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Grand Départ in NRW
Düsseldorf feiert die Tour de France

Zum ersten Mal seit 30 Jahren beginnt das wichtigste Radrennen der Welt, die Tour de France, in Deutschland. Zur ersten Etappe werden rund eine Million Fans an der Strecke erwartet. Neben all der Vorfreude gibt es aber auch Kritik am Mega-Event.

Von Matthias Friebe |
    Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) steigt am 30.10.2015 in Begleitung der Radsportprofis André Greipel (r-l), Marcel Sieberg und Ruben Zepuntke in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) auf ein Rennrad.
    Peter Sagan von Team Bora bei der Präsentation in Düsseldorf. (dpa/picture alliance/Alexandre Marchi)
    Musik aus dem "Sommernachtstraum" von Felix Mendelssohn Bartholdy im Schlosspark Benrath in Düsseldorf. 10.000 Zuschauer lauschen den Düsseldorfer Philharmonikern beim jährlichen Lichterfest und warten auf das große Höhenfeuerwerk zum Abschluss.
    Die Stimmung ist entspannt. Viele haben Decken und Picknickkörbe dabei und genießen den lauen Sommerabend. In einem speziell abgetrennten Bereich direkt vor dem Schloss sind auch zahlreiche Ehrengäste dabei. Denn Oberbürgermeister Thomas Geisel hat zum großen Empfang anlässlich des Tour-Starts geladen. Auf der Gästeliste: unter anderem Fürst Albert von Monaco. Mit dabei auch Rudolf Scharping, der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer:
    "Das find ich hervorragend, das macht mir richtig Spaß und es ist gut für den Radsport."
    Spürbare Vorfreude
    Am Abend vor dem Start der 104. Ausgabe der Tour de France ist diese Vorfreude auch spürbar unter den vielen Düsseldorfern beim Lichterfest.
    "Ich würd sonst nicht auf die Idee kommen, irgendwo extra hinzufahren. Aber, dass es so direkt um die Ecke ist und ohne großen Aufwand, man da zugucken kann, find ich toll." - "Ja, die starten direkt vor meiner Haustür. Das heißt, ich kann das Fenster aufmachen und direkt live sehen, ohne dass ich irgendwo hinfahren muss."
    Ganz nah konnten sie schon am Donnerstagabend den Fahrern kommen, bei der traditionellen Vorstellung der 22 Mannschaften in der Altstadt.
    Ein Hauch von Pathos
    Ein Hauch von Pathos, das passt dazu, dass sowohl Oberbürgermeister Geisel als auch der Direktor der Tour de France, Christian Prudhomme nicht müde werden zu betonen, dass der Tour-Start am Rhein auch ein Zeichen für die deutsch-französische Freundschaft ist.
    "Guten Tag" begrüßt der Tour-Direktor die Fans.
    "Wir sind glücklich und stolz, hier in Düsseldorf zu sein."
    Stolz ist ein Wort, dass man viel hört in diesen Tagen in Düsseldorf. Es ist auch fester Bestandteil im Tour-Wortschatz des radsportbegeisterten Oberbürgermeisters, für den mit den Grand Départ ein Traum in Erfüllung geht und der vor allem eins will: Werbung für Düsseldorf.
    "Wir sind eine weltoffene Stadt, eine sportbegeisterte Stadt, wir sind eine gastfreundliche Stadt. Wir sind eine Stadt, ich sag mal, wir werden alle anfeuern und danach kräftig feiern."
    Jubel statt Doping-Debatte
    Das ewige Thema Doping im Radsport spielt noch keine Rolle. Zwar ist nur wenige Tage zuvor mit dem Portugiesen Andre Cardoso einer der geplanten Starter positiv getestet worden. Aber: Kein Thema bei der Team-Präsentation. Lauten Jubel gab es da vor allem für Weltmeister Peter Sagan aus der Slowakei, der jetzt für die deutsche Mannschaft BORA-hansgrohe fährt und für Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin. Der 32-Jährige ist auf der ersten nur 14 Kilometer langen Etappe zwischen Rhein, Düsseldorfer Messe und Königsallee einer der großen Favoriten:
    "Das ist eine einmalige Chance für mich. Ich freu mich unheimlich auf das Wochenende und fühle mich sehr gut. Ich bin auf jeden Fall bester Dinge."
    Das Ziel ist das Gelbe Trikot, dass der Führende der Rundfahrt tragen darf, das vielleicht bekannteste Trikot der Welt. Am Ende der drei Wochen über 3.500 Kilometer will Chris Froome aus Großbritannien, es zum vierten Mal in Paris tragen.
    Toll sei es als Titelverteidiger am Start zu sein, er dankte den Fans in Düsseldorf, die für einen würdigen Auftakt sorgten.
