Seit Monaten versuchen Migranten aus Belarus über die EU-Außengrenzen nach Polen oder in die baltischen Staaten zu gelangen. Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, gezielt Menschen aus Krisengebieten wie dem Irak oder Afghanistan nach Minsk eingeflogen zu haben, um sie dann in die EU zu schleusen. Eine Antwort darauf ist der Bau von Grenzanlagen.
Die EU-Staaten haben seit 2015 ihre Grenzen enorm aufgerüstet. Fast 1.000 Kilometer Zäune und Mauern umgeben die EU – teils meterhoch und ausgestattet mit Kameras, Bewegungsmeldern und Stacheldraht.
Ein Beispiel ist die Hightech-Grenzanlage, die Victor Orban an der Grenze zu Serbien hat bauen lassen, um das ungarische Teilstück der Balkanroute zu sperren. Andere Beispiele für europäische Grenzzäune finden sich zwischen Griechenland und der Türkei und zwischen Bulgarien und der Türkei. Die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla sind ebenfalls durch meterhohe Sperranlagen gesichert.
Ende 2021 war die neue Grenzanlage in Polen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Dort entsteht an der Grenze zu Belarus auf 186 Kilometern ein fünfeinhalb Meter hoher Grenzzaun, ausgestattet mit Bewegungssensoren und Wärmebildkameras. Nun will auch Litauen entlang seiner gesamten 680 Kilometer lange Grenze zum benachbarten Belarus einen Zaun samt Überwachungskameras installieren.
Die Europäische Kommission verweist auf eine langjährige Praxis zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament, wonach die EU kein Geld für Mauern, Zäune und Stacheldraht gibt, lediglich für Infrastruktur an der Grenze. Das Thema Zäune scheint für die Kommission noch ein Tabu zu sein.
Aber es gibt auch Stimmen aus dem Parlament, die Geld für Grenzanlagen fordern, ebenso wie einige Mitgliedsstaaten. Ratspräsident Charles Michel hat bei diesem Punkt eine Wende angedeutet: Bei seinem Besuch in Warschau im vergangenen Jahr sagte er: Aus rechtlicher Sicht sei es möglich, "physische Infrastruktur" zum Grenzschutz aus EU-Mitteln zu finanzieren.
Zuletzt hatte Innenkommissarin Ylva Johansson die Haltung der Kommission, kein Geld zu geben, damit begründet, dass das Geld dann an anderer Stelle fehlen würde, beispielsweise bei der Küstenwache.
Dazu gibt es verschiedene Ansichten. Zum einen halten die Zäune Menschen davon ab, eine Grenze an einer bestimmten Stelle zu übertreten. Gleichzeitig soll das auch eine symbolische Wirkung entfalten. Mauern schrecken ab und sorgen so auch für weniger Grenzübertritte.
Auf der anderen Seite zeigt sich, dass Menschen, die unbedingt migrieren wollen, sich durch einen Zaun nicht einfach aufhalten lassen – in den meisten Fällen verschieben sich nur die Routen. Diese werden dann teurer und riskanter.
Gleichzeitig ist die technische Aufrüstung der Anlagen äußerst teuer. Ungarn allein hat über eine Milliarde Euro ausgegeben, Polen will über 300 Millionen Euro investieren. Und es kommt hinzu: Solche Grenzen müssen auch bewacht werden, was wiederum extrem personal- und kostenintensiv ist.
Flüchtlingsorganisationen in Polen kritisieren daher, dass dieses Geld besser in ein funktionierendes Aufnahme- und Asylsystem fließen sollte.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dringt auf eine Reform der Schengen-Regeln. Er will unter dem EU-Vorsitz seines Landes im ersten Halbjahr 2022 einen Beschluss für eine bessere Kontrolle der Außengrenzen erreichen sowie eine "politische Führung" für den Schengenraum einführen.
Macron spielt daher die Migrationskarte im Wahlkampf um die Präsidentschaft. Gerade von der französischen Rechten wird ihm vorgeworfen, er greife beim Thema Migration zu wenig durch. Deswegen betont er stark den Schutz der Außengrenze. Damit die Freiheit im Inneren der EU – dem Schengenraum – gewährleistet ist.
Quellen: Carolin Born, dpa, AFP