspitzer. Auf einigen Skizzen sind sakrale Räume zu erkennen, Türme und Säulen, haarscharf gezeichnet und zart koloriert, manche davon erinnern in ihrer expressionistischen Form an den Mariendom in Neviges.
Eine Befreiung für Architekten
Dass die Wallfahrtskirche in der Literatur immer wieder als Böhms Hauptwerk bezeichnet wird, lässt er sich gern gefallen. Die Kirche sei doch wirklich interessant, sagt er, und spricht gleich über die besondere Konstruktion des Gebäudes, bei der sich Wände und Decken gegenseitig stützen.
Das Zweite Vatikanische Konzil, sagt Böhm, sei für Kirchen-Architekten wie ihn damals eine Befreiung gewesen: "Ja, es war schon ein besonderer Geist, der dahintersteckte. Und der uns damals imponierte. Dass das ganze menschlicher wurde, mit den Menschen verbunden und nicht etwas Abgehobenes sein sollte."
Die katholische Kirche als Bauherrin sei bereit gewesen, radikal modern und avantgardistisch zu bauen: "Positiv habe ich das erlebt, dass die das so mitgemacht haben. Das war ja auch im Zelebrieren, im Umgang mit den Gläubigen, war das anders auf einmal, das war schon toll und angenehm. Vielleicht müsste das auch jetzt noch toller werden können. Ich weiß auch nicht, es stockt so in der Art. Das Verhältnis der Kirche zur Menschheit."