Schichtwechsel beim grenzüberschreitenden Polizeiteam GPT an der A30 bei Bad Bentheim. Polizeihauptkommissar Gerd Reckels ist einsatzbereit.
"Also, ich habe jetzt meine klassische Ausrüstung dabei, dienstliche Pistole, Handschellen, Pfefferspray habe ich hier oben drin, einen Schlagstock habe ich hier, ein Funkgerät, ein deutsches und ein niederländisches Funkgerät habe ich."
Die nächsten sechs Stunden wird der 55-Jährige auf der Autobahn im Grenzgebiet Streife fahren. Zusammen mit seinem niederländischen Kollegen Bert Bruins. Never change a winning Team.
"Haben Sie genug Platz?"
Binationale Teams - damit die Zuständigkeit an der Grenze nicht aufhört
Seit 2009 macht das grenzüberschreitende Polizeiteam GPT Geldwäscher dingfest, Menschenhändler und Drogenschmuggler. Aber auch Einbrecher, Urkundenfälscher, Kindesentführer. Das Team besteht aus zehn niederländischen und zehn deutschen Polizisten. Die immer zu zweit im Einsatz sind, denn dann hört die Zuständigkeit an der Grenze nicht auf. Auf deutschem Gebiet hat der deutsche Kollege den Hut auf, auf niederländischem der niederländische, erklärt Bert Bruins und gibt Gas, um einen Wagen zu verfolgen:
"Wir können uns ja den kleinen weißen Mercedes angucken, so ein kleiner Transporter war das."
Warum ausgerechnet der? Was macht diesen Wagen verdächtig? Bruins und Reckels geben sich bedeckt. Das hänge vom Wagentyp ab und von den Insassen. Wie viele sind es? Wie verhalten sie sich? Ein Schleuser sitze in einem anderen Auto als ein Drogenschmuggler.
"Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, wo wir sagen: Wir wollen nicht so viel preisgeben."
Jedenfalls ist ihr Auge geübt. Sie wissen, wann es sich lohnt, einen Wagen anzuhalten. Und deshalb darf der weiße Transporter unbehelligt weiterfahren.
"Nee, war's nicht..."
"Das ist einfach Erfahrung, man sieht sein Gesicht, es wäre verschwendete Zeit, ihn jetzt zu kontrollieren."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Leere Gefängnisse, mächtige Staatsanwälte – Justiz in den Niederlanden".
Mehr als 8.000 Straftaten hat das GPT seit seinem Bestehen 2009 aufgedeckt. 350 Kilogramm an Drogen sichergestellt. 700 per Fahndung gesuchte Straftäter aufgegriffen. Und nebenbei sehr viele Einblicke bekommen in die Polizeiarbeit der Kollegen auf der jeweils anderen Seite der Grenze.
"So! Da sind wir wieder."
Denn da gibt es viele Unterschiede. "Die Niederländer sind viel lockerer und pragmatischer als wir", erzählt Gerd Reckels im GPT-Sitzungsraum:
"Bei euch probiert man einfach etwas aus. Wenn es gut ist, wird es etabliert, wenn es schlecht ist, wieder eingestellt. Bei uns wird es erstmal zwischen fünf und zehn Jahre getestet."
Und während Reckels gerade erst vor zwei Wochen ein Smartphone als Diensttelefon bekommen hat, ist für seine niederländischen Kollegen das eigene Handy schon seit Jahren die normalste Sache der Welt.
Verschiedene Ermessensspielräume bei Drogendelikten
Unterschiede auch beim Datenschutz: Im Gegensatz zur deutschen Polizei dürfen die Niederländer Kennzeichenlesegeräte benutzen.
"Da schau ich schon ein bisschen neidisch rüber. Ich find's schade, dass wir uns da nicht weiterentwickeln. Bei uns ist der Datenschutz ein Riesenbegriff."
Am beneidenswertesten allerdings findet Gerd Reckels den Ermessensspielraum seiner niederländischen Kollegen:
"Zum Beispiel die Drogen. Wenn Leute die Grenze übergehen und die haben eine geringe Menge Drogen dabei, dann können wir sagen: Okay, wir beschlagnahmen die Drogen, der Verdächtige sagt: Okay, ich bin damit einverstanden, und hat sich erledigt. Und die deutschen Kollegen, die müssen Protokoll schreiben, und es geht zur Staatsanwaltschaft. Das ist der große Unterschied."
Um eines allerdings dürfte die niederländische Polizei die deutsche beneiden – und das ist die Aufklärungsrate. Sie ist in Deutschland mit über 50 Prozent gut doppelt so hoch wie in den Niederlanden – und daran werden die Niederländer nicht gerne erinnert. Bert Bruins führt das auf den hohen Arbeitsdruck zurück und macht – wie viele Gewerkschaftsvertreter – Personalmangel und Einsparungen der letzten Jahre dafür verantwortlich.
"Ich glaube, dass da das große Problem ist."
Aber diese Probleme kennt auch die deutsche Polizei.
Beide Polizeien sind sehr unterschiedlich organisiert
Experten verweisen auf das unterschiedliche Ausbildungsniveau: Deutsche Polizisten brauchen in der Regel Fachhochschulabschluss, niederländische nicht.
"Ja, das stimmt. In den Niederlanden ist es einfacher; die Ausbildung, die man braucht, um zur Polizei zu kommen, die ist deutlich niedriger, als die man in Deutschland hat."
Außerdem: Deutschland kennt verschiedene Dezernate mit Spezialisten - für Sitte, Drogen, organisierte Kriminalität. Niederländische Kripo-Beamte hingegen haben Generalisten zu sein.
Eine Ursache für die niedrige Aufklärungsquote könnte auch das Verhältnis zwischen Kripo-Beamten und Schutzpolizei sein – und die Bürokratie, die niederländischen Polizisten weitaus mehr, als es den Anschein hat, zu schaffen mache.
Das jedenfalls ergab eine bislang einzigartige Untersuchung, die der niederländische Strafrechtsexperte Peter Tak bereits vor 20 Jahren an der Universität Nimwegen durchführte. Dabei hat er den Arbeitsalltag der Polizei in Nordrhein-Westfalen mit dem der niederländischen verglichen. Auf beiden Seiten der Grenze sind jeweils 40.000 Polizisten im Einsatz. Aber auf deutscher Seite sind davon 75 Prozent Schutzpolizisten und nur 25 Prozent Kripo-Beamte, in den Niederlanden ist das Verhältnis 50 zu 50. Professor Tak:
"Wir Niederländer haben weniger uniformierte Polizisten im Einsatz - also auf der Straße, da, wo die Straftaten begangen werden. Und diese Polizisten verbringen viel zu viel Zeit mit Protokollen und Berichten, anstatt ihrer eigentlichen Arbeit nachzugehen."
Die Regierung in Den Haag war von Taks Untersuchung alles andere als angetan. Eine Folgestudie hat es nie gegeben. Und so bleiben Fragezeichen.