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Graphic Novel "Joe Shuster"
Wie Superman in die Welt kam

Als vor 80 Jahren die erste "Superman"-Geschichte gedruckt wurde, ahnte noch keiner, dass damit auch ein ganzes Superhelden-Genre begründet wurde. Wesentlichen Anteil daran hatten die US-Zeichner Joe Shuster und Jerry Siegel. Ihrer Lebensgeschichte ist eine neue Graphic Novel gewidmet.

Von Andrea Heinze |
    Als Deutschland 1939 in Polen einmarschierte und damit den Zweiten Weltkrieg vom Zaun riss, reagierte Superman in den amerikanischen Comicheften prompt: Er schnappte sich Hitler, nahm gleich auch noch Stalin mit und flog mit den beiden nach Genf, damit sie sich vor dem Völkerbund verantworten. So beschreibt es Julian Voloj in seiner Graphic Novel "Joe Shuster". Die Erfolgsgeschichte von Superman ist eng verknüpft mit dem Nationalsozialismus, meint der Comicautor. Der erste Superman erschien in dem Jahr, als die Reichskristallnacht war.
    Julian Voloj: "Die Verleger waren jüdisch, die Künstler waren jüdisch - am Anfang wurde versucht, Superman apolitisch zu lassen. Trotzdem gab es recht früh Angriffe aus Deutschland, die ich auch zitiere. Eine SS-Zeitung schrieb, dass es jüdische Propaganda wäre. Es ist interessant zu wissen, dass die ganze Generation der Pioniere der Comic-Kunst meistens Eltern hatten, die in Osteuropa geboren wurden und als jüdische Emigranten nach Amerika kamen. Und viele hatten auch Verwandte, von denen man nicht wusste, was deren Schicksal war."
    Kombination aus popkulturellen Einflüssen
    Joe Shuster und Jerry Siegel, die beiden Erfinder von Superman, lernen sich schon in der Schule kennen. Zwei Einwandererkinder, deren Schicksal davon abhängt, wie gut ihre Väter im Geschäft sind - und das geht auf und vor allem ab. Davon erzählt Julian Voloj in der Graphic Novel und lässt die beiden Jungs jeden Schlag artig parieren und dabei stets wohlerzogen wirken. Wie konnten solche braven Jungs bloß einen solchen Mythos wie Superman schaffen?
    Julian Voloj: "Das zeige ich, dass Superman so eine Kombination ist aus all diesen Popkultursachen, die denen selber gefallen haben. Da hast Du zum Beispiel die geheime Identität von Zorro, der damals ein bekannter Spielfilm war, dann die Science-Fiction-Hefte, diese Pulp-Hefte. Du hast da den Moses-Mythos, den sie wahrscheinlich aus der hebräischen Schule haben. Aus all diesen Sachen haben die halt etwas Neues geschaffen. Die Aber selbst für sie ist es ein Überraschungserfolg. Niemand hatte gedacht, dass es so viele Leute ansprechen würde."
    Julian Voloj hat so viele Details der amerikanischen Comicgeschichte recherchiert, dass ihm eine fundierte Graphic Novel über die Anfänge von Superhelden und der amerikanischen Comicindustrie gelingt. Das ist so interessant, dass es über die eher langatmige Vorgeschichte von Shuster und Siegel als Musterknaben hinwegtröstet. Außerdem malt Comiczeichner Thomas Campi die Geschichte in wunderschönen Bildern, die wirken, als hätte Edward Hopper eine heile Welt gemalt.
    Julian Voloj: "Es hat so etwas, was wir 'Americana' nennen. Es hat dieses sehr Amerikanische. Aber Campi benutzt den Hopper-Stil und verbindet sie mit amerikanischer Popart. Es ist verträumt malerisch aber andererseits auch die sehr amerikanische Gründerzeit des Comics."
    Bisher unbekannte Shuster-Briefe als Quelle
    Der ist allerdings bei weitem nicht so heil, wie es der American Dream verspricht. Denn Superman kommt zwar groß raus - das große Geld machen damit aber nicht Shuster und Siegel, sondern die Comicindustrie, denen sie alle Rechte abgetreten haben. Als die beiden dagegen klagen, verlieren sie ihre Jobs und verarmen.
    Aber warum ist das Buch allein nach Joe Shuster benannt? Weil Julian Voloj für seine Recherche eine Reihe von bislang unbekannten Shuster-Briefen lesen konnte, die Shuster viel plastischer werden ließen.
    Julian Voloj: "Zum Beispiel erfuhr ich durch die Briefe, dass er Ende der 60er zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder in einer zwei Zimmer Wohnung in Queens lebte - und er schreibt einerseits, ihm drohe eine Räumungsklage und der Grund dafür waren die hohen Arztrechnungen, weil die Mutter erkrankte und kurz vor Thanksgiving starb. Das andere was auch interessant ist, dass er Linkshänder war. Das sind so Kleinigkeiten. Als wir anfingen, hat Thomas ihn als Rechtshänder dargestellt - und dann erfuhr ich, das er Linkshänder ist, was natürlich alles komplizierter machte."
    Damit bietet die Graphic Novel "Joe Shuster" also selbst für die eingefleischte Superman-Fans Neues.
    Julian Voloj, Thomas Campi: "Joe Shuster: Der Vater der Superhelden"
    Carlsen Verlag Hamburg, 2018. 176 Seiten, 19,99 Euro.