Für den Wirtschaftsminister war es eine bittere Entscheidung. Doch letztlich gab es für Robert Habeck nach den neuerlichen Vorwürfen und offenkundigen Verstößen seines Staatssekretärs Patrick Graichen gegen die eigenen Verhaltensregeln keine Wahl: Der Vizekanzler musste den Architekten der Energiewende und Manager der Energiekrise entlassen.
Dabei hat Habeck lange, letztlich zu lange an Graichen festgehalten. Eigentlich aus durchaus respektablen Motiven: nicht nur, weil die fachliche Expertise des Staatssekretärs unbestritten ist. Und Graichen zugleich auch die notwendige Durchsetzungsstärke für das schwierige Projekt Energiewende mitbrachte, die Habeck wiederum nicht unbedingt auszeichnet.
Habeck versucht sich an menschlichem Politikstil
Aber man darf dem grünen Wirtschafts- und Klimaschutzminister durchaus auch abnehmen, seinen wichtigsten Mann beim ersten Gegenwind nicht gleich opfern zu wollen. Habeck versucht sich an einem anderen, einem menschlicheren Politikstil, der auch Fehler verzeiht. Das mag manchem naiv und weltfremd erscheinen – doch der Grüne wollte die eigenen Grundsätze unbedingt verteidigen, trotz der massiven Vorwürfe gegen Patrick Graichen.
Letztlich war absehbar, dass die letzte Woche veranlasste beamtenrechtliche Prüfung gegenüber dem Staatsekretär neue Ungereimtheiten ans Licht bringen würde. Gerade angesichts der irritierenden verwandtschaftlichen Verflechtungen zwischen Ministerium und Umweltschutzverbänden, die zugleich von Aufträgen der Regierung profitieren. So gesehen kam deshalb die Entlassung Graichens zu spät. Was auf Habeck zurückfallen wird.
Wichtiges Gebäudeenergiegesetz hängt im Parlament fest
Zumal sich jetzt bestätigt hat, dass die vielgepriesenen Compliance-Regeln im Wirtschafts- und Klimaschutzministerium schlicht nicht funktioniert haben. Allen öffentlichen Beteuerungen des Ministers und seiner Pressestelle in den letzten Wochen zum Trotz. Man muss sogar noch einen Schritt weitergehen: Im Falle so enger Familienstrukturen ist Vetternwirtschaft – ob gewollt oder ungewollt – fast schon vorgezeichnet, die deshalb selbst die strengsten Verhaltensvorgaben nicht verhindern können. Es war aber Habeck persönlich, der Graichen trotz des bekannten und offenkundigen Risikos zu seinem Staatsekretär gemacht hat.
Für die dringend notwendige Energiewende verheißt dies alles wenig Gutes, unabhängig davon, wer als neuer Energiestaatssekretär nachfolgen wird. Auch Habeck ist jetzt politisch angeschlagen. Der zentrale Baustein für die angestrebte Klimaneutralität Deutschlands, das enorm wichtige Gebäudeenergiegesetz zum Einbau von klimafreundlichen Heizungen, hängt derweil im Parlament fest. Und droht nun angesichts der deutlich geschwächten Ministeriumsspitze umso mehr, von den unterschiedlichen Fraktionsinteressen der Ampelparteien weiter zerrieben zu werden.