Eine Fotografie aus Afrika, preisgekrönt mit dem World Press Photo Award 2007. Ein Berggorilla, erschossen, mitten im Virunga-Nationalpark im Osten Kongos. Ein gutes Dutzend Männer haben ihn auf eine Bahre aus Baumstämmen gelegt und tragen ihn aus dem Urwald heraus. Sie wirken klein gegen dieses riesige Tier.
"Das war nicht inszeniert, sondern das haben die Menschen aus der Region selbst gemacht. Haben die rausgetragen auf Bahren. Wie tote Menschen. Und haben dann die Augen und die Genitalien mit Blättern abgedeckt so wie sie es mit den eigenen Toten auch tun. Da hat man auch gemerkt, welche enorme Bindung die Menschen an diese Tiere da haben."
Hinter dem Gorilla-Attentat steckte eine lokale Holzkohlemafia, vermutet Christof Schenck von der Zoologischen Gesellschaft in Frankfurt am Main. Seine Partner, die Ranger des Nationalparks hatten sich mit der Holzkohlemafia angelegt, weil sie den Baumbestand im Park schützen wollten. Offenbar entschieden sich die Mafiabosse daraufhin, einige Berggorillas abzuschießen. Das Bild vom toten Gorilla wurde zum Symbol: Für die Zerstörung der Natur, für Krieg und Gewalt, und das große Geschäft mit Holz, Öl, Diamanten, Zinn und Coltan.
Im östlichen Kongo leben die meisten Menschen in Armut und Anarchie. Im vergangenen Jahrzehnt haben mehrere Millionen Menschen in bewaffneten Konflikten ihr Leben verloren. Es mangelt an Nahrungsmitteln, Infrastruktur und medizinischer Versorgung. Geld für Waffen ist indes im Überfluss vorhanden, denn sie werden direkt durch den Verkauf von Bodenschätzen finanziert. Christof Schenck:
"Was wir da jetzt sehen ist, dass es so ein selbstverstärkendes System ist: Sie haben da ein paar solche Minen unter ihrer Obhut, mit den Bodenschätzen bekommen sie Geld, mit dem Geld können sie Waffen kaufen. Mit den Waffen können sie vorrücken und weitere Minen bekommen. Und so funktioniert dieses ganze System. Also die Bodenschätze spielen in diesen Konflikten eine ganz, ganz große Rolle."
Afrikas Reichtum ist längst zum Fluch geworden: Er kommt der Bevölkerung kaum zugute, sondern sorgt vielmehr dafür, dass die Kriege jahrzehntelang andauern. Mit dem Slogan "Kein Blut auf meinem Handy" machte etwa eine belgische Kampagne darauf aufmerksam, dass das seltene Erz Coltan aus Bürgerkriegsgebieten im Kongo importiert und für den Bau von kleinen elektronischen Geräten benutzt wird. Tatsächlich kommen zahlreiche Studien zu dem Schluss, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang gibt zwischen dem Krieg im Kongo und dem weltweiten Handy-, Digitalkamera- und Spielekonsolen-Boom. Schenck:
"Und das ganze hängt mit uns als Verbrauchern in der westlichen Welt zusammen. Wenn wir akzeptieren, dass billiges Kriegscoltan zum Beispiel auf den Weltmarkt kommt. Und in unseren Handys, Autos und Digitalkameras verbaut wird: Dann haben wir einen Einfluss. Wenn wir das ablehnen und sagen, das wollen wir nicht mehr so, dann wird sich auch in der Region etwas ändern."
Die großen Handy- und IT-Firmen wie Vodafone, Motorola, Intel oder Nokia verlangen zwar seit Jahren von Ihren Lieferanten, dass das Tantal, das sie liefern, sauber ist. Aber wirklich kontrollieren können sie die Zusagen, die man ihnen gibt, nicht.
"Wenn man heute fragt, was muss sich ändern? La volonté muss sich ändern. Die Leute, die oben sind, müssen sich ändern, die die Macht haben, müssen sich ändern. Die Firmen, die das ausbeuten, sind bekannt. Die Regierungen, die das machen, sind bekannt."
David Kapuya stammt aus dem Kongo, lebt schon länger in Deutschland und Frankreich und ist für die Hilfsorganisation "Dialog International" tätig.
"Es ist möglich, ein Embargo durchzuführen aber der Wille ist nicht da. Es gibt auch ein Recht der Regierung im Kongo, die Rohstoffe zu verkaufen - aber wenn es nicht zugute kommt, demjenigen, den man den Inhaber nennt. Wer ist der Inhaber von Coltan? Wer ist der Inhaber von diesen Rohstoffen? Der Inhaber ist die Bevölkerung! Aber wenn er nichts bekommt, dann ist was faul in dem ganzen System. Dann muss alles gestoppt werden, wenn man gerecht bleiben möchte."
Doch längst nicht alle Experten und Hilfsorganisationen sprechen sich für ein Handelsverbot von Coltan aus dem Kongo aus. Immerhin sind heute im Kongo ein bis zwei Million Menschen im Kleinbergbau beschäftigt, zehn mal so viele Menschen hängen von diesen Einkünften ab. Schenck:
"Die Ausbeutung der Bodenschätze ist ja nicht grundsätzlich etwas Schlechtes. Man kann das ja auch umweltverträglich gestalten. Man kann bestimmte Regionen ausweisen. Man kann Standards setzen, so dass das für die Menschen eine gute Einnahmequelle ist. Das Problem ist immer, wenn das alles nicht erfolgt. Und das ist in der Tat der Fall im Kongo."
Auf dem Gelände der Firma H.C. Starck am Stadtrand der niedersächsischen Stadt Goslar fährt ein Gabelstapler mit blauen, fassgroßen Behältern durch ein Tor in eine große, nur schwach beleuchtete Betriebshalle. Hier wird Coltan verarbeitet: ein seltenes Erz, das die beiden Metalle Tantal und Niob enthält. Offiziell wird es nur an wenigen Orten in der Welt gefördert, vor allem in Australien und Brasilien. Der größte Anteil der Weltproduktion aber stammt aus dem Kleinbergbau im Kongo. Bei der Anlieferung in der Betriebshalle von H.C. Starck lässt sich dem Material nicht ansehen, woher es stammt: anthrazitfarbene Gesteinsbrocken, die sogleich zermahlen werden, in einer schallgedämpften Kammer, aus der trotzdem noch einiger Lärm nach außen dringt.
"Das sind zwei Schwingmühlen, die das Tantalerz in trockenem Zustand heruntermahlen auf eine Feinheit von 60 Mikrometer. Also Staub von einer sandartigen Konsistenz auf eine staubfeine Konsistenz."
Der Metallurgie-Experte Christian Cymorek kippt den Metall-Staub anschließend in eine besonders aggressive Flüssigkeit: Flusssäure. Sie trennt das Tantal von den anderen Bestandteilen ab. Am Ende bleibt dann ein weißes Pulver übrig: 98-prozentiges Tantal. Cymorek:
"Die Kunst ist letztlich, von den paar Gramm pro Tonne, die erst mal im Gestein, im Erz vorhanden sind, da auf die reine Form des Metalls zu kommen. Und das mit möglichst wenig Aufwand."
H.C. Stark gehört zu den wenigen Chemiefirmen weltweit, die die aufwändige Abtrennung und Verarbeitung von Tantal beherrschen, einem Material, das wichtig ist als Zugabe für besonders harte Stähle, wie sie in Raketen, Kernreaktoren oder Turbinenschaufeln zum Einsatz kommen. Der größte Markt aber sind winzige Kondensatoren. Elektronische Bauteile also, die elektrische Ladungen speichern können. Tantal-Kondensatoren sind besonders klein, zuverlässig und hitzebeständig.
"Sie können die kleinsten Kondensatoren mit einer sehr hohen Leistung daraus machen."
