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Grafikdesigner
Arbeiten bis zur Erschöpfung

Die Zahl der jungen Grafiker, die auf den Arbeitsmarkt strömen, steigt. Doch der Berufseinstieg ist oft kein Zuckerschlecken. In vielen Werbeagenturen ist es üblich, unbezahlte Überstunden zu machen.

Von Meriem Benslim | 25.02.2014
    "Zehn, zwölf Stunden am Tag sind keine Seltenheit. Arbeiten bis spät in die Nacht kommt auch des Öfteren mal vor, gerade wenn es darum geht einen Kunden zu fangen."
    Markus weiß, wie es hinter den Kulissen der glitzernden Werbewelt aussieht. Er arbeitet als Designer in einer großen Werbeagentur und will deshalb nicht mit richtigem Namen genannt werden. Zu groß sei die Gefahr, den Job zu verlieren, wenn er erzählt, unter welchen Bedingungen er arbeitet.
    "Man arbeitet tatsächlich teilweise 80 Stunden und mehr die Woche, das Wochenende mit inbegriffen. Man steckt viel Energie da rein, ist komplett ausgelaugt. Ist am Wochenende auch überhaupt nicht fähig seinem Privatleben nachzugehen, weil man so erschöpft ist."
    Für die vielen Überstunden bekommt Markus keine Bezahlung und auch keine Freizeit. Befristete Verträge sind die Regel. Hinzu kommt ein niedriger Lohn für Uni-Absolventen: Rund 2200 Euro brutto verdient ein Grafikdesigner im Monat. Einen Tarifvertrag gibt es nicht. Viele Grafiker glauben: Wer bis zur Erschöpfung arbeitet, ist ein guter Designer. Deshalb gründen auch nur wenige einen Betriebsrat, erklärt Christof Büttner von der Gewerkschaft Verdi:
    "Anders als in anderen Branchen ist es so, dass es sehr sehr viele Betriebe gibt, wo gar nix passiert, was Vernetzung angeht und mein Eindruck ist es auch, dass viele Betriebe gibt, wo die Beschäftigten untereinander nicht über die Probleme reden, weil es dieses Idealbild des leistungsfähigen Beschäftigten gibt."
    Großer Konkurrenzkampf
    Ungeachtet dessen ist Grafikdesign beliebter denn je. In den letzten zehn Jahren hat sich der Ansturm auf den Studiengang verdoppelt: Über 3600 Studenten haben im vergangenen Jahr das Fach gewählt. Auch Professor Andreas Uebele bildet Grafiker an der Fachhochschule Düsseldorf aus. Er glaubt, dass der Markt immer härter wird, weil es zu viele Absolventen gibt.
    "Da sitzen ganz viele hoch ausgebildete Akademiker auf der Straße. Es gibt halt ein Gros der Studenten, die wir ausbilden, die konkurrieren auf einen Platz in der Werbeagentur, wo sich im Zweifel 80 bewerben."
    Diesen Konkurrenzkampf tragen vor allem die Berufsanfänger untereinander aus. In den hellen weißen Räumen sitzen fast nur junge Menschen vor leuchtenden Hochglanz-Computern. Die Meisten sind unter 35. Auch beim Werberiesen Grey in Düsseldorf. Grey hat weltweit über 10.000 Mitarbeiter und macht einen Jahresumsatz von über einer Milliarde. Gerade in den Top-Agenturen seien Berufseinsteiger willkommenes Futter, meint Design-Professor Uebele:
    "Die werden in den Ofen geschmissen, damit diese Maschine schneller läuft, die müssen viel arbeiten, Tag und Nacht Arbeit, Wochenendarbeit ist eigentlich klar. Da darf man dann auch nicht mucken und sagen, das ist unvereinbar mit meinem Privatleben oder geschweige denn Familie."
    Grey selbst sieht das natürlich ganz anders. Die Mitarbeiter dürften Überstunden auch abfeiern. Schlechte Arbeitsbedingungen seien von gestern, meint Rüdiger Götz, Leiter der Grey-Grafikabteilung in Düsseldorf.
    "Bei Grey oder in meiner Abteilung kann ich die nicht mehr erkennen. Wenngleich man aber fairerweise zugestehen muss, dass das kreative Produkt kein Produkt ist, das nach Plan entsteht, sondern davon lebt, dass man eben selbst entscheiden kann, wie man den Arbeitsprozess unterbricht. Und das hat zur Folge, dass Arbeitszeiten nicht so streng eingehalten werden können."
    Privat- versus Arbeitsleben
    Die offenen Arbeitszeiten können die Kreativität fördern – aber auch dazu führen, dass es kaum noch ein Privatleben gibt, meint Grafiker Markus. Manche seiner Kollegen würden den Arbeitsplatz kaum noch verlassen - aus Angst nicht genug zu leisten.
    "Die haben außerhalb ihrer Arbeit kaum soziale Kontakte. Im letzten Jahr sind bei uns in der Agentur unzählige Beziehungen zerbrochen. Und es geht wirklich darum, dass man in den Agenturen arbeitet, lebt, das ist es."
    Von diesem ungebrochenen Arbeitswillen profitieren vor allem die Chefs. Deshalb sollten Designer endlich anfangen sich zu organisieren, meint Gewerkschafter Christof Büttner.
    "Das muss gar nicht immer sein, dass es Tarifverträge gibt. Sondern es kann auch sein, dass man in Betriebsversammlungen Probleme anspricht. Und in der Regel sind dann die Chefs auch gar nicht so, dass sie das nicht annehmen. Sondern, dass es dann auch zu Verbesserungen kommt."
    Das würde sicher auch der Leistungsfähigkeit der Kreativen guttun. Denn wer zu viel arbeitet kommt irgendwann an seine Grenzen - das merkt auch Designer Markus.
    "Ich weiß dass ich in dieser Branche nicht alt werde, weil ich schon nach zwei Jahren merke, dass es mich körperlich und psychisch fertigmacht."
    Auch Andere ziehen nach ein paar Jahren die Reißleine - und wechseln die Branche. Sollten sich die Arbeitsbedingungen nicht ändern, wird man wohl auch in Zukunft vergeblich nach Grafikern über 35 suchen.