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Grabplünderer in Ägypten

In Ägypten sind durch die anhaltende Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition auch die archäologischen Ausgrabungen gefährdet. Denn die Sicherheitslage ist schlecht, schwer bewaffnete Banden bedrohen die Archäologen an vielen Orten.

Von Bettina Köster |
    "Besonders gefährdet sind die archäologischen Stätten in Beni Suef Alhiba und Abusir Almallak, denn dort wurde von den Archäologen noch nicht alles erforscht. Dort können die Wissenschaftler im Moment gar nicht weiter arbeiten, denn die Plünderer, die dort unterwegs sind, sind schwer bewaffnet. Wenn man ein Satellitenbild von Alhiba beispielsweise sieht, dann erkennt man, dass mehr als 500 illegale Ausgrabungen im Ort durchgeführt wurden. Da findet man Fragmente von Särgen und Sarkophagen und da sieht man Gebeine, die auf die Areale geschmissen wurden. Die Räuber suchten Gold und Schmuck und alles andere war denen egal. Deswegen haben die die Gräber kaputtgemacht, die Särge kaputtgemacht, die Mumien total zerstört, um dann Schmuck oder Gold zu suchen."
    Gerade in Mittelägypten, also in der Region südlich von Giseh und nördlich von Luxor, aber auch im nördlichen Teil des Sinai sind viele kriminelle Banden unterwegs, die die Arbeit der Archäologen zunichtemachen.

    "Die meisten der Objekte, die gestohlen wurden, sind nicht registriert. Und die Gräber, die geplündert und zerstört wurden, sind ebenfalls nicht registriert, weshalb man sie nicht kommentieren kann. Da kann man nicht sagen, wir haben etwas aus der 21. Dynastie, 900 Jahre vor Christus oder 100 Jahre vor Christus gefunden. Die ganze Geschichte ist jetzt total durcheinander und die Geschichte dieses Orts ist weg, die kann man nicht zurückbringen."

    Grabräuber gab es zwar schon immer in Ägypten. Die Ausmaße haben jedoch nach der Revolution erheblich zugenommen. Unter dem gestürzten Präsidenten Mursi wurden an vielen Straßenecken und in Cafés Antiquitäten verkauft, ohne dass irgendjemand daran Anstoß nahm. Durch die Plünderungen und das rigorose Vorgehen der kriminellen Banden ist die wissenschaftliche Arbeit der Archäologen extrem gefährdet, so die Ägyptologin Wafaa El Saddik.

    "Wenn ich jetzt an einem Ort arbeite und ein ganz kleines Stück Keramik gefunden habe, dann weiß ich, dass ich dieses kleine Stück Keramik in diesem Zentimeter Erde oder in dem Grab gefunden habe. Dann kann ich mithilfe dieser Keramik datieren, dann weiß ich, dass dieses Grab in die Zeit um 1000 vor Christus gehört. Wenn dieses Keramikstück aber woanders hingeschmissen wurde, dann kann ich das nicht datieren, denn dieses Stück ist nicht am Originalort gefunden worden."

    Viele archäologische Teams haben sich seit einiger Zeit zurückgezogen, weil es einigen Wissenschaftlern schlicht zu gefährlich war, weiter an den Ausgrabungsorten zu arbeiten. Einige Teams sind jedoch geblieben, trotz der möglichen Gefahren.

    "Es gibt natürlich Missionen, die arbeiten, zum Beispiel die Russen, die gehen nach Ägypten und arbeiten, die Japaner auch. Es gibt Missionen, die von ihren Regierungen auf die Erlaubnis warten, um dorthin zu fliegen. Es gibt auch Missionen, wie die polnische, die die ganze Zeit in Ägypten weiter gearbeitet haben, zum Beispiel im Nildelta und so weiter."

    Natürlich arbeiten diese übrig gebliebenen Archäologen nicht in den besonders gefährdeten Regionen, aber die Grabungsumstände sind trotzdem schwierig.