Christoph Schnitter perfektioniert in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei H.C. Starck die Herstellung der Pulver für die Tantal-Kondensatoren.
"Wenn Sie sich vorstellen, dass diese kleinen Kondensatoren nur einige Milligramm Pulver enthalten, dann sind da nur einige zehn Tantalkörner drin, auf der anderen Seite muss aber definiert dieselbe Masse drin sein, sonst hätten sie unterschiedliche Kapazitäten in den Bauteilen."
Mit einem speziellen chemisch-physikalischen Prozess wird das Pulver zu mikroskopischen Schwämmen aus Metall verschmolzen und verformt. Auf der großen Tantal-Schwamm-Oberfläche lassen sich besonders viele elektrische Ladungen speichern. Und genau dieser Umstand macht die Tantal-Kondensatoren so attraktiv für die Elektronikindustrie. Schnitter:
"Sprich: immer die neueste Generation von Mobiltelefon, Laptops und so weiter. Das ist auch da, wo die Tantal-Kondensatoren zum Einsatz kommen. Also PDAs und MP3-Player und solche Sachen."
H.C. Stark ist weltweit bekannt für die besondere Qualität seiner speziellen Metallpulver. Im Jahr 2000 aber gab es negative Schlagzeilen: In einem Zwischenbericht der Vereinten Nationen wurde der Firma vorgeworfen, Tantal aus Krisenregionen im Kongo bezogen zu haben. Der Imageschaden für die Firma war immens. Menschenrechtsgruppen haben seither immer wieder die Verstrickungen des Unternehmens in Afrika angeprangert. Nach den Vorwürfen arbeitete H.C. Starck mit dem UN-Gremium zusammen, und in der Abschlusspublikation wurde das Unternehmen nur noch unter den "geklärten Fällen" aufgeführt. Seit den Prüfungen habe seine Firma kein Tantal mehr aus Afrika bezogen, sagt Unternehmenssprecher Manfred Bütefisch.
"Wir haben das mit Händlern gemacht, mit denen wir langjährige Erfahrungen gehabt haben und die uns als zuverlässig erschienen. Wir sind dann, in Zusammenarbeit mit dem Panel, und mit der Aufarbeitung dazu gekommen und haben festgestellt, dass der eine oder andere Händler in Bezug auf die Herkunft, die er uns bescheinigt hat, nicht die Wahrheit gesagt hat. Und wir haben dann sehr schnell gesehen, dass wir angesichts des andauernden Krieges in Ostafrika und der DRC, dass das keine verlässlichen Partner sind. Und dass wir dort kein Material kaufen können."
Das Goslarer Unternehmen würde sofort wieder Material aus Afrika beziehen, wenn es einen Weg gäbe, saubere Lieferungen von Blutcoltan zu unterscheiden. In jüngster Zeit arbeiten Hilfsorganisationen und Politiker, aber auch Geoforscher und Wirtschaftsvertreter in diese Richtung. Mit neuen Transparenz-Initiativen, Herkunfts-Zertifikaten und speziellen Messverfahren soll prüfbar werden, woher bestimmte Rohstofflieferungen stammen.
"Hier, das sind Coltan-Körner aus dem Kongo. Die werden eingebettet und anpoliert, dass das eine ganz ebene Oberfläche kriegt."
An der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover hat der Geologe Frank Melcher eine Coltan-Sammlung angelegt: Kleine durchsichtige Döschen und Plastikhüllen mit Gesteinsproben, die er auf seinem Arbeitstisch hin und her sortiert. Daneben legt er farbige Ausdrucke, die von Elektronenmikroskop-Aufnahmen stammen: Stark vergrößerte Bilder, die ein wenig an bunte Terrazzo-Böden erinnern.
"Man sieht hier schon auf den ersten Blick, wenn man jetzt Coltanproben unterschiedlicher Provenienz vergleicht: Das ist eine Probe aus Ruanda – gegen diese aus Australien. Die Farbverteilung ist eine ganz andere. Hier ist viel mehr Tantal-Mineral drin, diese fleischfarbenen hier. Relativ wenig von den roten, diese fehlen hier komplett. Also es ist schon eine ganz unterschiedliche Mineralogie."
Frank Melcher führt seine Gesteinsproben gern vor. Mit jugendlichem Elan erzählt er ausführlich von den verschiedenen Gesteinsvorkommen in Afrika, von der positiven Resonanz, die er auf seine Publikationen und Fachvorträge erhält, und von chemischen Messverfahren, mit denen er die Herkunft umstrittener Erze zweifelsfrei nachweisen kann.
"Ich sag ihm, er soll jetzt feuern. Wenn ich den Shutter jetzt öffnen, sehen wir wie der Brennfleck auf der Probe zu arbeiten beginnt."
Im Brennpunkt eines Laserstrahls verdampft ein wenig Erz und wandert in ein sogenanntes Massenspektrometer. Melchers Kollege Hennjes Kunst wird so das Alter der Probe bestimmen. In einem Nachbarlabor: Eine Elektronenstrahl-Mikrosonde:
"Jetzt wird die Schleusenkammer evakuiert. Und wenn das Vakuum in der Schleusenkammer gut genug ist, dann kann ich das Tor zur Probenkammer öffnen und den Schliff rausziehen."
Ein raumfüllendes, mikroskopartiges Gerät, in das Jerzy Lodziak flach geschliffene Coltanproben einführt.
"Jetzt wird die Schleusenkammer belüftet. Dann öffne ich die Schleusenkammer und kann die Schliffe tauschen."
Im Innern des Geräts wird ein Elektronenstrahl auf verschiedene Stellen ausgewählter Coltan-Körner gerichtet. Dabei entstehen Röntgenstrahlen, deren Wellenlängen Aufschluss geben über die chemischen Elemente in der Probe. Frank Melcher:
"Und sehe auf den ersten Blick: Welche Elemente sind an dieser Stelle in der Probe vorhanden und auch in welchen Mengen. Da ist das Tantal, das Niob, das Mangan, das Eisen, ich sehe ein bisschen Titan."
100 gezielter Messungen an einzelnen Coltan-Körnern können Melcher und Lodziak an einem Tag durchführen. Dabei entstehen große Datenmengen, die von den Geoforschern statistisch analysiert werden. Insgesamt können sie dann mit großer Sicherheit sagen, woher das Material in einer Probe stammt. In vielen Fällen ist dies sogar dann möglich, wenn Coltan aus verschiedenen Lagerstätten vermischt wurde. Melcher:
"Da kann ich dann tatsächlich Namibia-Material von Kongo und Ruanda abtrennen. Und letztendlich einzelne Liefergebiete im Kongo."
"Geochemischer Fingerabdruck" oder Englisch "Fingerprinting" für Coltan nennt sich die Methode. Die verschiedenen Messverfahren, die hierfür verwendet werden, sind nicht neu, aber die intelligente Kombination der Methoden für einen sicheren Herkunftsnachweis von Coltan macht das besondere Know-how der Geoforscher aus. Den wissenschaftlichen Nachweis, dass die Methode funktioniert, haben Melcher und Kollegen längst erbracht – sie hoffen nun, dass sie tatsächlich einen Beitrag dazu leisten können, den Coltan-Markt transparenter zu machen. Melcher:
"Dass also wirklich saubere Produkte aus Afrika geliefert werden. Das ist ja das Ziel: Wir wollen eine Handelskette, wo europäische oder auch amerikanische Unternehmen direkt Material aus Afrika beziehen können. Was sie zur Zeit nicht können."
