Er bezeichnete sich als "Neukünstler", der alles Vergangene und Hergebrachte hinter sich lassen wollte: Egon Schiele, der geniale Künstler der Wiener Moderne, revolutionierte die Darstellung des menschlichen Körpers. Knochige Leiber, extrem verdrehte Gliedmaßen, grimassierende Gesichter sind Markenzeichen seiner Kunst.
Aber Schieles Bilder waren zu Beginn des vorigen Jahrhunderts auch heftig umstritten. Denn seine bevorzugten Modelle waren blutjunge Mädchen, die er nackt und in exaltierten Posen porträtierte. Der berühmte Künstler der Wiener Moderne hatte ein kurzes Leben - 1890 in Tulln an der Donau geboren, verstarb er am 31. Oktober 1918 in Wien an der damals nach dem Ersten Weltkrieg grassierenden Spanischen Grippe.
Gedacht wird also in diesem Jahr des 100. Todestages dieses so eigenwilligen wie genialen Künstlers. Der Journalist und Publizist Gregor Mayer hat aus diesem Anlass eine Biografie vorgelegt mit dem Titel "Ich ewiges Kind. Das Leben des Egon Schiele".
Historischer Kontext ausschlaggebend
Es wäre zwar nicht notwendig gewesen, dass Mayer die dem Maler 1912 vorgeworfene Missbrauchsgeschichte eines jungen Aktmodells gleich an den Anfang seines Buches stellt, meint Stefan Koldehoff. Aber es sei nicht von der Hand zu weisen, dass Egon Schiele mit seinen Porträts von nackten Modellen, die zum Teil noch im Kindesalter gewesen wären, eine rote Linie überschritten hatte.
Auch wenn Mayers Buch gut lesbar sei, so Koldehoff, eine Biografie zu Werk und Leben des Künstlers hätte er nicht vorgelegt. Dafür fehle u.a. das kunstwissenschaftliche Fundament. Koldehoff plädiert in heutiger Zeit für einen entspannten im Umgang mit Egon Schieles Akt-Bildern. Diese wie andere ähnliche Darstellungen sollten in ihrem geschichtlichen Kontext gesehen werden.
Gregor Meyer: "Ich ewiges Kind. Das Leben des Egon Schiele"
Residenz Verlag, Wien 2018, 208 Seiten, 22 Euro
Residenz Verlag, Wien 2018, 208 Seiten, 22 Euro