Tobias Armbrüster: Die AfD gilt bei vielen Beobachtern und Experten als Ein-Themen-Partei. Außer in der Flüchtlingspolitik scheint die Partei, programmatisch nicht viel zu bieten zu haben. So die allgemeine Annahme. Das ändert sich in diesen Tagen, nämlich beim Thema Rente. Fraktionschefin Alice Weidel hat vor wenigen Tagen ein Papier dazu vorgelegt, aber dabei ist es nicht geblieben. Gestern hat auch der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke nachgezogen mit seinem eigenen Vorschlag für einen Umbau des Rentensystems in Deutschland.
Am Telefon ist der stellvertretende Vorsitzende der AfD, Kay Gottschalk. Schönen guten Morgen!
Kay Gottschalk: Guten Morgen, Herr Armbrüster. Ich grüße Sie.
"Alle Vorschläge kann man diskutieren"
Armbrüster: Herr Gottschalk, das war jetzt gestern ein weiteres Rentenpapier aus der AfD. Welches Konzept gilt denn jetzt?
Gottschalk: Zunächst mal – ich habe das auch letzte Woche schon gesagt -, ich begrüße, dass wir endlich die Rentendiskussion in Gang bringen. Ich habe bereits vor fünf Jahren diese Rentendiskussion begonnen. Das ist sogar nachprüfbar. Und insoweit freue ich mich, dass wir da jetzt endlich in einen fruchtbaren Dialog kommen. Alle Vorschläge kann man diskutieren und letztlich wird sie dann, denke ich, irgendwann die Partei entscheiden.
Armbrüster: "Mehr Rente für Deutsche" – das ist ja einer dieser Vorschläge von Björn Höcke. Ist das eine gute Idee?
Gottschalk: Ich würde das jetzt nicht auf dieses sehr plakative Wort "Mehr Rente für Deutsche" beziehen. Aber wenn Sie um die Welt schauen, wenn Sie alleine in den Mittleren und Nahen Osten schauen, in die sehr reichen Staaten, wenn Sie nach Norwegen schauen, dann sind bestimmte Bezüge und bestimmte Mehrleistungen immer auch an die Staatsbürgerschaft und ein Einbringen in ein Gemeinwesen gekoppelt.
"Das ist wie bei Tarifverhandlungen"
Armbrüster: Sollten wir uns ein Vorbild nehmen an solchen Ländern?
Gottschalk: Das will ich damit nicht sagen. Ich will zunächst mal sagen, wir diskutieren hier ergebnisoffen. Und wenn jemand bestimmte, vielleicht Sonderrechte hat, weil er sich auch auf eine bestimmte Art und Weise für ein Allgemeinwesen eingesetzt hat, dann kann ich da zunächst erst mal nichts in einem Dialog finden. Das ist ergebnisoffen und da darf jeder – die Gedanken sind frei – zunächst einmal seine Ansichten und Meinungen in den großen Topf werfen. Sie kennen das auch, das ist wie bei Tarifverhandlungen: Die einen werfen sechs Prozent ein, die anderen wollen nur zwei Prozent bieten, in den Verhandlungen wird kräftig gerührt und am Ende kommen vielleicht zweieinhalb oder drei heraus.
Viel Positives zu Rentenpunkten
Armbrüster: Weil wir Sie jetzt gerade am Telefon haben, da interessiert uns natürlich Ihre Meinung als stellvertretender AfD-Chef. Was halten Sie von so etwas, von so einer Idee, ich sage es mal so, deutsche Rentner etwas zu bevorzugen gegenüber ausländischen Rentnern in Deutschland?
Gottschalk: Zunächst mal kann man die Idee diskutieren. Mir wäre es lieber, dass die Rente alleine – das sage ich auch – sich darauf abstellt, wie wir entsprechende Rentenpunkte erwerben, und da habe ich auch sehr viel Positives in dem Rentenpapier der Kollegen aus Thüringen entdeckt. Ich würde es jetzt nicht unbedingt an einem Pass festmachen, aber meistens korrigiert der Pass natürlich – und ich denke, das sollte damit auch zum Ausdruck gebracht werden – mit einer bestimmten Lebensleistung, die man in einem Land, in dem man lebt und dessen Staatsbürgerschaft man hat, einhergeht.