Doch die Erfahrung der Entwicklungszusammenarbeit in den vergangenen Jahrzehnten hat gezeigt, dass ein neues technisches Verfahren allein noch nicht allzu viel bedeutet. Manche gut gemeinte Idee scheiterte an der komplexen Realität der Entwicklungsländer. Im Auftrag der Bundesregierung bemüht sich die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe neuerdings um sogenannte "zertifizierte Handelsketten". Sie will ein System aus Melde- und Prüfverfahren etablieren, das die Förderung und den Handel von metallischen Rohstoffen transparent machen soll: Wolfram, Zinn, Gold und Coltan. In diesem Rahmen soll dann der "geochemische Fingerabdruck" die Rolle eines zusätzlichen Prüfinstrumentes spielen, das zunächst am Coltan erprobt wird. Frank Melcher:
"Ich denke mal, so werden wir Inseln von doch relativ über dem Durchschnitt stehenden Standards und vor allen Dingen von Transparenz schaffen. Und diese Inseln, wenn die mehr werden, werden dann die ganze Region in die Lage versetzen, tatsächlich signifikante Mengen legal und sauber gewonnenen Materials zu verkaufen auf den Weltmärkten."
Bei anderen Rohstoffen gibt es inzwischen Erfahrungen mit zertifiziertem Handel: Für Tropenhölzer etwa ist das FSC-Siegel sehr erfolgreich. Diamanten werden seit dem Jahr 2003 weltweit nach dem so sogenannten Kimberley-Prozess zertifiziert: Für jeden Diamanten wird ein Begleitpapier ausgestellt, das dann mit dem Edelstein transportiert und verkauft wird. So soll verhindert werden, dass sogenannte Blutdiamanten aus Kriegsregionen in den Vitrinen der Juweliere landen. Jürgen Runge, Geograph von der Universität Frankfurt am Main.
"Der Kimberley Prozess funktioniert sicher auf europäischen Märkten recht gut. Aber es ist auch ein leicht manipulierbarer Prozess. Der Diamant bekommt ein Begleitpapier, ein Zertifikat. Aber dieses Zertifikat lässt sich auch fälschen, beziehungsweise wir haben auch Märkte in Asien, wo nicht oder wenig nach diesem Zertifikat gefragt wird."
Ein Betrug mit Kimberley-Zertifikaten lässt sich also nur schwer kontrollieren oder verhindern. Beim Coltan hingegen böte der "geochemische Fingerabdruck" die Möglichkeit, zu überprüfen, ob das Material, das ein Händler liefert, tatsächlich aus einer sauberen Produktion stammt. Die Tantalindustrie ist derweil ständig auf der Suche nach Nachschub, und der ist nicht immer gegeben. Im vergangenen Winter gab der Hauptlieferant von H.C. Starck, die australische Firma Talison bekannt, dass sie ihre Coltanförderung einstellt.
"Die beiden großen westlichen Anbieter, und damit die größten Konsumenten von Tantal, die Firma Cabot und wir, wir haben beide bei Talison gekauft. Die Chinesen haben in Afrika gekauft. Das war sozusagen ein zweigeteilter Markt. Da gab es deutliche Preisunterschiede, wir haben immer mehr bezahlt. Weil der afrikanische Preis der Maßstab war, hat Talison irgendwann geschlossen, weil sie da nicht mithalten konnten."
Joern Vogt ist zuständig für Rohstofffragen und Unternehmensstrategie bei H.C. Starck. Seit dem Ausstieg der Australier ist er mit verschiedenen Partnern weltweit auf der Suche nach neuen Coltan-Quellen - in Nord- und Südamerika, sowie in Ägypten. Afrika südlich der Sahara aber war für H.C. Starck lange Zeit Tabu. Der Unternehmenssprecher Manfred Bütefisch kommt im Gespräch immer wieder auf den großen Druck zu sprechen – den Druck von Seiten der Öffentlichkeit und von Seiten der Konkurrenz auf dem Tantal-Markt. Es zeigt sich also: Die Kampagnen der Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen haben ihre Wirkung auf die Industrie nicht verfehlt.
"Es ist ja so, wenn man einer der großen Anbieter in einem oligopolistischen Markt ist, immer so, dass der Mittbewerber die negative Presse, die ein Unternehmen hat, direkt gegen den Mittbewerber oder für das eigene Unternehmen versucht umzusetzen."
H.C. Starck setzt auch auf Recycling als Quelle für Tantal. Eine Tantalgewinnung aus fertigen Produkten wie etwa Handys würde sich wirtschaftlich nicht lohnen, die Mengen pro Produkt sind sehr gering. Aber das Unternehmen trennt Abfälle und Ausschuss aus der Kondensatorproduktion, und es bemüht sich derzeit darum, von älteren Bergbaubetrieben Zinn-Schlacken aufzukaufen, denn auch daraus kann man Tantal gewinnen. Damit aber sind die Möglichkeiten des Recyclings auch schon ausgereizt. Joern Vogt:
"Wir haben noch beträchtliche Vorräte. Da sind wir aber nicht alleine. Auch unsere Wettbewerber haben das. Das ist natürlich das große Spiel zwischen den Wettbewerbern, wer hat am meisten, und das weiß natürlich keiner, wie viel die anderen haben. Wir sind da aber relativ gelassen, dass wir genug Zeit haben, uns vernünftige alternative Lieferanten aufzubauen."
Was aber muss geschehen, damit eine Rohstoffförderung mit ökologischen und sozialen Standards am Ende auch wirklich erfolgreich ist? Wer einen allmählicher Umbau eines Systems hin zu mehr Transparenz erreichen will, der muss möglichst viele Vertreter dieses Systems ins Boot holen. Das ist die Grundidee der neuen Initiative, die im Jahr 2002 vom britischen Premier Tony Blair initiiert wurde: EITI - Extractive Industries Transparency Initiative.
"Die Idee war, dass diese Staaten aus freiwilliger Verpflichtung beginnen, ihre Einnahmen und Geldflüsse in diesem Rohstoffsektor offen zu legen. So in dem Sinne: Das ist ein Interesse, das jedermann haben sollte."
Der Geograph Jürgen Runge von der Universität Frankfurt am Main ist derzeit im Auftrag der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in Zentralafrika unterwegs, um diesen Prozess voranzubringen. Zahlreiche Regierungen in Ländern südlich der Sahara haben inzwischen EITI-Kandidatenstatus erreicht, darunter Kamerun, die Zentralafrikanische Republik, Kongo Brazzaville und die Demokratische Republik Kongo. Sie haben Sekretariate eingerichtet, die sich darum bemühen, Daten zu sammeln und öffentlich zu machen. Dazu müssen sie Politiker, aber auch Vertreter von Wirtschaft und Zivilgesellschaft an dem Prozess beteiligen, das heißt auch Mitarbeiter von Nicht-Regierungsorganisationen, den sogenannten NGOs. Runge:
"Wir laden, wenn wir Workshops und Seminare haben, Leute zusammen ein, die sich sonst nicht begegnen würden. Unter anderem eine bekannte NGO ist ,Publish What You Pay‘ – ,Veröffentliche, was Du zahlst.‘ Wo eben Hintergrundinformationen zu Vertragsgestaltungen, zu Geldzahlungen, zu Steuerbefreiungen eingefordert werden – Dinge die ja auch bei uns nicht durchgängig transparent sind. Und diese eine NGO ,Publish What you Pay‘ hat das in den letzten Jahren sehr intensiv in vielen Ländern gemacht. Hat aber auch häufig Repressalien erleiden müssen. Es ist nicht ganz ungefährlich gewesen für manche Partner."
"Wir sind plötzlich als Feinde der Republik behandelt worden, nur weil wir einen Brief an den Internationalen Währungsfonds geschrieben haben, in dem wir uns für die gute Regierungsführung in unserem Land eingesetzt haben."
