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Grabräuber haben leichtes Spiel in Italien

Mit einem im Buchhandel erhältlichen Schwarzbuch weist die italienische Kunstpolizei nach, dass Kunstraub und illegale Grabungen in Italien noch immer auf Hochtouren laufen. Nicht alle archäologischen Zonen können rund um die Uhr bewacht werden.

Von Thomas Migge |
    Die Gesichter sind nicht deutlich zu erkennen, aber was sie tun schon. Vier Männer graben mitten in der Nacht im nördlichen Latium, auf dem Gebiet einer etruskischen Nekropole. Dank der Infrarotkamera der Polizei sieht man, wie sie Gegenstände aus dem Erdreich holen. Die nächtlichen Arbeiter sind sogenannte tombaroli, wie man jene Kunstdiebe nennt, die antike Gräber plündern, von denen es in Italien noch viele gibt, weiß Raffaele Mancino von der Carabinieri-Einheit, die sich ausschließlich um Kunstdiebstahl kümmert:

    "Die Arbeit des 'tombarolo' geht vom Vater auf den Sohn über. Ein lukrativer Job, denn in Italien liegen noch viele Kunstschätze im Erdreich und der internationale Kunstmarkt ist gefräßig. Für etruskische Vasen, griechische und römische Skulpturen und Mosaiken zahlt man in der Schweiz und anderswo hohe Summen, ohne viel danach zu fragen, woher die einzelnen Funde kommen. Bei ihrer Arbeit richten die 'tombaroli' oftmals große Schäden an."

    Grab- und Kunsträuber haben in Italien leichtes Spiel. Nicht nur wegen der vielen noch zu hebenden Kunstschätze, sondern auch dank einer absurden Gesetzgebung, erklärt der auf das Thema Kunstraub spezialisierte Journalist Fabio Isman:

    "Die in der jüngsten Zeit mit schweizer und amerikanischen Museen getroffenen Abkommen zur Rückgabe gestohlener Kunstwerke sind als positiv zu bewerten, doch in Italien gehen Kunsträuber immer noch straffrei aus. Wer einen Apfel in einem Supermarkt klaut, riskiert eine Gefängnisstrafe, wer aber eine wertvolle antike Vase der alten Griechen stiehlt und verkauft, kommt glimpflich davon. Und so kommt es, dass der Beruf des 'tombarolo' bei uns nie aussterben wird."

    Unter den rund 70.000 italienischen Gefängnisinsassen, das belegen die Ermittlungen der Carabinieri, findet sich nicht ein einziger Kunstdieb. Nur Geldstrafen werden gegen diese Kriminellen verhängt. Lächerliche niedrige Geldstrafen, mein Fabio Isman:

    "Im Prozess gegen jene Verantwortlichen des amerikanischen Getty-Museums, die Raubkunst aufgekauft hatten, konnten nach der italienischen Rechtsprechung nur Geldstrafen verhängt werden. Sie liegen zwischen 775 und maximal 38.000 Euro. Seit Jahren liegt ein Gesetzesvorschlag vor, die maximale Geldstrafe für Kunstdiebe zu verdoppeln, was auch nicht gerade viel wäre."

    Von dem neuen italienischen Kulturminister Lorenzo Ornaghi erhofft man sich mehr Sensibilität für das Thema Kunstraub und Strafverfolgung, und so fordern Kunsthistoriker und die Experten der Carabinieri-Einheit gegen Kunstdiebstahl, endlich die Gesetzgebung in ihrem Sinn zu reformieren.

    Mit einem jetzt von ihnen herausgegebenen und im Buchhandel erhältlichen Schwarzbuch weisen die Carabinieri der Spezialeinheit nach, dass der Kunstdiebstahl in Italien immer noch auf Hochtouren läuft. Dazu der Carabinieri-Kommandant Paolo Montorsi:

    "Wir haben jeden Tag alle Hände voll zu tun. Allein im letzten Jahr wurden etwa 5.300 Kunstwerke der Antike, der Renaissance und des Barock, Skulpturen, Gemälde, Vasen etc. von besonders hohem Wert aus Museen, Privatsammlungen und archäologischen Zonen gestohlen. Unser größtes Problem sind aber die illegalen Grabungen."

    Denn nicht alle archäologischen Zonen Italiens können rund um die Uhr bewacht werden. Allein in der Toskana und im nördlichen Latium, wo die Etrusker lebten, existieren immer noch zahllose Nekropolen, deren Existenz sogar den Archäologen unbekannt ist. Den staatlichen Behörden fehlen die nötigen Gelder, um neue systematische Grabungen durchzuführen. Nur die "tombaroli" verfügen dank ihrer gut betuchten Kunden über genügend Finanzmittel, um wochenlang nach noch unentdeckten und reich bestückten Gräbern zu suchen.