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Graffiti als Mainstream

In dem Film "Exit Through the Gift Shop" wird der moderne Kunsthandel zum Ziel des Spottes von Graffiti-Künstlern. Der international bekannte britische Street-Art-Künstler Banksy hat Regie geführt. Dadurch liegt der Reiz des Werks in der Ungewissheit über Wahrheit und Fälschung.

Von Josef Schnelle |
    Die meisten werden sich nicht mehr an den Film "The Great Rock 'n' Roll Swindle" erinnern, den Julian Temple 1980 drehte. Damals kam die Bezeichnung "mockumentary" auf für eine Dokumentation, die keine ist, eher ein riesengroßer Scherz. Es ging in dem Film damals um die Punk-Band The Sex Pistols und das Lebensgefühl, das sie vermittelte und das in dem Riesengewusel ihres selbstironischen Humors halbwegs verschüttet wurde. Und es war das erste filmische Zeugnis dessen, was man heute noch die Punk-Bewegung nennt. Einen Aufstand gegen die gutbürgerlichen Konventionen mit schlechter Musik voller Misstöne, Provokationen und alle möglichen Angriffe auf den guten Geschmack. Nur damit kann man "Banksy - Exit through the gift shop" vergleichen, den angeblich der Graffiti-Künstler Banksy gedreht hat. Gleich am Anfang erklärt er, was er vorhat.

    "Street Art hat eine kurze Lebensdauer, deshalb war dringend ein Dokumentarfilm nötig."

    Die Stimme ist verzerrt, das Gesicht wird von einer Kapuze verborgen. Banksy ist anonym. Seine Straßenkunst ist illegal, fantasievolle Sachbeschädigung. Von ihm weiß man nur, was man auch durch den Stimmenverzerrer noch hört. Er stammt aus Bristol und hat sich als Graffiti-Künstler überall auf der Welt einen Namen gemacht. Sie kennen den Namen vielleicht nicht aber vielleicht die kleine Ratte auf dem Mauergestein, die ein Anarchologo hochhält oder die knutschenden britischen Bobbys oder das kleine Mädchen, das an einem Haufen Ballons hängt. Alles Banksy, der bis heute seine Identität nicht enthüllt hat. Schließlich wird der gewohnheitsmäßige Wandverschmutzer in aller Welt polizeilich gesucht. Andererseits hat sein legales Management schon große Ausstellungen organisiert. In Bristol kamen 300 000 Menschen. Brad Pitt und andere sollen als fanatische Sammler der Banksy-Originale schon mehrere Hunderttausend Pfund für seine Graffiti ausgegeben haben. Ein Kumpel aus frühen Tagen erzählt, den Vorsprung vor anderen habe Banksy sich verschafft durch seine Idee für die Sprühkunst Schablonen vorzubereiten, mit denen er dann die öffentlichen Wände attackierte und längst wieder weg war, wenn die Polizei die anderen Sprüher erwischte und einsperrte. Inzwischen gibt es auf You-Tube kleine Filmchen vom Besprühen der Mauer in Israel zum Palästinenserstaat mit unerwarteten aufgeklebten Durchblicken und eben jenem Mädchen mit den Luftballons. Banksy ist Kult. Banksy ist Legende. Banksy gibt's vielleicht gar nicht. Diesen Eindruck kann man bekommen, wenn man sieht, wie er mit großem technischen Equipment eine der roten britischen Telefonzellen auseinandernimmt und mit einem künstlichen Knick wieder zusammenschweißt. Eine der prominentesten Skulpturen des Kunst-Anarchisten, der auch die Puppe eines Guantanamo-Häftlings ins Disneyland eingeschmuggelt hat. Diese Aktion ist verbürgt und sorgte 2006 für Schlagzeilen, weswegen man größere Teile dieses Films dann doch als Dokumentation ernst nehmen muss. Völlig dubios ist aber Thierry Guetta alias Mr. Brainwash, ein Franzose mit knappem Hütchen und wild-verwegenem Erzähl-Ton, der anfangs die Geschichten der bekanntesten Street-Art-Künstler nur dokumentieren soll. Zumindest zu Space-Invader, der Figuren aus dem Videospiel an Hauswände klebt, hat er verwandtschaftliche Beziehungen.


    "Thierrys Cousin war Space Invader, einer der großen Mitspieler in der explosiven neuen Bewegung, die bekannt werden würde als Street-Art. Diese neue Generation einer hybrider Art von Graffiti-Kunst benutzt Schablonen und alle möglichen Hilfsmittel, um jede Wand in Kunst zu verwandeln."

    Guetta spürt die bekanntesten Street-Art-Artisten auf wie Shepard Farey, dessen Obama-Porträt "Hope" ihn weltberühmt gemacht hat und schließlich kann er den großen Unbekannten der Szene "Banksy" eben interviewen. Ein Film wird nicht aus seinen Bemühungen, weil ihm Banksy irgendwann die Kamera abnimmt und den Spieß umdreht. Seine Mockumentary erzählt nun vom unaufhaltsamen Aufstieg des Mr. Brainwash, der mit schlechter nachgemachter Kunst ein Vermögen verdient. Nichts ist sicher in dieser wilden verwegenen Satire auf den Kunstbetrieb. Alles ist Schwindel und Banksy selbst vielleicht nur eine große Illusion. Und so gerne man wüsste, wer dahinter steckt, würde man sich doch - wäre alles klar - jeden Spaß verderben. Einen ganz besonderen anarchistischer Filmspaß. Einen großen Rock 'n' Roll Schwindel eben, nur dass nicht die Punk-Musik, sondern der moderne Kunsthandel das Ziel allen Spottes ist.