Christian Mounzëo ist Bürgerrechtler und Mitarbeiter von "Publish What You Pay" in Kongo Brazzaville. Er hat bereits mehrfach im Gefängnis gesessen, zuletzt im Jahr 2006, und ist dort gefoltert worden. Offiziell herrscht in Brazzaville seit zehn Jahren ein stabiler Frieden, im Gegensatz zur Demokratischen Republik Kongo auf der anderen Seite des Kongo-Flusses. Armut und zerschossene Gebäude beherrschen noch immer das Bild in Kongo Brazzaville, doch für Mounzëo hat sich die Lage im Laufe des EITI-Prozesses verbessert. Trotzdem fühlt er sich nicht ganz sicher in den Straßen der Hauptstadt Brazzaville, was sich auch dadurch ausdrückt, dass er häufiger das Taxi wechselt.
Das Finanzministeriums des Landes residiert in einem der wenigen Hochhäuser der Hauptstadt. Ganz am Ende eines langen, geschäftigen Korridors befindet sich das Büro von Michel Okoko, dem EITI-Sekretär des Landes.
"Die Regierung des Kongo hat sich sofort für die Transparenz im Rohstoffsektor entschieden. Und jetzt publizieren wir regelmäßig im Internet die Daten zu unseren Ölressourcen. Das Parlament wird Klarheit über die Einnahmen haben. Die Ölgesellschaften profitieren, weil dann klar sein wird, wie viel sie bezahlen. Und die Bevölkerung wird auch durch das Engagement der Zivilgesellschaft vertreten. Verlieren werden diejenigen, die dem System schaden. Wir wollen keine Korruption und keine Betrügerei."
Die Nagelprobe für Michel Okoko und seine Mitarbeiter wird im Jahr 2010 kommen, wenn ein unabhängiger Gutachter den Stand des Transparenz-Prozesses beurteilen wird. Erst dann wird deutlich werden, wo das Land in Sachen Rohstofftransparenz steht, auch in Bezug auf die Freiheit und Integration der Mitarbeiter von "Publish What You Pay", wie etwa Christian Mounzëo:
"Wir fordern über die Transparenz der Zahlungen auch eine Transparenz der Verträge und Ausgaben unserer Regierung. So etwas anzusprechen, war bisher Tabu, aber wir fragen uns: Warum haben die Menschen nicht genug Trinkwasser und keinen Strom – trotz all der Versprechen?"
Transparenz wird immer mehr zum Schlüsselthema für die Entwicklung Afrikas. Wenn es gelingt, Unternehmen, Regierungen, Menschenrechts- und Umweltgruppen vor Ort einzubinden, dann besteht auch die Chance, etwas zu verändern. Zwar wird man mit zertifizierten Handelsketten etwa den Schmuggel mit Blutcoltan nicht unterbinden können. Aber eine neue Struktur für fairen Handel wäre hier zumindest ein Anfang. Es wäre eine Option, für all die, die Gerechtigkeit wollen – und auch für die, die aufgrund öffentlichen Drucks keine andere Wahl haben. David Kapuya von "Dialog International".
"Das ist immer die Frage: Was will man wirklich? Man sagt, im Kongo gibt es viele Reserven von Coltan. Warum geht man nicht hin, macht eine Firma auf, bringt eine Maschine. Damit die Leute, die dort graben, nicht unter so schlechten Bedingungen arbeiten wie heute. Solange das nicht so ist, ist das Maskerade und Augenwischerei."
"Ist alles auch digital vorhanden, aber es ist nicht schlecht, wenn man es visuell sieht."
In einer Reihe von Registraturschränken hat Frank Melcher Datenblätter und Mikroskopaufnahmen von 700 Coltanproben aus 200 verschiedenen Orten weltweit gesammelt. Seine aufwändige und sehr teure Labor-Messtechnik kann er bis auf weiteres zwar nicht in Afrika aufbauen. Aber er hat sie soweit entwickelt, dass er in Hannover eine große Zahl von Stichproben aus Afrika regelmäßig prüfen könnte. IT-Firmen und ihre Kunden könnten sich auf diesem Wege versichern, dass sie saubere Produkte einkaufen.
"Vor allen Dingen denke ich, dass der Druck, den die Elektronikindustrie zurzeit aufbaut, und den sie weitergibt an die Pulverhersteller und natürlich auch an die Bergbauunternehmen, dieser Druck wird größer, so dass irgendwann auch die kleinen Bergbauproduzenten so unter Druck setzen wird, dass die von sich aus diesem Konzept zertifizierte Handelskette, kurze Handelswege, möglichst wenige oder keine Zwischenhänder - dass die da mitmachen müssen, weil die sonst ihr Material nicht mehr loswerden."
Die Firma H.C. Starck setzt neuerdings auf diesen Weg: Sie hat einen kleinen Bergbaubetrieb in Ruanda übernommen, "NRD Rwanda", und will die Lieferungen an der Bundesanstalt in Hannover zertifizieren lassen. Joern Vogt:
"Wir glauben, dass eigentlich die allerbeste Kontrolle über den Materialstrom von der Förderung bis zur Verarbeitung zu einem Kondensator, dass die beste Kontrolle dann besteht, wenn man die ganze Kette selbst in der Hand hat, wenn wir selbst fördern, dann brauchen wir nicht kaufen. Dann müssen wir nicht mit irgendwelchen Händlern, von denen wir nicht wissen, woher sie ihr Material beziehen, wir haben es dann aus unserer eigenen Mine, und da ist das Maximum an Transparenz möglich."
Der Rohstoff-Manager Joern Vogt berichtet mit verhaltenem Stolz, dass H.C. Starck die Minenarbeiter von "NRD Rwanda" im vergangenen Jahr mit Helmen, Stiefeln und Werkzeugen ausgerüstet hat, dass sie mit Lebensmitteln versorgt werden, und dass neuerdings ein Bergmann, der ständig vor Ort ist, die Grabungsaktivitäten steuert.
"Das sind so kleine Teams, Familienclans, wo Brüder oder Onkel mitarbeiten, die mit sehr gutem Auge etwas entdecken, Wolfram oder Tantalminerale, und dann anfangen, mit ganz einfachen Mitteln zu graben. Sie sind alle registriert, die bei uns auf der Bergbaukonzession tätig sind, sie sind unfallversichert und alles, was die in ihren Teams produzieren, wird zu einem festgesetzten Preis von uns abgenommen."
Die Gesteinsproben der Konzession sind inzwischen in Hannover vermessen und in Frank Melchers Datenbank aufgenommen worden. Per Stichprobenanalyse kann der Geologe nun prüften, ob das, was in Goslar ankommt, wirklich aus der kleinen Mine in Ruanda stammt. Melcher:
"Das ist natürlich ein idealer Fall, wenn eine Firma sich im Bergbau dort engagiert und auch selber importiert und auch sicherstellt, dass zugehandeltes, illegal abgebautes Material nicht in diese Handelskette reinkommt."
Aber auch wenn dieses erste Pilotprojekt im kommenden Jahr Erfolg hat, müssen die ruandische Behörden vor Ort noch überzeugt werden, dass es sich für sie langfristig lohnt, die Rohstoffströme zu überwachen. Erst dann wäre es sinnvoll, einen Zertifizierungsstempel oder ein Gütesigel für Coltan und andere Metalle zu vergeben. Viel wird auch davon abhängen, ob es gelingt, die Rohstoffhändler an solchen Transparenzinitiativen zu beteiligen. Und schließlich müssten die neuen, in Ruanda erprobten Konzepte auf die instabilen Regionen der Demokratischen Republik Kongo übertragen werden. Christof Schenck:
"Ich bin überzeugt, die Menschen könnten ein sehr gutes Auskommen haben. Es ist eine der reichsten und schönsten Regionen dieser Erde. Und da müsste es möglich sein, diesen Bergbau begrenzt und unter hohen Standards und Umweltauflagen so durchzuführen, dass alle davon profitieren."
