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Greenpeace: Russische Enterung war "ein eindeutig illegaler Akt"

Russische Sicherheitskräfte haben in der Arktis ein Schiff mit Greenpeace-Aktivisten gestürmt, die gegen den Abbau von Ölvorkommen und die damit verbundenen Gefahren für die Umwelt protestiert haben. Das Schiff habe sich in internationalen Gewässern befunden, so Greenpeace, die Festsetzung sei daher illegal gewesen.

Jörg Feddern im Gespräch mit Georg Ehring |
    Georg Ehring: In der Arktis ist die Förderung von Öl ein besonders sensibles Geschäft für die Umwelt. Biologische Prozesse laufen dort langsamer, nach einem Unfall dauert es viel länger, bis sich die Natur wieder erholt. Bei der Exxon Valdez haben wir das vor 24 Jahren in Alaska erlebt. Auch Russland fördert Öl in der Arktis und Greenpeace hat zum Protest dagegen sein Schiff Arctic Sunrise in die Petschorasee, ein Randmeer der Barentssee, geschickt. Doch das wurde von der Küstenwache geentert. – Jörg Feddern von Greenpeace. Wo hat sich denn der Vorfall zugetragen und was ist mit der Besatzung passiert?

    Jörg Feddern: Der Vorfall hat sich etwa zugetragen 60 Kilometer vor der Küste Russlands in den arktischen Gewässern, also in internationalen Gewässern, und unser Schiff war in der Nähe der Ölplattform Priraslomnaja, die in den nächsten Monaten mit der Ölförderung beginnen soll, und wir haben dort friedlich gegen diese Aufnahme der Ölförderung protestiert, als der russische Innengeheimdienst mit etwa 18 Soldaten unser Schiff geentert hat, illegalerweise nach unserer Rechtsauffassung, und hat die Mannschaft festgesetzt. Diese Mannschaft, mit der wir zurzeit keinen Kontakt haben, sitzt quasi an Bord fest und wir wissen nicht, was genau passiert.

    Ehring: Wenn das in internationalen Gewässern passiert ist, wie verhält sich denn dann die Regierung, bei der das Schiff zugelassen ist?

    Feddern: Es ist so: Das Schiff läuft unter der niederländischen Flagge und wir waren schon vor einigen Wochen dort oben tätig und haben gegen seismische Untersuchungen von russischen Ölkonzernen protestiert. Uns wurde unter Waffengewalt angedroht, dieses Gebiet, eben auch internationale Gewässer, zu verlassen, und die holländische Regierung hat dagegen eine Protestnote beim russischen Außenministerium eingereicht. Auch in diesem Falle ist es so, dass die holländische Regierung natürlich aktiv werden wird, hinsichtlich dessen, was da passiert, weil das Schiff unter niederländischer Flagge läuft, es hat eine internationale Besatzung, und es ist tatsächlich illegal, was gerade dort draußen auf der hohen See passiert.

    Ehring: Wie versuchen Sie, die Aktivisten wieder frei zu bekommen?

    Feddern: Das geht nur durch Verhandlungen und auch natürlich durch Proteste weltweit. Allein in 18 europäischen Ländern stehen Greenpeace-Aktivisten vor den russischen Botschaften und fordern die russische Regierung auf, unsere Aktivisten und das Schiff wieder freizugeben. Hinter den Kulissen muss es natürlich diplomatische Verhandlungen geben und auch einen diplomatischen politischen Druck, dass dieses Schiff wieder freigegeben wird, weil ich möchte es noch mal betonen: Der Einsatz der Kräfte gestern ist ein eindeutiger illegaler Akt gewesen.

    Ehring: In Deutschland sind Sie auch aktiv in dem Sinne?

    Feddern: In Deutschland stehen wir vor der russischen Botschaft in Berlin seit heute Morgen und auch dort fordern wir natürlich von der russischen Regierung erstens, die Besatzung freizugeben, und zweitens, die Pläne, Öl aus der Arktis zu bergen, abzubergen, einzustellen, weil es ein extrem hohes Risiko gibt, dass es dort zu Unfällen kommt, und die einmalige Landschaft durch das Öl für lange, lange Zeit zerstört werden könnte.

    Ehring: Wie groß ist denn die Öl- und Gasförderung in der Arktis durch Russland?

    Feddern: Es ist alles noch, sagen wir es mal vorsichtig, in den Kinderschuhen in den arktischen Meeren. Diese Priraslomnaja-Plattform wäre die erste, die tatsächlich arktisches Öl aus dem Meeresboden hochfördern würde. Es gibt aber Pläne, diese Ölförderung und auch Gasförderung massiv nach vorne zu treiben. Dort sind auch westliche Konzerne wie Exxon, hier bekannt als Esso, Shell und ähnliche, Statoil, alle großen Konzerne sind dabei, in die russische Arktis, aber auch in die anderen arktischen Gebiete vorzudringen, weil dort bis zu 90 Milliarden Barrel Öl vermutet werden. Das entspricht, wenn man diese Menge komplett abbergen würde, einem dreijährigen Weltjahresverbrauch an Öl.

    Ehring: Sind Umweltschäden dort schon eingetreten, oder was befürchten Sie?

    Feddern: Es ist so, dass – Sie erwähnten das in der Anmoderation – die Exxon Valdez ein sehr, sehr gutes Beispiel ist. Vor etwa knapp 25 Jahren ist dieser Tanker auf Grund gelaufen, hat 40.000 Tonnen Öl verloren, und die Umwelt, die betroffene Umwelt hat sich noch heute nicht von diesen Schäden komplett wieder erholt. Man findet sogar noch an manchen Stellen das Öl dieser Exxon Valdez im Boden, weil die Abbauprozesse in diesen Regionen sehr, sehr langwierig sind. Hinzu kommt, dass die arktischen Bedingungen, sprich die Wetterbedingungen in dieser Region sehr, sehr anspruchsvoll sind, sagen wir es mal so, und die technische Herausforderung, dort nach Öl oder Gas zu bohren, aus unserer Sicht nicht risikofrei ablaufen kann. Deswegen fordert Greenpeace, dass die Arktis für die Öl- und Gasindustrie gesperrt bleiben muss.

    Ehring: Jörg Feddern von Greenpeace – herzlichen Dank.

    Feddern: Gerne.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.