Auf dem RoLa-Bahnhof der Österreichischen Bundesbahn, ÖBB in Wörgl herrscht seit einigen Tagen höchste Anspannung. Im Stundentakt rollen hier LKW die Waggons der "Rollenden Landstraße", RoLa herauf und herunter - ein gern genutzter Shuttleservice für LKW-Fahrten zwischen Inntal und Brenner bis weiter ins Trentino nach Trient.
Seit dem 1. November gilt auf der Inntal-Autobahn zwischen Kufstein und Innsbruck das sektorale Fahrverbot für ältere Fahrzeuge, die Züge der Rollenden Landstraße sind daher praktisch ausgebucht. Vor kurzem habe er zwei Migranten vom Zug geholt, sie lagen unter den LKW, sagt einer der RoLa-Mitarbeiter in Wörgl, sie seien sehr unterkühlt gewesen, konnten sich fast nicht mehr bewegen. Die Caritas habe sie mitgenommen in eine ihrer Flüchtlingsunterkünfte.
Vor dem Mikrofon darf er sich nicht äußern, das übernimmt der Sprecher der ÖBB in Innsbruck, René Zumtobel. Ja, man greife zurzeit täglich Flüchtlinge auf der RoLa und anderen Güterzügen auf: "Wir sind hier sehr sensibilisiert. Wir haben unser Personal angewiesen, dass man jetzt auch bei der Entladung eine Sichtkontrolle durchführt, weil normalerweise werden die LKW einfach von der Ladefront abgefahren. Das passiert jetzt nicht mehr."
Seit vor einer Woche zwei Migranten beim Entladen der LKW überrollt und getötet wurden, herrscht Alarmbereitschaft bei der ÖBB bis hinauf nach Wien. Die Züge der RoLa mit ihren niedrigen Waggons und einer Länge von gut 600 Metern, aber generell alle Güterzüge Richtung Deutschland, dienen Flüchtlingen immer häufiger als willkommenes Verkehrsmittel über den Brenner - vor allem nachts.
Kontrollen nahezu unmöglich?
Ein gefährliches Unterfangen, zumal in dieser Jahreszeit. Am Pass auf 1370 Metern Höhe herrschten in den vergangenen Tagen schon bis zu minus zehn Grad. Und die blinden Passagiere säßen stundenlang zwischen den LKW auf den Zügen. Eine Kontrolle sei nahezu unmöglich, sagt Zumtobel:
"Also infrastrukturell ist das sehr schwierig. Das Bahnsystem ist ein sehr offenes, die Züge können irgendwo auch angehalten werden. Wenn man bedenkt, am Brenner gibt es immer auch einen Systemwechsel. und insofern ist es natürlich sehr schwierig, eine Komplettkontrolle zu machen, wir sprechen ja hier von 40 Güterzügen und mehr an einem Werktag."
Aufgefallen war der neue gefährliche Trend zuerst in München, als Mitte November am Ostbahnhof die ersten Migranten von Güterzügen geholt wurden. Seitdem kontrollieren die deutsche Bundespolizei und die österreichische Landespolizei vor allem an der Grenze in Raubling bei Rosenheim, in Wörgl und in Innsbruck.
Massive Zugverspätungen seien die Folge, bedauert der ÖBB-Sprecher. Das wolle man in der kommenden Weihnachtsreisezeit auf jeden Fall vermeiden. Deshalb werden Güterzüge aus Italien Richtung Deutschland, die normalerweise durchfahren, bereits in Innsbruck auf spezielle Gleise geleitet und kontrolliert:
"Und dann wird das links und rechts abgegangen, es wird kontrolliert, es wird geschaut, teilweise hat die Polizei auch Hunde mit dabei, um eben zu schauen, ob niemand illegal auf diesen Güterzügen mitreist und wir stehen dann in Kontakt mit der deutschen Behörde, also sprich die Polizei, meldet dann, dass diese Züge kontrolliert wurden und damit können die Güterzüge auch übergeben werden an das deutsche Netz."
Lebensgefahr für Flüchtlinge
"Es ist so, dass wir noch bis zum Oktober etwa im Monat circa acht bis zehn Personen diesen Güterzugaufgriffen zugeordnet haben und seit dem Monat November es doch sehr stark angestiegen ist. Sprich, im November sind es knapp 50 Personen gewesen schon, die aufgegriffen wurden, die entweder auf oder im direkten Umfeld der Güterzüge von uns festgestellt wurden", sagt der Chef der Fremdenpolizei in Innsbruck Harald Baumgärtner. Es gehe bei dem neuen Trend nicht nur um die Lebensgefahr für die Migranten, sondern auch um einen gefährlichen Eingriff in den internationalen Schienenverkehr: "Die Italiener haben bereits ihr Personal verstärkt, es gibt verstärkte Kontrollen in Bozen und auch am Brenner."
Dass die deutsche Bundespolizei ab Mitte dieser Woche die Grenzkontrollen Richtung Deutschland verschärft - erstmals unterstützt durch bayerische Beamte - begrüßt sowohl die Innsbrucker Fremdenpolizei wie auch die ÖBB, solange der Zugverkehr nicht beeinträchtigt wird.
In Wien sieht man der Ausweitung der Grenzkontrollen mit Skepsis entgegen. Innenminister Wolfgang Sobotka kritisierte nach der Ankündigung im ORF die widersprüchliche Flüchtlingspolitik der Deutschen. Er fände das nicht gut, so der ÖVP-Politiker. Früher habe man gesagt: "Kommt alle!" Und jetzt möchte man doch die Grenzen sehr, sehr dicht machen.