Ich glaube, auch da sind wir uns einig: Ein Allgemeinwesen funktioniert nur, wenn ich mich für das einsetze und auch Verantwortung übernehme, wenn ich mein Wahlrecht ausübe und bestimmte andere Verantwortungen übernehme, und die hängen tatsächlich an der Staatsbürgerschaft. Insoweit sage ich, das darf man diskutieren. Ich persönlich würde viel mehr diskutieren wollen, an welche, wirklich diskussionswürdigen Punkte er das knüpft, wenn wir an die Drittelfinanzierung mal denken in dem Konzept, dass man sagt, wir hatten ja bereits in den 50er-Jahren einen Drittelmix aus Drittel der Beiträge zur Rentenfinanzierung stammen aus Arbeitnehmerbeiträgen, ein weiteres Drittel aus Arbeitgeberbeiträgen und ein Drittel kommt vom Staat. Das heißt, wir hatten schon immer eine staatsfinanzierte Rente. Wenn wir uns mal an diesen wesentlichen Punkten längshangeln, dann, glaube ich, kann man aus diesem Papier sehr viel Positives für die Diskussion entnehmen.
"Winterkorn mit einem Arbeitnehmerbeitrag voll überziehen"
Armbrüster: Insgesamt 125 Milliarden Euro im Jahr sieht Björn Höcke vor in diesem Rentenpapier, zusätzlich in das Rentensystem reinzupumpen. Ist so viel Geld da?
Gottschalk: Ich sehe es ja. Ich betone deutlich, wir haben jetzt ja schon für 2020 avisiert etwa 100 Milliarden Steuerzufluss. Mein Kredo ist schon vor fünf Jahren gewesen, wir müssen deutlich die Basis verbreitern. Ich persönlich – das ist jetzt meine Meinung – habe keine Schmerzen, einen Herrn Winterkorn, der in 2014 fast 14 Millionen Euro, glaube ich, verdient hat, mit dem Arbeitnehmerbeitrag voll zu überziehen. Das gilt für alle DAX-Vorstände, dass die sich dort einbringen, wie in der Schweiz übrigens. Da wird nicht drüber gemosert. Ich will da auch nicht dieses Wort Äquivalenzprinzip immer hören, das haben wir auch schon in der Rente lange, lange, lange verlassen.
Es gibt viele weitere Möglichkeiten. Ich bin dafür, den Euro abzuschaffen, die D-Mark wieder einzuführen. Und die Gewinne, die eine Bundesbank dann macht – das waren erkleckliche zu Zeiten der D-Mark -, die werden beispielsweise auch per verfassungsmäßiger Regelung in die Rente eingestellt, und zwar für alle Rentner, die hier entsprechend Rente beziehen. Es gibt genug Möglichkeiten kreativer Art. Diese Basis, die wir verbreitern müssen in der Zukunft – und da sind wir uns, glaube ich, alle einig; wie können wir die Basis verbreitern, um ob nun 100 Milliarden, 125 Milliarden extra zu bekommen. Denn das ist uns allen, glaube ich klar: Wir werden nicht aus der Umlagefinanzierung allein die Rente und die damit verbundenen Kosten lösen. Und ich glaube, es ist hier einfach nur eine Frage der Prioritäten: Müssen wir so viel nach Europa zahlen? Müssen wir so viel für Flüchtlinge ausgeben? Oder bringen wir einfach mal die Gelder alle sinnhaft zusammen? Ich glaube, dann haben wir spielend 125 Milliarden zusammen.
"Ich glaube nicht, dass sich der Euro halten lässt"
Armbrüster: Habe ich Sie da jetzt richtig verstanden, Herr Gottschalk? Austritt aus dem Euro ist ein guter, ein schöner Weg, um diese zusätzlichen Milliarden zu generieren?
