Martin Zagatta: Europas Lastwagen-Hersteller wie Daimler, wie MAN oder auch Volvo geben sich entsetzt: Die EU-Vorgaben, den CO2-Ausstoß und den Spritverbrauch von Bussen und schweren LKW stark zu drosseln, die gehen ihnen, wie auch nicht anders zu erwarten, viel zu weit. Dennoch ist das Europaparlament in diesen Minuten dabei, die Klimaschutz-Vorgaben zu verabschieden, auf die man sich nach langem Hin und Her auch jetzt mit den Mitgliedsstaaten schon geeinigt hat.
Den LKW-Herstellern - das haben wir gehört - geht dieser Kompromiss, 30 Prozent weniger Kohlendioxid bis 2030, viel zu weit. Wie berechtigt sind diese Einwände? Das kann ich jetzt Professor Ferdinand Dudenhöffer fragen. Er arbeitet als Ökonom und Verkehrswissenschaftler, also als ausgesprochener Autoexperte an der Universität Duisburg. Wie sehr bringen diese Vorgaben die europäischen LKW-Hersteller jetzt unter Druck, vor allem Daimler und MAN? Oder ist das Panikmache, was wir da von denen hören?
Ferdinand Dudenhöffer: Man hört jetzt wieder, die Welt geht unter, man wird in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen. Dabei stimmt das ja, was eben von dem Kommentator oder von dem Vorredner gesagt worden ist, nicht zu 100 Prozent, dass man jetzt keine Alternativen hätte. Selbstverständlich kann man "plug in"-Hybride - die gibt es ja auch bei den PKW - jetzt mal endlich in die LKW bringen. Das würde deutliche Entlastungen bringen.
Dann können diese Fahrzeuge 20, 30, 40 Kilometer mit Strom fahren, den man emissionsfrei nachtanken kann, wenn er vernünftig gemacht wird, und dann mit Diesel weiterfahren. Das würde deutliche Verbesserungen bringen. Die sind bei den PKW "state of the art", ist heute in jedem Autohaus zu kaufen. Es ist überhaupt nicht verständlich, dass das nicht bis 2030 im LKW sein soll.
Und dann muss man auch sagen: Jetzt stimmt man bei den PKW - ich bin hier in Shanghai jetzt bei der Automesse - wieder in diese Sache ein, wir müssen schneller werden bei den Elektroautos, bei den PKW, denn die Welt braucht sie. Die ganze Zeit bremst man in Deutschland. Die deutsche Bundesregierung bremst. Die Frau Merkel gibt ja Steuererleichterungen auf Diesel-Sprit und sagt, gleichzeitig will sie die Elektromobilität fördern und den Diesel nicht kaputt machen.
Kein Mensch der Welt kann gleichzeitig, noch nicht mal der liebe Gott, mit einem Diesel und mit einem Elektroauto gleichzeitig fahren. Man muss sich dann schon konzentrieren, was man machen will. Beim Elektroauto - auch das zeigt jetzt Tesla, aber zeigen auch andere - sind diese Alternativen denkbar.
2030 ist zwar bald für die Autobauer, aber eben nicht morgen Früh. Ich bin sicher, man hätte auch mit schwereren Vorgaben die Dinge umsetzen können. Die Welt wäre nicht untergegangen. Im Gegenteil! Wenn wir diese Regulierungen nicht machen, dann geht die Welt wirklich unter, denn dann haben wir das Klimaproblem.
"Für das Klima ist es wirklich eine Wohltat"
Zagatta: Herr Dudenhöffer, gibt es da so einen großen Unterschied jetzt? Wir hören, bei PKW sei das womöglich noch zu machen mit diesem Elektroantrieb. Bei LKW, da sei das mit diesen schweren Fahrzeugen viel, viel schwieriger. Da würde Elektroantrieb wahrscheinlich gar nichts bringen, sagen die Hersteller, oder das sei sehr viel schwieriger umzusetzen. Ist das kein Argument?