David Kapuya:
"Ich finde, dass das eine gute Idee, eine gute Initiative. Das muss man begrüßen. Die Frage ist nur, ob das praktisch wirklich machbar ist. Ich befürchte, dass es nur eine Idee bleibt, am Ende."
"Das war nicht inszeniert, sondern das haben die Menschen aus der Region selbst gemacht. Haben die rausgetragen auf Bahren. Wie tote Menschen. Und haben dann die Augen und die Genitalien mit Blättern abgedeckt so wie sie es mit den eigenen Toten auch tun. Da hat man auch gemerkt, welche enorme Bindung die Menschen an diese Tiere da haben."
Hinter dem Gorilla-Attentat steckte eine lokale Holzkohlemafia, vermutet Christof Schenck von der Zoologischen Gesellschaft in Frankfurt am Main. Seine Partner, die Ranger des Nationalparks hatten sich mit der Holzkohlemafia angelegt, weil sie den Baumbestand im Park schützen wollten. Offenbar entschieden sich die Mafiabosse daraufhin, einige Berggorillas abzuschießen. Das Bild vom toten Gorilla wurde zum Symbol: Für die Zerstörung der Natur, für Krieg und Gewalt, und das große Geschäft mit Holz, Öl, Diamanten, Zinn und Coltan.
Im östlichen Kongo leben die meisten Menschen in Armut und Anarchie. Im vergangenen Jahrzehnt haben mehrere Millionen Menschen in bewaffneten Konflikten ihr Leben verloren. Es mangelt an Nahrungsmitteln, Infrastruktur und medizinischer Versorgung. Geld für Waffen ist indes im Überfluss vorhanden, denn sie werden direkt durch den Verkauf von Bodenschätzen finanziert. Christof Schenck:
"Was wir da jetzt sehen ist, dass es so ein selbstverstärkendes System ist: Sie haben da ein paar solche Minen unter ihrer Obhut, mit den Bodenschätzen bekommen sie Geld, mit dem Geld können sie Waffen kaufen. Mit den Waffen können sie vorrücken und weitere Minen bekommen. Und so funktioniert dieses ganze System. Also die Bodenschätze spielen in diesen Konflikten eine ganz, ganz große Rolle."
Afrikas Reichtum ist längst zum Fluch geworden: Er kommt der Bevölkerung kaum zugute, sondern sorgt vielmehr dafür, dass die Kriege jahrzehntelang andauern. Mit dem Slogan "Kein Blut auf meinem Handy" machte etwa eine belgische Kampagne darauf aufmerksam, dass das seltene Erz Coltan aus Bürgerkriegsgebieten im Kongo importiert und für den Bau von kleinen elektronischen Geräten benutzt wird. Tatsächlich kommen zahlreiche Studien zu dem Schluss, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang gibt zwischen dem Krieg im Kongo und dem weltweiten Handy-, Digitalkamera- und Spielekonsolen-Boom. Schenck:
"Und das ganze hängt mit uns als Verbrauchern in der westlichen Welt zusammen. Wenn wir akzeptieren, dass billiges Kriegscoltan zum Beispiel auf den Weltmarkt kommt. Und in unseren Handys, Autos und Digitalkameras verbaut wird: Dann haben wir einen Einfluss. Wenn wir das ablehnen und sagen, das wollen wir nicht mehr so, dann wird sich auch in der Region etwas ändern."
Die großen Handy- und IT-Firmen wie Vodafone, Motorola, Intel oder Nokia verlangen zwar seit Jahren von Ihren Lieferanten, dass das Tantal, das sie liefern, sauber ist. Aber wirklich kontrollieren können sie die Zusagen, die man ihnen gibt, nicht.
"Wenn man heute fragt, was muss sich ändern? La volonté muss sich ändern. Die Leute, die oben sind, müssen sich ändern, die die Macht haben, müssen sich ändern. Die Firmen, die das ausbeuten, sind bekannt. Die Regierungen, die das machen, sind bekannt."
David Kapuya stammt aus dem Kongo, lebt schon länger in Deutschland und Frankreich und ist für die Hilfsorganisation "Dialog International" tätig.
"Es ist möglich, ein Embargo durchzuführen aber der Wille ist nicht da. Es gibt auch ein Recht der Regierung im Kongo, die Rohstoffe zu verkaufen - aber wenn es nicht zugute kommt, demjenigen, den man den Inhaber nennt. Wer ist der Inhaber von Coltan? Wer ist der Inhaber von diesen Rohstoffen? Der Inhaber ist die Bevölkerung! Aber wenn er nichts bekommt, dann ist was faul in dem ganzen System. Dann muss alles gestoppt werden, wenn man gerecht bleiben möchte."
Doch längst nicht alle Experten und Hilfsorganisationen sprechen sich für ein Handelsverbot von Coltan aus dem Kongo aus. Immerhin sind heute im Kongo ein bis zwei Million Menschen im Kleinbergbau beschäftigt, zehn mal so viele Menschen hängen von diesen Einkünften ab. Schenck:
"Die Ausbeutung der Bodenschätze ist ja nicht grundsätzlich etwas Schlechtes. Man kann das ja auch umweltverträglich gestalten. Man kann bestimmte Regionen ausweisen. Man kann Standards setzen, so dass das für die Menschen eine gute Einnahmequelle ist. Das Problem ist immer, wenn das alles nicht erfolgt. Und das ist in der Tat der Fall im Kongo."
Auf dem Gelände der Firma H.C. Starck am Stadtrand der niedersächsischen Stadt Goslar fährt ein Gabelstapler mit blauen, fassgroßen Behältern durch ein Tor in eine große, nur schwach beleuchtete Betriebshalle. Hier wird Coltan verarbeitet: ein seltenes Erz, das die beiden Metalle Tantal und Niob enthält. Offiziell wird es nur an wenigen Orten in der Welt gefördert, vor allem in Australien und Brasilien. Der größte Anteil der Weltproduktion aber stammt aus dem Kleinbergbau im Kongo. Bei der Anlieferung in der Betriebshalle von H.C. Starck lässt sich dem Material nicht ansehen, woher es stammt: anthrazitfarbene Gesteinsbrocken, die sogleich zermahlen werden, in einer schallgedämpften Kammer, aus der trotzdem noch einiger Lärm nach außen dringt.
"Das sind zwei Schwingmühlen, die das Tantalerz in trockenem Zustand heruntermahlen auf eine Feinheit von 60 Mikrometer. Also Staub von einer sandartigen Konsistenz auf eine staubfeine Konsistenz."
Der Metallurgie-Experte Christian Cymorek kippt den Metall-Staub anschließend in eine besonders aggressive Flüssigkeit: Flusssäure. Sie trennt das Tantal von den anderen Bestandteilen ab. Am Ende bleibt dann ein weißes Pulver übrig: 98-prozentiges Tantal. Cymorek:
"Die Kunst ist letztlich, von den paar Gramm pro Tonne, die erst mal im Gestein, im Erz vorhanden sind, da auf die reine Form des Metalls zu kommen. Und das mit möglichst wenig Aufwand."
H.C. Stark gehört zu den wenigen Chemiefirmen weltweit, die die aufwändige Abtrennung und Verarbeitung von Tantal beherrschen, einem Material, das wichtig ist als Zugabe für besonders harte Stähle, wie sie in Raketen, Kernreaktoren oder Turbinenschaufeln zum Einsatz kommen. Der größte Markt aber sind winzige Kondensatoren. Elektronische Bauteile also, die elektrische Ladungen speichern können. Tantal-Kondensatoren sind besonders klein, zuverlässig und hitzebeständig.
"Sie können die kleinsten Kondensatoren mit einer sehr hohen Leistung daraus machen."
Christoph Schnitter perfektioniert in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei H.C. Starck die Herstellung der Pulver für die Tantal-Kondensatoren.