Gottschalk: Da bin ich der Meinung, ja. Das ist für mich persönlich ein ganz positiver Weg. Ich sehe den Euro auch nach Italien – und das weiß auch jeder -, nach den Forderungen der Italiener (und da werden ja noch andere Länder kommen). Wir sind mittlerweile bei einer Billion Target-II-Salden, 2,6 Billionen nach neuesten Zahlen der Bundesbank an Verpflichtungen, die aufgrund der Euro-Rettung bestehen. Ich glaube nicht, dass sich der Euro halten lässt, und dann wird sicherlich eine andere Währung platzgreifen. Für mich wäre das die D-Mark.
Armbrüster: Die vielen Komplikationen, die sich aus so einem Schritt ergeben würden, die wären für Sie ein Preis, den Sie zahlen würden für das deutsche Rentensystem?
Gottschalk: Das ist nicht die Frage. Die Frage ist, ob dieses Euro-Ende kommt. Ich bin der Meinung, es kommt. Dann bin ich der Meinung: Wenn ich es weiß, weil die Zahlen dafür sprechen, dann kann man es geordnet tun. Das halte ich für vernünftiger. Aber ich glaube, Ihnen wird jeder sagen: Sollte Italien und die italienischen Banken zahlungsunfähig werden, dann wird keiner, nicht mal die deutsche Bundesbank und die Bundesrepublik Deutschland diese Währung retten. So sieht es doch aus! Und dann bin ich lieber dafür zu sagen, wir befassen uns mit den Realitäten, und die sind so, auch wenn man politisch das Kind Euro in vielerlei Eliten gerne gewünscht hat. Und wenn dann dieser Euro – das ist für mich sicher – am Ende ist, dann darf man darüber reden, wenn eine neue Bundesbank dann eigenständig eine Währung wieder verwaltet, unabhängig, dass die Gewinne einer Bundesbank zum Beispiel – das ist ja nur ein Vorschlag – zur Finanzierung einer Rente mit herangezogen werden.
Sie sehen, es liegt so viel Geld auf der Straße. Dann nehmen wir mal das Schwarzbuch des Bundes für Steuerzahler und das Buch des Bundesrechnungshofes und schauen zur Steuerverschwendung rein. Dann schauen wir rein, wieviel wir im BER versenkt haben, ohne dass da was rauskommt. Also mir soll keiner sagen, es ist für Menschen, die ihr Leben lang sich für unser Land eingesetzt haben, dieser Mehrbeitrag nicht da, und wir zahlen ja jetzt schon rund 87 Milliarden für dieses Jahr prognostiziert in die Rente ein.
"Um eine Reform der Rente kommen wir nicht herum"
Armbrüster: Können wir dann zusammenfassen, Herr Gottschalk? Sie sind da durchaus einverstanden mit Björn Höcke in seinen Thesen für eine Überarbeitung des Rentensystems?
Gottschalk: Ich glaube, wenn wir sagen – und das ist so; das ist jetzt völlig egal, auch was Frau Weidel anstößt und andere. Wir werden um eine Reform der Rente nicht herumkommen, und die kann nur lauten, wenn Sie es fair machen wollen, sie wird verbreitert, die Finanzierungsgrundlage. Das habe ich eben gesagt. Zum Beispiel alle Einkommen eines abhängig Beschäftigten, auch der Manager, die 14 Millionen und mehr – Sie können ja in den DAX schauen – verdienen, die gehen in die Rente rein, ohne dass natürlich die Rente damit steigt, sondern es wird gedeckelt. Deswegen sagte ich Äquivalenzprinzip. Ich sagte ganz kurz, wir können über die Deutsche Bundesbank nachdenken. Und ich glaube, ja, der Ansatz der Produktivität, der dort im Ansatz des Höcke-Konzeptes ist, der ist zu beachten. Der Drittelmix, den kann man beachten. Und über alles andere darf man diskutieren. Ich begrüße nochmals ausdrücklich diesen Vorschlag, damit wir endlich in eine Diskussion kommen, und was am Ende einer Diskussion in der AfD dabei herauskommt, das ist wie bei Tarifverhandlungen.
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