Dudenhöffer: Das ist ein halbes Argument. Richtig ist, dass es schwerer umzusetzen ist, das reine Elektrofahrzeug als LKW, was dann 500 Kilometer fahren soll oder 700 Kilometer am Stück. Das ist schwieriger umsetzbar, weil die Batterien größer sind. Das ist deutlich. Aber auf der anderen Seite ist es so - das sieht man ja auch bei den PKW -, dass die Elektroautos deshalb effizient sind, weil sie beim Bremsen auch die Energie wieder zurückgewinnen, so wie beim Dynamo beim Fahrrad. Es wird dann zurückgewonnen. Man rekuperiert.
Das heißt: Wenn man einmal die Sache in Bewegung gesetzt hat, dann bleibt man fast gleich, denn Bremsenergie kann wieder zurückgeholt werden, und jetzt geht darum, das vernünftig zu machen, diese Rekuperation, dass jetzt nicht nur 20 oder 30 oder 40 Prozent der Energie zurückgeholt werden kann, sondern meinetwegen 90 Prozent zurückgeholt werden kann. Dann sieht man schon, dass man mit Batterien sehr weit kommt.
Wenn man jetzt noch gar nicht ins vollständig batterie-elektrische Auto beim LKW geht, beim schweren LKW, wie es Tesla jetzt vormacht, sondern nur diese "plug in"-Hybride nimmt, dann hat man alle Möglichkeiten der Welt, das auch im Preis vernünftig umzusetzen. Denn LKW sind teuer und da spielen 5.000 oder 10.000 Euro bei dem Fahrzeug dann im Gesamtpreis nicht die Rolle, wie zum Beispiel beim Golf oder beim Passat oder bei einem Mittelklassefahrzeug.
Es ist möglich, der Markt kann es schaffen, der Markt fällt nicht um, und für unser Klima ist es wirklich eine Wohltat. Die Autobauer hätten die Chance, so wie sie bisher in der Vergangenheit immer mit diesen Regulierungen die Gewinner waren. Denn Europa und Deutschland hat sich mit den früheren Regulierungen immer im Innovationsfeld bewegt. Wir haben Innovationen auf die Straße gebracht.
"Aktiengesellschaften sind auf drei Monate fixiert"
Zagatta: Herr Dudenhöffer, das wollte ich Sie gerade fragen. Wenn das so einfach ist, wie Sie uns das schildern, oder verhältnismäßig einfach, dass es auch diese einfachen Maßnahmen schon gibt, warum wehren sich so große Hersteller wie Daimler oder MAN dagegen? Das müsste doch eigentlich auch ein Geschäftsfeld sein, wo man Zukunftschancen hätte.
Dudenhöffer: Schauen Sie, wenn Sie Kartoffeln verkaufen und die Kartoffeln auf dem Acker anbauen und es läuft nach dem alten Prinzip und Sie verkaufen die weiter, dann haben Sie ein gutes Geschäft. Wenn Sie die umstellen müssen auf eine neue Sorte, dann brauchen Sie noch mal ein paar Kosten und die alte Sorte können Sie nicht weiterverkaufen. Die Investitionen, die man heute gemacht hat, die kommen dann nicht zu 100 Prozent zurück.
Man muss neue Investitionen machen, zusätzliche Investitionen, und das drückt natürlich die Gewinne. Das freut weniger dann die Aktionäre. Das macht die Position der Vorstandsvorsitzenden schwieriger bei den Unternehmen. Also ist es rein ein Gewinnspiel.
Dieser Umstieg kostet was an Gewinn, aber langfristig bringt er mehr Gewinn. Die Autobauer, die Aktiengesellschaften sind bei uns halt kurzfristig auf drei Monate fixiert. Die Aktionäre gucken auf Dreimonatskurse. Deshalb ist man vorsichtig und bremst und sagt: Um Gottes willen, die Welt geht unter.