"Wenn Sie sich vorstellen, dass diese kleinen Kondensatoren nur einige Milligramm Pulver enthalten, dann sind da nur einige zehn Tantalkörner drin, auf der anderen Seite muss aber definiert dieselbe Masse drin sein, sonst hätten sie unterschiedliche Kapazitäten in den Bauteilen."
Mit einem speziellen chemisch-physikalischen Prozess wird das Pulver zu mikroskopischen Schwämmen aus Metall verschmolzen und verformt. Auf der großen Tantal-Schwamm-Oberfläche lassen sich besonders viele elektrische Ladungen speichern. Und genau dieser Umstand macht die Tantal-Kondensatoren so attraktiv für die Elektronikindustrie. Schnitter:
"Sprich: immer die neueste Generation von Mobiltelefon, Laptops und so weiter. Das ist auch da, wo die Tantal-Kondensatoren zum Einsatz kommen. Also PDAs und MP3-Player und solche Sachen."
H.C. Stark ist weltweit bekannt für die besondere Qualität seiner speziellen Metallpulver. Im Jahr 2000 aber gab es negative Schlagzeilen: In einem Zwischenbericht der Vereinten Nationen wurde der Firma vorgeworfen, Tantal aus Krisenregionen im Kongo bezogen zu haben. Der Imageschaden für die Firma war immens. Menschenrechtsgruppen haben seither immer wieder die Verstrickungen des Unternehmens in Afrika angeprangert. Nach den Vorwürfen arbeitete H.C. Starck mit dem UN-Gremium zusammen, und in der Abschlusspublikation wurde das Unternehmen nur noch unter den "geklärten Fällen" aufgeführt. Seit den Prüfungen habe seine Firma kein Tantal mehr aus Afrika bezogen, sagt Unternehmenssprecher Manfred Bütefisch.
"Wir haben das mit Händlern gemacht, mit denen wir langjährige Erfahrungen gehabt haben und die uns als zuverlässig erschienen. Wir sind dann, in Zusammenarbeit mit dem Panel, und mit der Aufarbeitung dazu gekommen und haben festgestellt, dass der eine oder andere Händler in Bezug auf die Herkunft, die er uns bescheinigt hat, nicht die Wahrheit gesagt hat. Und wir haben dann sehr schnell gesehen, dass wir angesichts des andauernden Krieges in Ostafrika und der DRC, dass das keine verlässlichen Partner sind. Und dass wir dort kein Material kaufen können."
Das Goslarer Unternehmen würde sofort wieder Material aus Afrika beziehen, wenn es einen Weg gäbe, saubere Lieferungen von Blutcoltan zu unterscheiden. In jüngster Zeit arbeiten Hilfsorganisationen und Politiker, aber auch Geoforscher und Wirtschaftsvertreter in diese Richtung. Mit neuen Transparenz-Initiativen, Herkunfts-Zertifikaten und speziellen Messverfahren soll prüfbar werden, woher bestimmte Rohstofflieferungen stammen.
"Hier, das sind Coltan-Körner aus dem Kongo. Die werden eingebettet und anpoliert, dass das eine ganz ebene Oberfläche kriegt."
An der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover hat der Geologe Frank Melcher eine Coltan-Sammlung angelegt: Kleine durchsichtige Döschen und Plastikhüllen mit Gesteinsproben, die er auf seinem Arbeitstisch hin und her sortiert. Daneben legt er farbige Ausdrucke, die von Elektronenmikroskop-Aufnahmen stammen: Stark vergrößerte Bilder, die ein wenig an bunte Terrazzo-Böden erinnern.
"Man sieht hier schon auf den ersten Blick, wenn man jetzt Coltanproben unterschiedlicher Provenienz vergleicht: Das ist eine Probe aus Ruanda – gegen diese aus Australien. Die Farbverteilung ist eine ganz andere. Hier ist viel mehr Tantal-Mineral drin, diese fleischfarbenen hier. Relativ wenig von den roten, diese fehlen hier komplett. Also es ist schon eine ganz unterschiedliche Mineralogie."
Frank Melcher führt seine Gesteinsproben gern vor. Mit jugendlichem Elan erzählt er ausführlich von den verschiedenen Gesteinsvorkommen in Afrika, von der positiven Resonanz, die er auf seine Publikationen und Fachvorträge erhält, und von chemischen Messverfahren, mit denen er die Herkunft umstrittener Erze zweifelsfrei nachweisen kann.
"Ich sag ihm, er soll jetzt feuern. Wenn ich den Shutter jetzt öffnen, sehen wir wie der Brennfleck auf der Probe zu arbeiten beginnt."
Im Brennpunkt eines Laserstrahls verdampft ein wenig Erz und wandert in ein sogenanntes Massenspektrometer. Melchers Kollege Hennjes Kunst wird so das Alter der Probe bestimmen. In einem Nachbarlabor: Eine Elektronenstrahl-Mikrosonde:
"Jetzt wird die Schleusenkammer evakuiert. Und wenn das Vakuum in der Schleusenkammer gut genug ist, dann kann ich das Tor zur Probenkammer öffnen und den Schliff rausziehen."
Ein raumfüllendes, mikroskopartiges Gerät, in das Jerzy Lodziak flach geschliffene Coltanproben einführt.
"Jetzt wird die Schleusenkammer belüftet. Dann öffne ich die Schleusenkammer und kann die Schliffe tauschen."
Im Innern des Geräts wird ein Elektronenstrahl auf verschiedene Stellen ausgewählter Coltan-Körner gerichtet. Dabei entstehen Röntgenstrahlen, deren Wellenlängen Aufschluss geben über die chemischen Elemente in der Probe. Frank Melcher:
"Und sehe auf den ersten Blick: Welche Elemente sind an dieser Stelle in der Probe vorhanden und auch in welchen Mengen. Da ist das Tantal, das Niob, das Mangan, das Eisen, ich sehe ein bisschen Titan."
100 gezielter Messungen an einzelnen Coltan-Körnern können Melcher und Lodziak an einem Tag durchführen. Dabei entstehen große Datenmengen, die von den Geoforschern statistisch analysiert werden. Insgesamt können sie dann mit großer Sicherheit sagen, woher das Material in einer Probe stammt. In vielen Fällen ist dies sogar dann möglich, wenn Coltan aus verschiedenen Lagerstätten vermischt wurde. Melcher:
"Da kann ich dann tatsächlich Namibia-Material von Kongo und Ruanda abtrennen. Und letztendlich einzelne Liefergebiete im Kongo."
"Geochemischer Fingerabdruck" oder Englisch "Fingerprinting" für Coltan nennt sich die Methode. Die verschiedenen Messverfahren, die hierfür verwendet werden, sind nicht neu, aber die intelligente Kombination der Methoden für einen sicheren Herkunftsnachweis von Coltan macht das besondere Know-how der Geoforscher aus. Den wissenschaftlichen Nachweis, dass die Methode funktioniert, haben Melcher und Kollegen längst erbracht – sie hoffen nun, dass sie tatsächlich einen Beitrag dazu leisten können, den Coltan-Markt transparenter zu machen. Melcher:
"Dass also wirklich saubere Produkte aus Afrika geliefert werden. Das ist ja das Ziel: Wir wollen eine Handelskette, wo europäische oder auch amerikanische Unternehmen direkt Material aus Afrika beziehen können. Was sie zur Zeit nicht können."