    "Es gibt Orte wie Giseh, Sakkara, Luxor und Teile von Assuan, wo weiter gearbeitet werden kann. Aber zum Beispiel neulich haben Leute in Dahschur, das ist südlich von Giseh, mit Gewalt einen neuen Friedhof auf archäologischem Sand gegraben und sagten: Wir brauchen das Land. Die waren bewaffnet und die Archäologen konnten gar nichts machen und von heute auf morgen wurden neue, moderne Gräber gebaut. Auch die Altertümerverwaltung war machtlos. Und deswegen brauchten wir das Militär. Das Militär hat sofort seine Einheiten nach Dahschur geschickt und hat dann diesen illegalen Bau gestoppt."

    Der Friedhof wurde zwar gebaut, aber die Präsenz des Militärs hielt die Menschen davon ab, den Friedhof noch einmal zu erweitern und damit das übrige Grabungsfeld weiter zu zerstören. Für den bereits neu angelegten Friedhofsteil gilt allerdings die Totenruhe, unabhängig davon, ob dort einmal eine archäologische Ausgrabungsstätte war oder nicht. Das Militär als Schützer der Grabungsfelder kann jedoch nicht überall präsent sein. Und die Polizisten und Wächter an den Ausgrabungsstellen sind häufig überfordert.

    "Wir haben die Polizisten, die ganz einfache Pistolen haben. Und wir haben die Wächter, die keine Pistolen haben. Und diese ganz, ganz einfachen armen Wächter sollen die archäologischen Stätten beschützen. Und jetzt fragen sich alle, was sollen wir machen, sollen wir eine neue Ausbildung für Wächter organisieren, damit sie Waffen bekommen und damit umgehen können? Sie hatten vorher nie welche in der Hand. Und sollte es mehr Polizisten geben? Ich glaube, es ist besser, nicht mehr Waffen einzusetzen. Ich denke, wenn wir mehr Polizisten haben, bekommen diese Banden Angst."

    Eine verzwickte Situation in einem Land, in dem seit der Revolution im Januar 2011 so chaotische Zustände herrschen, dass auch der Antikenminister Mohamed Ibrahim den Plünderungen und Bedrohungen ohnmächtig gegenübersteht.

    "Der Kollege von mir, der ist machtlos. Ohne die richtigen Polizisten, die wirklich die archäologischen Stätten schützen können, kann er nichts machen. Und ohne Geld ist wiederum nichts auszurichten. Wir haben überhaupt kein Geld mehr, weil wir keine Touristen mehr haben. Wir leben ja normalerweise von Touristen. Unser Einkommen ist die Eintrittskarte. Und wenn ich von einer Kollegin höre, dass das Museum sechs Besucher hat statt 12.000 am Tag, dann kann man sich die Katastrophe vorstellen. Wir haben überhaupt kein Geld, um eine neue Administration zu bilden. Und dann die archäologischen Stätten zu schützen. Und deshalb sage ich, der Mohamed Ibrahim ist machtlos."
    Schließlich fehlt auch bei den meisten Ägyptern ein Bewusstsein für den Schutz der kulturellen Güter, da viele mit dem täglichen Überlebenskampf beschäftigt sind. Gleichzeitig gibt es Impulse von jungen, gebildeten und engagierten Ägyptern, die via Facebook aktiv an die Öffentlichkeit gehen, wenn sie sehen, dass irgendwo illegal gegraben wird oder Antiquitäten im Teehaus verscherbelt werden. Und es kommen Impulse aus dem Ausland. Eine US-amerikanische Archäologin schlug beispielsweise vor, systematisch Satellitenaufnahmen von den Grabungsstellen zu machen. Und Wafaa El Saddik spricht auch von einer Art Schadensbegrenzung, die die archäologischen Grabungsstellen im Moment brauchen.

    "Wir brauchen in Ägypten im Moment keine neuen Ausgrabungen. Wir müssen alle Ausgrabungen stoppen. Wir müssen nur noch registrieren. Dafür sollten wir Teams bilden und zu allen archäologischen Stätten gehen und in den Magazinen registrieren, was wir haben. Wir müssen alle zusammenkommen, Ägypter und Ausländer. Wichtig ist auf jeden Fall, alles zu sichern und zu registrieren. Natürlich auch restaurieren und konservieren und so weiter. Aber es sollte jetzt keine neuen Ausgrabungen mehr geben."