    Ein absolutes Muss für Radsport-Fans
    Gelbe Trikots und T-Shirts sieht man viele an diesem Abend in Düsseldorf. Die Identifikation der Fans mit dem Rennen ist riesig. Einer dieser Trikotträger ist Bernd Brendel. Mit Rennrad und Helm auf dem Kopf und einem gelben Jan Ullrich-Leibchen aus den 90er-Jahren, steht er am Burgplatz.
    "Mit dem Rennrad hierhin, so 50-60 Kilometer, um das hier zu sehen."
    Für ihn ein absolutes Muss, ist die Tour doch mehr als nur Sport.
    "Eigentlich ist die Tour mehr ein Medienspektakel für die Allgemeinheit, aber das ist in Deutschland noch nicht so angekommen."
    Das Spektakel lässt sich sehr gut daran erkennen, dass direkt neben Brendel eine lange Schlange am offiziellen Marketingstand der Tour versucht, Souvenirs zu ergattern. Vom Schlüsselanhänger, über dem in Bergtrikot-Optik gehaltenen Baby-Strampler, weiß mit roten Punkten, bis hin zum Original Gelben Trikot für 95 Euro. Hier gibt es ein Stück Tour zum Mitnehmen oder man macht es wie Stephan Lichtumer.
    "Endlich, dass es losgeht. Die ganzen Vorbereitungen und jetzt sieht man endlich mal, wie es in der Wirklichkeit ist."
    Lichthumer gehört zu über 2000 sogenannten "Tour-Makern", wie die freiwilligen Helfer beim Tour-Start genannt werden.
    "Ist einmalig im Leben, das werd' ich wahrscheinlich nicht mehr erleben in Düsseldorf. Ja, von Anfang dabei, macht eigentlich nur Spaß."
    An diesen Tagen wird er sich vor allem um Straßensperrungen in der Innenstadt kümmern und so für die Sicherheit der rund 1 Mio. Zuschauer sorgen, die zum Start an die Strecke kommen wollen.
    "Ob es sich für Düsseldorf gelohnt hat, weiß ich nicht. Für mich auf jeden Fall. Das muss man ja auch finanziell stemmen und das ist nicht jedermanns Sache."
    Pro und Contra
    Diskutiert wurde in den vergangenen anderthalb Jahren leidenschaftlich in Düsseldorf über Sinn oder Unsinn des Tour-Starts.
    "Ganz Düsseldorf wird auf die Zahlen gucken, wenn wir nämlich abrechnen, was das Ganze Spektakel gekostet hat."
    Sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der Düsseldorfer FDP. Sie hat immer wieder mit ihrer Fraktion gegen den Tour-Start gestimmt und zu Transparenz aufgefordert. Aktuelle Zahlen gehen von 13 Millionen Euro Kosten für die Stadt aus. Acht Millionen wurden bisher durch Sponsoren wieder eingespielt. Aber auch das will die FDP-Politikerin nicht gelten lassen:
    "Wenn Sie sehen, wer hier die Werbung bezahlt. Das sind: die Messe Düsseldorf, die Abfallwirtschaft, die Rheinbahn, der Flughafen, die Stadtwerke. Das sind alles städtische Tochterunternehmen oder Anteile, die das übernehmen."
    Am Ende, so ihre Befürchtung wird durch die vielen Sponsorengelder der Töchterunternehmen der Stadt die Summe für den Steuerzahler noch größer.
    "Geld in die Hand zu nehmen für etwas, dass am Montagmorgen in der Welt zerstäubt ist, das ist einfach kurzsichtig und ist nur der Eitelkeit von Herrn Geisel und Herrn Prudhomme geschuldet."
    50 Millionen Werbewert erwartet
    Es ist die große Frage, wie groß der Werbewert für die Stadt ist, bis zu 50 Millionen Euro erhofft man sich. Fakt ist, das Hotel- und Gaststättengewerbe wird vom Tour-Start auf jeden Fall profitieren. Genaue Zahlen über Kosten und Einnahmen des Grand Départs liegen vermutlich erst in anderthalb bis zwei Jahren vor. Den meisten beim Lichterfest am Vorabend ist das ohnehin egal:
    "Ist ja nicht jedes Jahr, sondern vielleicht alle 50 Jahre einmal und dann kann man sich das leisten." – "Ich denke, Düsseldorf ist schuldenfrei und dann kann man auch ruhig mal Geld aufnehmen."
    Jetzt werden erst einmal die Zeiten beim Auftakt-Einzelzeitfahren gerechnet.
    Am Sonntag ist alles vorbei
    Wenn der erste Träger des Gelben Trikots bekannt ist, gibt die Düsseldorfer Kult-Elektro-Band Kraftwerk ein Sonderkonzert. Zweimal sind dann die Fahrer am Sonntag noch in der Altstadt zu sehen, um 12 Uhr beim Start und eine Stunde später nach einer Schleife durchs Neandertal. Dann aber ist das Spektakel vorbei, die Tour bewegt sich über Aachen nach Lüttich und am Montag dann nach Frankreich.