Die Hoffnungen des Sports auf eine Sondergenehmigung zur Einreise begräbt Regierungschefin Erna Solberg auf einer Pressekonferenz Ende Januar mit einem knappen Satz: "Nein, es gibt keine Grenzöffnung für Kulturpersönlichkeiten oder Sportler oder sonstige Ausnahmen von dieser Regel."
Aus Angst vor der Ausbreitung der Mutationen vor allem aus Großbritannien und Südafrika hat Norwegen die Grenzen geschlossen. Obwohl das Land im Verhältnis momentan nur halb so viele Neuinfektionen verzeichnet wie Deutschland.
Terje Lund reist eigentlich im Winter um die Welt, jetzt sitzt er in Oslo im Homeoffice. Er ist der Rennorganisator des norwegischen Skiverbands. Weil niemand ohne Wohnsitz in Norwegen mehr ins Land einreisen darf, wurden alle 26 Wintersport-Weltcups, die im März dort hätten stattfinden sollen, abgesagt. Lund:
"Der Rest der Weltcup-Saison ist futsch. Wir können nichts dagegen tun."
"Sehr enttäuscht von der Regierung"
Die Grenze bleibt erst einmal bis Ende Februar dicht. Weil der Ski-Weltverband FIS aber 30 Tage Vorlauf für die Ausrichtung der Wettkämpfe braucht, ist auch im März nichts mehr zu machen. Rennorganisator Terje Lund fehlt das Verständnis:
"Wir sind sehr enttäuscht von unserer Regierung. Wir haben Zahlen, die wir gemeinsam mit dem Internationalen Skiverband erhoben haben. Dazu haben wir geschaut, wie viele der durchgeführten Corona-Tests positiv waren. Es waren 0,1 Prozent. Wir versuchen zu verdeutlichen, dass es sicher ist. Diese Leute leben in einer Blase!"
Doch die norwegische Regierung bleibt hart. Sportminister Abid Q. Raja teilt dem Deutschlandfunk schriftlich mit, dass Norwegen während der Pandemie lange Zeit Ausnahmen für den Spitzensport gemacht habe. Doch die aktuelle Situation erfordere Beschränkungen - auch für die Topathleten und Teams. Sobald die Gesundheitsbehörden es als sicher erachteten, dürfe auch der Spitzensport seine Aktivitäten wieder aufnehmen.
Aber auch schon vor der Grenzschließung seien die strengen norwegischen Regeln ein Problem gewesen, sagt Wettkampf-Organisator Terje Lund:
"Das war die ganze Saison über eine Herausforderung. Es herrschte Unsicherheit, was Grenzkontrollen betrifft und es gab unterschiedliche Quarantäneregeln. Viele unserer Sportlerinnen und Sportler sind während der Saison in Mitteleuropa geblieben, und gar nicht mehr nach Hause gefahren. Das Ski-Alpin-Team, das gerade in Cortina ist, war seit Weihnachten nicht mehr zu Hause."
"Überzeugt, dass es sicher ist, Sport auszuüben."
Seit Ende Januar gibt es für die Athletinnen und Athleten keine Ausnahmen von der Quarantäne mehr, auch nicht nach negativen Coronatests, wie das norwegische Sportministerium bestätigt. Die Wintersportler müssen sich also auf zehn bis 14 Tage Isolation einstellen. Gleiches gilt für die Fußballer von Molde FK, die ihr Europa-League-Heimspiel gegen Hoffenheim nach Villareal verlegen mussten. Und sollten die Norweger weiterkommen, könnten die Spieler ihre Heimat noch länger nicht sehen – denn das nächste Europa-League-Spiel fände bereits 14 Tage später statt. Rein sportlich wäre das kein Problem: Der Spitzensportbetrieb in Norwegen ist ausgesetzt. Ob Fußball oder Eishockey, die Ligen stehen still.
Der Dachverband des Sports in Norwegen "Idrettsforbundet" hat sich mit einem offenen Brief an die Regierung gewandt. Er fordert, dass im Amateursport im Erwachsenenbereich zumindest wieder trainiert werden darf und dass sowohl Jugendliche als auch der Spitzensport wieder Wettkämpfe durchführen können.
Finn Aagaard ist der Kommunikationschef des Verbandes. Er argumentiert:
"Sportlerinnen und Sportler müssen behandelt werden wie andere Arbeitnehmer. Solange man strenge Regeln und gute Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Covid-19 hat, sind wir überzeugt, dass es sicher ist, Sport auszuüben."
225 von 350 Bezirken in Norwegen seien quasi coronafrei, hätten nur eine Inzidenz von Null oder Eins. Der Sportverband befürchtet, dass nach einem Jahr Pandemie viele Vereinssportler aufhören. Ein weiteres Problem: In Norwegen finanziert der Spitzensport den Jugendsport mit. Finn Aagaard warnt:
"Wenn man den Spitzensport nicht fortführt, wird man auch negative Auswirkungen auf den Jugendsport spüren."
Klatschen aber nicht selbst ausrichten
Wissenschaftler seien bereits besorgt, wie wenig Sport Jugendliche im Pandemiejahr getrieben hätten. Der Sportminister erwidert schriftlich, dass Kinder und Jugendliche priorisiert behandelt würden, wenn Wettkämpfe wieder möglich seien. Jetzt sei es aber wichtig, die Verbreitung des Virus zu verhindern und dazu die Mobilität in der Gesellschaft zu verringern.
Der Sportverband findet den Sonderweg der Regierung unfair – und, dass sich Norwegen den anderen Nationen gegenüber unsolidarisch verhalte. Finn Aagard:
"Wir müssen unseren Anteil leisten, und Wettbewerbe in Norwegen austragen, wie andere Länder in Europa das auch tun. Ich kann verstehen, dass manche Länder in Europa denken, dass es seltsam ist: Wir Norweger klatschen unseren Athleten Beifall, die mit Goldmedaillen aus Österreich oder Italien zurückkommen, aber selbst können wir keine Wettbewerbe ausrichten."
Die Regierung wird auf ihrem harten Coronakurs erstmal keine Ausnahmen machen. Dem Sport bleibt nichts anderes übrig, als auf das Ende der Pandemie zu warten. Damit auch der internationale Sportzirkus wieder in Norwegen willkommen ist.