Doch die Erfahrung der Entwicklungszusammenarbeit in den vergangenen Jahrzehnten hat gezeigt, dass ein neues technisches Verfahren allein noch nicht allzu viel bedeutet. Manche gut gemeinte Idee scheiterte an der komplexen Realität der Entwicklungsländer. Im Auftrag der Bundesregierung bemüht sich die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe neuerdings um sogenannte "zertifizierte Handelsketten". Sie will ein System aus Melde- und Prüfverfahren etablieren, das die Förderung und den Handel von metallischen Rohstoffen transparent machen soll: Wolfram, Zinn, Gold und Coltan. In diesem Rahmen soll dann der "geochemische Fingerabdruck" die Rolle eines zusätzlichen Prüfinstrumentes spielen, das zunächst am Coltan erprobt wird. Frank Melcher:
"Ich denke mal, so werden wir Inseln von doch relativ über dem Durchschnitt stehenden Standards und vor allen Dingen von Transparenz schaffen. Und diese Inseln, wenn die mehr werden, werden dann die ganze Region in die Lage versetzen, tatsächlich signifikante Mengen legal und sauber gewonnenen Materials zu verkaufen auf den Weltmärkten."
Bei anderen Rohstoffen gibt es inzwischen Erfahrungen mit zertifiziertem Handel: Für Tropenhölzer etwa ist das FSC-Siegel sehr erfolgreich. Diamanten werden seit dem Jahr 2003 weltweit nach dem so sogenannten Kimberley-Prozess zertifiziert: Für jeden Diamanten wird ein Begleitpapier ausgestellt, das dann mit dem Edelstein transportiert und verkauft wird. So soll verhindert werden, dass sogenannte Blutdiamanten aus Kriegsregionen in den Vitrinen der Juweliere landen. Jürgen Runge, Geograph von der Universität Frankfurt am Main.
"Der Kimberley Prozess funktioniert sicher auf europäischen Märkten recht gut. Aber es ist auch ein leicht manipulierbarer Prozess. Der Diamant bekommt ein Begleitpapier, ein Zertifikat. Aber dieses Zertifikat lässt sich auch fälschen, beziehungsweise wir haben auch Märkte in Asien, wo nicht oder wenig nach diesem Zertifikat gefragt wird."
Ein Betrug mit Kimberley-Zertifikaten lässt sich also nur schwer kontrollieren oder verhindern. Beim Coltan hingegen böte der "geochemische Fingerabdruck" die Möglichkeit, zu überprüfen, ob das Material, das ein Händler liefert, tatsächlich aus einer sauberen Produktion stammt. Die Tantalindustrie ist derweil ständig auf der Suche nach Nachschub, und der ist nicht immer gegeben. Im vergangenen Winter gab der Hauptlieferant von H.C. Starck, die australische Firma Talison bekannt, dass sie ihre Coltanförderung einstellt.
"Die beiden großen westlichen Anbieter, und damit die größten Konsumenten von Tantal, die Firma Cabot und wir, wir haben beide bei Talison gekauft. Die Chinesen haben in Afrika gekauft. Das war sozusagen ein zweigeteilter Markt. Da gab es deutliche Preisunterschiede, wir haben immer mehr bezahlt. Weil der afrikanische Preis der Maßstab war, hat Talison irgendwann geschlossen, weil sie da nicht mithalten konnten."
Joern Vogt ist zuständig für Rohstofffragen und Unternehmensstrategie bei H.C. Starck. Seit dem Ausstieg der Australier ist er mit verschiedenen Partnern weltweit auf der Suche nach neuen Coltan-Quellen - in Nord- und Südamerika, sowie in Ägypten. Afrika südlich der Sahara aber war für H.C. Starck lange Zeit Tabu. Der Unternehmenssprecher Manfred Bütefisch kommt im Gespräch immer wieder auf den großen Druck zu sprechen – den Druck von Seiten der Öffentlichkeit und von Seiten der Konkurrenz auf dem Tantal-Markt. Es zeigt sich also: Die Kampagnen der Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen haben ihre Wirkung auf die Industrie nicht verfehlt.
"Es ist ja so, wenn man einer der großen Anbieter in einem oligopolistischen Markt ist, immer so, dass der Mittbewerber die negative Presse, die ein Unternehmen hat, direkt gegen den Mittbewerber oder für das eigene Unternehmen versucht umzusetzen."
H.C. Starck setzt auch auf Recycling als Quelle für Tantal. Eine Tantalgewinnung aus fertigen Produkten wie etwa Handys würde sich wirtschaftlich nicht lohnen, die Mengen pro Produkt sind sehr gering. Aber das Unternehmen trennt Abfälle und Ausschuss aus der Kondensatorproduktion, und es bemüht sich derzeit darum, von älteren Bergbaubetrieben Zinn-Schlacken aufzukaufen, denn auch daraus kann man Tantal gewinnen. Damit aber sind die Möglichkeiten des Recyclings auch schon ausgereizt. Joern Vogt:
"Wir haben noch beträchtliche Vorräte. Da sind wir aber nicht alleine. Auch unsere Wettbewerber haben das. Das ist natürlich das große Spiel zwischen den Wettbewerbern, wer hat am meisten, und das weiß natürlich keiner, wie viel die anderen haben. Wir sind da aber relativ gelassen, dass wir genug Zeit haben, uns vernünftige alternative Lieferanten aufzubauen."
Was aber muss geschehen, damit eine Rohstoffförderung mit ökologischen und sozialen Standards am Ende auch wirklich erfolgreich ist? Wer einen allmählicher Umbau eines Systems hin zu mehr Transparenz erreichen will, der muss möglichst viele Vertreter dieses Systems ins Boot holen. Das ist die Grundidee der neuen Initiative, die im Jahr 2002 vom britischen Premier Tony Blair initiiert wurde: EITI - Extractive Industries Transparency Initiative.
"Die Idee war, dass diese Staaten aus freiwilliger Verpflichtung beginnen, ihre Einnahmen und Geldflüsse in diesem Rohstoffsektor offen zu legen. So in dem Sinne: Das ist ein Interesse, das jedermann haben sollte."
Der Geograph Jürgen Runge von der Universität Frankfurt am Main ist derzeit im Auftrag der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in Zentralafrika unterwegs, um diesen Prozess voranzubringen. Zahlreiche Regierungen in Ländern südlich der Sahara haben inzwischen EITI-Kandidatenstatus erreicht, darunter Kamerun, die Zentralafrikanische Republik, Kongo Brazzaville und die Demokratische Republik Kongo. Sie haben Sekretariate eingerichtet, die sich darum bemühen, Daten zu sammeln und öffentlich zu machen. Dazu müssen sie Politiker, aber auch Vertreter von Wirtschaft und Zivilgesellschaft an dem Prozess beteiligen, das heißt auch Mitarbeiter von Nicht-Regierungsorganisationen, den sogenannten NGOs. Runge:
"Wir laden, wenn wir Workshops und Seminare haben, Leute zusammen ein, die sich sonst nicht begegnen würden. Unter anderem eine bekannte NGO ist ,Publish What You Pay‘ – ,Veröffentliche, was Du zahlst.‘ Wo eben Hintergrundinformationen zu Vertragsgestaltungen, zu Geldzahlungen, zu Steuerbefreiungen eingefordert werden – Dinge die ja auch bei uns nicht durchgängig transparent sind. Und diese eine NGO ,Publish What you Pay‘ hat das in den letzten Jahren sehr intensiv in vielen Ländern gemacht. Hat aber auch häufig Repressalien erleiden müssen. Es ist nicht ganz ungefährlich gewesen für manche Partner."
"Wir sind plötzlich als Feinde der Republik behandelt worden, nur weil wir einen Brief an den Internationalen Währungsfonds geschrieben haben, in dem wir uns für die gute Regierungsführung in unserem Land eingesetzt haben."