Zagatta: Was mich als Laie etwas überrascht hat, dass es bisher in diesem Bereich für LKW und Busse gar keine gesetzlichen Vorgaben auf EU-Ebene gibt, und dass gleichzeitig es heißt, im Vergleich mit den PKW sei bei den schweren Autos, bei LKW, bei Bussen, schon viel getan worden, die seien schon sauberer. Stimmt das so?
Dudenhöffer: Das stimmt.
Zagatta: Und dann sagt die Autoindustrie, dann haben wir auch weniger Einsparpotenzial, wenn wir schon sauberer sind.
Dudenhöffer: Ja, das ist schon richtig. Es ist viel eingespart worden - auch deshalb, weil im Nutzfahrzeug-Bereich da kommt es immer darauf an, was der Kilometer kostet. Da ist der Treibstoff ein wesentlicher Faktor und der Treibstoffverbrauch. Beim PKW ist es dem Endkunden oft egal, ob der jetzt einen Liter mehr oder weniger braucht. Hauptsache das Auto macht Spaß.
Wenn sich jemand einen schönen BMW oder einen schönen Daimler oder einen Porsche für 100.000 Euro kauft, dann sind 3.000 Euro über das Leben von diesem Auto oder 5.000 Euro für Sprit überhaupt nicht im Verhältnis zu dem. Die LKW fahren mehr, deshalb hat man schon immer sehr streng auf den Verbrauch geachtet. Es war immer ein Wettbewerbsvorteil und dieser Wettbewerbsvorteil wird jetzt sogar noch größer.
"Power to Gas an die Tankstellen bringen"
Zagatta: Betrugsfälle, diese Abschalteinrichtungen, die wir von den PKW kennen, die gibt es im LKW-Bereich nicht?
Dudenhöffer: Die gibt es im LKW-Bereich nicht, weil man frühzeitig da richtig geprüft hat und nicht wie bei den PKW nur so einen künstlichen Test gemacht hat, sondern bei den LKW ist schon seit langer Zeit vorgeschrieben, dass im Feld bei dem normalen Fahren überprüft wird, wie die Emissionen sind. Das war gut so, das war wertvoll so und das hat die Autobauer bei den LKW auch weitergebracht.
Vielleicht noch eine letzte Anmerkung: Man redet ja immer - das sind die Mineralölkonzerne -, dass man Diesel und Benzin gewinnen will aus Strom, "Power to Gas and Power to Liquid" nennen die das. Bis heute haben wir es noch nicht gesehen. Das wäre eine große Chance jetzt, denn bis 2030 dauert noch was. Und es geht ja nur um die neuen Fahrzeuge, die jetzt neu in den Markt kommen.
Den Bestand, das was auf der Straße rollt, günstiger zu machen im CO2-Verbrauch. Wenn endlich auch mal nicht nur geredet würde über "Power to Liquid", wie das so schön heißt, sondern auch mal an der Tankstelle das zu tanken wäre, gerade für die LKW, dann wäre das eine Wohltat.
Zagatta: Herr Dudenhöffer, letzte Frage und vielleicht auch noch kurz. Wo kommen die LKW, die Busse der Zukunft denn her? Schafft das die deutsche Industrie, die deutschen Unternehmen, so wie Sie das einschätzen? Oder sind dann amerikanische Unternehmen und chinesische Unternehmen oder sonst wer ganz vorne?
Dudenhöffer: Die Amerikaner außer Tesla ist da wenig zu sehen. Bei den Japanern, die laufen ein bisschen hinterher. Nach meiner Einschätzung werden die Chinesen auch in dem Feld sehr stark sein und es kann durchaus sein, dass bei den LKW dann die Brennstoffzelle zum Einsatz kommt. Die ist effizient, die lohnt sich im LKW-Bereich und da kann man schnell nachtanken. Mal sehen, das wäre eine Strategie für die Zukunft. Auch das könnten die Deutschen bereits im LKW im Angebot haben.
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