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Gregor Johann Mendel
Der Vater der Genetik

Schon seit Generationen gehören die Mendelschen Gesetze zum Lehrplan von Schulen auf der ganzen Welt. Die Schüler lernen das auswendig, was der Augustinermönch Gregor Johann Mendel in jahrelangen Züchtungsexperimenten mit Erbsenpflanzen herausgefunden hat. Vor 150 Jahren stellte er seine Ergebnisse erstmals der Öffentlichkeit vor.

Von Michael Lange |
    DNA-Stränge aus Pflanzenblättern (Zeichnung)
    Gregor Johann Mendel hatte die zählbaren Einheiten der Vererbung entdeckt, die später als Gene bezeichnet wurden. (imago / Science Photo Library)
    Hinter den Klostermauern einer Abtei, nicht weit vom Zentrum der Industriestadt Brünn im damaligen Mähren, befand sich in den 1860er Jahren ein Gemüsegarten. Dort züchtete der Augustiner-Mönch Gregor Johann Mendel Erbsen mit unterschiedlichen Blütenfarben. Er kreuzte verschiedene Sorten und entdeckte dabei grundlegende Gesetze der biologischen Vererbung.
    Am 8. Februar 1865 stellte Mendel seine Ergebnisse beim Naturforschenden Verein zu Brünn vor. Vielen Anwesenden war der Mönch bereits bekannt, als Lehrer für Naturwissenschaften am Gymnasium der Abtei.
    "Wir wissen, dass mehr als 60 Personen zuhörten, als Mendel seine Ergebnisse vortrug - und die Zeitungen in Brünn berichteten darüber. "
    Er studierte bei Physiker Christian Doppler
    Ondřej Dostál leitet das Mendel-Museum in einem Seitenflügel der Augustinerabtei, mitten in Brno, dem damaligen Brünn - einer tschechischen Industrie- und Universitätsstadt auf halber Strecke zwischen Prag und Wien.
    "Mendel ging als junger Augustiner-Mönch zum Studium nach Wien, weil er unter Prüfungsangst litt und beim Examen für den Lehrerberuf durchgefallen war. Für Mendel erfüllte sich ein Traum. Er studierte bei dem renommierten Physiker Christian Doppler, damit er in Brünn Lehrer werden durfte. "
    Gregor Johann Mendel erlernte in Wien die Methoden der Physik seiner Zeit, und er übertrug sie später auf die Botanik. Etwa zehn Jahre lang kreuzte er verschiedene Sorten der Erbse "Pisum sativum", die er im Klostergarten vor seinem Zimmer züchtete.
    Der Garten der Abtei ist in Brno hinter den Klostermauern zu besichtigen. Von dem damaligen Gewächshaus sind nur die Grundmauern geblieben. Dort steht nun ein lebensgroßes Mendel-Denkmal.
    Schlüsse aus Experimenten ziehen
    Nachdem sie 1945 vertrieben wurden, sind die Augustiner nach dem Ende des Sozialismus ins Kloster zurückgekehrt.
    "Mendel hatte im Physikstudium gelernt, wie man aus Experimenten Schlüsse zieht und wie man Experimente statistisch auswertet. Dabei ging er äußerst systematisch vor."
    Mendel fand heraus: Wenn er weißblühende mit rotblühenden Erbsen kreuzte, dann waren alle Pflanzen der nächsten Generation rotblühend. Das ist die erste Mendelsche Regel - die Uniformitätsregel. Dann kreuzte er die Pflanzen erneut, und die bereits verschwundenen weißen Blüten tauchten wieder auf - bei einem Viertel der Pflanzen. Das besagt die zweite Mendelsche Regel, die Spaltungsregel.
    Grundlagen der Genetik
    Gregor Johann Mendel hatte die zählbaren Einheiten der Vererbung entdeckt, die später als Gene bezeichnet wurden. So revolutionierte er, ohne es zu wollen, die Naturkunde, erklärt der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer aus Heidelberg.
    "Er hat nämlich die Statistik sozusagen auf den Kopf gestellt. Die Botaniker haben früher immer eine Pflanze genommen und an dieser einen Pflanze möglichst viele Eigenschaften gemessen oder gezählt. Und Mendel dreht das herum. Er nimmt viele Pflanzen und zählt an denen eine Eigenschaft. Also zum Beispiel die Farbe der Blätter, die Blattform, die Höhe der Stängel. Und indem er immer diese einzelne Eigenschaft beobachtet und die bei vielen beobachtet, dann kann er so etwas wie eine Statistik machen. "
    Elemente der biologischen Vererbung
    Mendel machte lebendige Vorgänge messbar und zählbar. So entdeckte er die Elemente der biologischen Vererbung. Deshalb gilt der Mönch aus Brünn gemeinsam mit seinem Zeitgenossen Charles Darwin als Gründer der modernen Biologie. Mit Darwins Evolutionslehre hatte Mendel allerdings nichts im Sinn. Sie passte nicht in sein religiöses Weltbild.
    "Mendel hat gesagt, dass alle Pflanzen die Tendenz haben zur Stammform zurückzukehren. Was Mendel zeigen wollte ist, dass es keine Evolution gibt, sondern dass die Pflanzen von Gott ewig in derselben Form geschaffen sind. Und falls einmal Abweichungen auftauchen, kehren sie zur Stammform zurück."
    Zu Lebzeiten fanden Mendels Erkenntnisse kaum Beachtung. Die Fachwelt hielt sie für einen Sonderfall, der nur bei Erbsen auftritt, ohne allgemeine Bedeutung. Erst 35 Jahre später wurden seine Arbeiten aufgegriffen, und der Mönch aus Brünn wurde posthum zum Vater der Genetik erklärt.