Christian Mounzëo ist Bürgerrechtler und Mitarbeiter von "Publish What You Pay" in Kongo Brazzaville. Er hat bereits mehrfach im Gefängnis gesessen, zuletzt im Jahr 2006, und ist dort gefoltert worden. Offiziell herrscht in Brazzaville seit zehn Jahren ein stabiler Frieden, im Gegensatz zur Demokratischen Republik Kongo auf der anderen Seite des Kongo-Flusses. Armut und zerschossene Gebäude beherrschen noch immer das Bild in Kongo Brazzaville, doch für Mounzëo hat sich die Lage im Laufe des EITI-Prozesses verbessert. Trotzdem fühlt er sich nicht ganz sicher in den Straßen der Hauptstadt Brazzaville, was sich auch dadurch ausdrückt, dass er häufiger das Taxi wechselt.
Das Finanzministeriums des Landes residiert in einem der wenigen Hochhäuser der Hauptstadt. Ganz am Ende eines langen, geschäftigen Korridors befindet sich das Büro von Michel Okoko, dem EITI-Sekretär des Landes.
"Die Regierung des Kongo hat sich sofort für die Transparenz im Rohstoffsektor entschieden. Und jetzt publizieren wir regelmäßig im Internet die Daten zu unseren Ölressourcen. Das Parlament wird Klarheit über die Einnahmen haben. Die Ölgesellschaften profitieren, weil dann klar sein wird, wie viel sie bezahlen. Und die Bevölkerung wird auch durch das Engagement der Zivilgesellschaft vertreten. Verlieren werden diejenigen, die dem System schaden. Wir wollen keine Korruption und keine Betrügerei."
Die Nagelprobe für Michel Okoko und seine Mitarbeiter wird im Jahr 2010 kommen, wenn ein unabhängiger Gutachter den Stand des Transparenz-Prozesses beurteilen wird. Erst dann wird deutlich werden, wo das Land in Sachen Rohstofftransparenz steht, auch in Bezug auf die Freiheit und Integration der Mitarbeiter von "Publish What You Pay", wie etwa Christian Mounzëo:
"Wir fordern über die Transparenz der Zahlungen auch eine Transparenz der Verträge und Ausgaben unserer Regierung. So etwas anzusprechen, war bisher Tabu, aber wir fragen uns: Warum haben die Menschen nicht genug Trinkwasser und keinen Strom – trotz all der Versprechen?"
Transparenz wird immer mehr zum Schlüsselthema für die Entwicklung Afrikas. Wenn es gelingt, Unternehmen, Regierungen, Menschenrechts- und Umweltgruppen vor Ort einzubinden, dann besteht auch die Chance, etwas zu verändern. Zwar wird man mit zertifizierten Handelsketten etwa den Schmuggel mit Blutcoltan nicht unterbinden können. Aber eine neue Struktur für fairen Handel wäre hier zumindest ein Anfang. Es wäre eine Option, für all die, die Gerechtigkeit wollen – und auch für die, die aufgrund öffentlichen Drucks keine andere Wahl haben. David Kapuya von "Dialog International".
"Das ist immer die Frage: Was will man wirklich? Man sagt, im Kongo gibt es viele Reserven von Coltan. Warum geht man nicht hin, macht eine Firma auf, bringt eine Maschine. Damit die Leute, die dort graben, nicht unter so schlechten Bedingungen arbeiten wie heute. Solange das nicht so ist, ist das Maskerade und Augenwischerei."
"Ist alles auch digital vorhanden, aber es ist nicht schlecht, wenn man es visuell sieht."
In einer Reihe von Registraturschränken hat Frank Melcher Datenblätter und Mikroskopaufnahmen von 700 Coltanproben aus 200 verschiedenen Orten weltweit gesammelt. Seine aufwändige und sehr teure Labor-Messtechnik kann er bis auf weiteres zwar nicht in Afrika aufbauen. Aber er hat sie soweit entwickelt, dass er in Hannover eine große Zahl von Stichproben aus Afrika regelmäßig prüfen könnte. IT-Firmen und ihre Kunden könnten sich auf diesem Wege versichern, dass sie saubere Produkte einkaufen.
"Vor allen Dingen denke ich, dass der Druck, den die Elektronikindustrie zurzeit aufbaut, und den sie weitergibt an die Pulverhersteller und natürlich auch an die Bergbauunternehmen, dieser Druck wird größer, so dass irgendwann auch die kleinen Bergbauproduzenten so unter Druck setzen wird, dass die von sich aus diesem Konzept zertifizierte Handelskette, kurze Handelswege, möglichst wenige oder keine Zwischenhänder - dass die da mitmachen müssen, weil die sonst ihr Material nicht mehr loswerden."
Die Firma H.C. Starck setzt neuerdings auf diesen Weg: Sie hat einen kleinen Bergbaubetrieb in Ruanda übernommen, "NRD Rwanda", und will die Lieferungen an der Bundesanstalt in Hannover zertifizieren lassen. Joern Vogt:
"Wir glauben, dass eigentlich die allerbeste Kontrolle über den Materialstrom von der Förderung bis zur Verarbeitung zu einem Kondensator, dass die beste Kontrolle dann besteht, wenn man die ganze Kette selbst in der Hand hat, wenn wir selbst fördern, dann brauchen wir nicht kaufen. Dann müssen wir nicht mit irgendwelchen Händlern, von denen wir nicht wissen, woher sie ihr Material beziehen, wir haben es dann aus unserer eigenen Mine, und da ist das Maximum an Transparenz möglich."
Der Rohstoff-Manager Joern Vogt berichtet mit verhaltenem Stolz, dass H.C. Starck die Minenarbeiter von "NRD Rwanda" im vergangenen Jahr mit Helmen, Stiefeln und Werkzeugen ausgerüstet hat, dass sie mit Lebensmitteln versorgt werden, und dass neuerdings ein Bergmann, der ständig vor Ort ist, die Grabungsaktivitäten steuert.
"Das sind so kleine Teams, Familienclans, wo Brüder oder Onkel mitarbeiten, die mit sehr gutem Auge etwas entdecken, Wolfram oder Tantalminerale, und dann anfangen, mit ganz einfachen Mitteln zu graben. Sie sind alle registriert, die bei uns auf der Bergbaukonzession tätig sind, sie sind unfallversichert und alles, was die in ihren Teams produzieren, wird zu einem festgesetzten Preis von uns abgenommen."
Die Gesteinsproben der Konzession sind inzwischen in Hannover vermessen und in Frank Melchers Datenbank aufgenommen worden. Per Stichprobenanalyse kann der Geologe nun prüften, ob das, was in Goslar ankommt, wirklich aus der kleinen Mine in Ruanda stammt. Melcher:
"Das ist natürlich ein idealer Fall, wenn eine Firma sich im Bergbau dort engagiert und auch selber importiert und auch sicherstellt, dass zugehandeltes, illegal abgebautes Material nicht in diese Handelskette reinkommt."
Aber auch wenn dieses erste Pilotprojekt im kommenden Jahr Erfolg hat, müssen die ruandische Behörden vor Ort noch überzeugt werden, dass es sich für sie langfristig lohnt, die Rohstoffströme zu überwachen. Erst dann wäre es sinnvoll, einen Zertifizierungsstempel oder ein Gütesigel für Coltan und andere Metalle zu vergeben. Viel wird auch davon abhängen, ob es gelingt, die Rohstoffhändler an solchen Transparenzinitiativen zu beteiligen. Und schließlich müssten die neuen, in Ruanda erprobten Konzepte auf die instabilen Regionen der Demokratischen Republik Kongo übertragen werden. Christof Schenck:
"Ich bin überzeugt, die Menschen könnten ein sehr gutes Auskommen haben. Es ist eine der reichsten und schönsten Regionen dieser Erde. Und da müsste es möglich sein, diesen Bergbau begrenzt und unter hohen Standards und Umweltauflagen so durchzuführen, dass alle davon profitieren."
David Kapuya:
"Ich finde, dass das eine gute Idee, eine gute Initiative. Das muss man begrüßen. Die Frage ist nur, ob das praktisch wirklich machbar ist. Ich befürchte, dass es nur eine Idee bleibt, am Ende."