Archiv

Griechenland
"Athener Regierung handelt ohne jeden Bezug zur Wirklichkeit"

Die griechische Regierung handele ohne Konzept und wirtschaftliche Vernunft, sagte Hans Michelbach, Vorsitzender der CSU-Mittelstandsunion, im DLF. Sie nehme ihre Bevölkerung als Geisel, indem sie die Schuld auf das Ausland schiebe und nicht eingestehe, dass die Griechen selbst Ursache des Problems seien.

Hans Michelbach im Gespräch mit Gerd Breker | 17.02.2015
    CSU-Vorstandsmitglied Hans Michelbach, aufgenommen am 15.09.2014 vor Beginn der CSU-Vorstandssitzung in München (Bayern).
    Hans Michelbach: Die Politik in Griechenland macht den Menschen etwas vor. (dpa / picture-alliance / Andreas Gebert)
    Gerd Breker: Teilnehmer berichten von einer chaotischen Sitzung, die auch vorzeitig abgebrochen wurde. Die Finanzminister der Eurogruppe waren auf der Suche nach einem Kompromiss mit dem griechischen Finanzminister in der Schuldenkrise. Eine Frist von Freitag wurde gesetzt, doch auch die will Griechenland nicht akzeptieren. Es wird eng, die Zeit wird knapp. Griechenland braucht bald frisches Geld, doch die Geldgeber beharren auf getroffenen Vereinbarungen. Wenn es denn ein Pokerspiel sein sollte, dann sind die Einsätze extrem hoch und das Risiko erst recht.
    Der Wahlsieg von Tsipras in Griechenland war überzeugend, das Tempo und die Dynamik der Machtübernahme war eindrucksvoll. Alles sollte anders werden in Griechenland, und Wahlversprechen wurden eingelöst. Das beeindruckt auch die Griechen, sie stehen zu ihrer neuen Regierung. Aus ihrer Sicht kann ja alles nur besser werden. Weil Hoffnung das eine ist und die Wirklichkeit das andere, geht man aber dann doch lieber zur Bank und hebt das Ersparte ab, denn: Was soll aus den Banken werden, wer weiß das schon? Das Auftreten der Regierung Tsipras hat etwas Erfrischendes, es hat andererseits aber auch etwas Naives.
    Und am Telefon sind wir nun verbunden mit Hans Michelbach, Vorsitzender der Mittelstandsunion, und das CSU-Mitglied ist zugleich Obmann der Union im Finanzausschuss. Guten Tag, Herr Michelbach!
    Hans Michelbach: Guten Tag, Herr Breker!
    "Athener Regierung handelt ohne jeden Bezug zur Wirklichkeit"
    Breker: Irgendwie hat das etwas von einer verkehrten Welt. Der Schuldner will den Geldgebern vorschreiben, wie es zu laufen hat?
    Michelbach: Tja, die Athener Regierung handelt ohne jeden Bezug zur Wirklichkeit. Statt Vernunft ist offenbar nach wie vor eine wirre Ideologie die Leitlinie der Athener Politik, und diese radikalen Kräfte in Athen sind letzten Endes immer noch völlig unrealistisch, was möglich ist und was nicht möglich ist. Es wird Zeit, dass sie den Menschen im eigenen Land endlich reinen Wein einschenken und eingestehen, dass nicht die Partner, sondern die Griechen selbst die Ursache des Problems sind. Das wäre zunächst einmal ein wichtiger Punkt, ein Anlass, hier die Wahrheit voranzubringen.
    Breker: Vereinbarungen sind getroffen, aber Athen will sich nicht daran halten. Geht das überhaupt?
    Michelbach: Das geht nicht, denn letzten Endes gibt es einen Vertrag, und die Vertragspartner, die Geldgeber, die Gläubiger, die Staaten haben natürlich in ihren nationalen Parlamenten dazu Beschlüsse fassen lassen, wo es heißt, dass das Grundprinzip Hilfe gegen Gegenleistung stattfindet. Und wenn die Gegenleistung wegfällt, wenn man nicht bereit ist, diese zu erfüllen, wie das offenbar jetzt von der griechischen Regierung ins Auge gefasst wird, dann kann natürlich niemand diese Verträge so ohne Weiteres in den Papierkorb werfen.
    "Verhandlungen verlaufen sehr chaotisch"
    Breker: Gestern, Herr Michelbach, saßen die Finanzminister der Eurozone zusammen, und sie hatten nichts, sie hatten keine Zahlen, keine Grundlage. Griechenland hat nichts vorgelegt. Das heißt, die Geduld der anderen Finanzminister wird vom griechischen Finanzminister arg strapaziert.
    Michelbach: Ich höre, dass diese Verhandlung sehr chaotisch verlaufen ist und man eigentlich keinerlei Plan, keinerlei Konzeption vonseiten der griechischen Regierung erkennen kann. Und man müsste natürlich mal sagen, wie ist denn die Entwicklung der Steuereinnahmen, wie ist denn die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts, welche finanziellen Ressourcen sind noch vorhanden, wie will man in die wirtschaftliche Vernunft kommen, wie will man in die Wettbewerbsfähigkeit des Landes kommen? Es geht ja darum, dass man nicht nur zu Dauersubventionen kommt. Ziel muss es ja sein, dass man sich auch selbst nach den eigenen Ansprüchen wieder in die Selbstfinanzierung bringt. Und diese wirtschaftliche Vernunft ist scheinbar überhaupt nicht gegeben.
    Breker: Von außen betrachtet, Herr Michelbach, hat es etwas von einem Pokerspiel, und da stellt sich die Frage, wer hat dabei eigentlich mehr zu verlieren - die anderen Euro-Staaten oder Griechenland?
    Michelbach: Also, mir tun eigentlich die Menschen in Griechenland leid, weil sie von der Politik etwas vorgemacht bekommen. Es wird die Schuld ins Ausland geschoben, und die Bevölkerung wird eher als Geisel der Politik genommen. Ich glaube, dass Griechenland einen Riesenfehler macht, wenn es nicht sehr schnell einlenkt und die vertraglichen Bindungen akzeptiert und das Anpassungsprogramm auch vollzieht. Alles andere führt total ins Abseits, und die Menschen in Griechenland werden die Zeche dafür zu zahlen haben. Also, letzten Endes kann man eigentlich nur mit dem Kopf schütteln, dass man ein solches Spiel mit den Menschen betreibt.
    "Die Finanzmärkte sind nicht mehr so nervös"
    Breker: Vor den Wahlen in Griechenland hieß es aus dem Kanzleramt, dass ein Austritt Griechenlands aus dem Euro seinen Schrecken verloren habe. Nun läuft alles darauf hin. Es sieht so aus, als würde Griechenland austreten müssen.
    Michelbach: Ich denke mal, die griechische Regierung hat im Sinn, dass man mit Gewalt einen Schuldenschnitt erreichen möchte. Das ist, glaube ich, auch das Pokerspiel, das man betreibt. Gut, man kann natürlich den Grexit von unserer Seite nicht unbedingt wollen, weil das würde ja bedeuten, dass ein Totalausfall für die Gläubiger stattfindet. Das würde für Deutschland einschließlich der Haftung bei der EZB eine Summe von etwa 60 Milliarden Euro bedeuten. Das ist alles nicht schön, und es gibt natürlich auch kein Modell für den Austritt eines Landes aus einer Währungsunion. Also, diese Entwicklung halte ich für sehr schwierig und sehr problematisch. Aber natürlich hat man Zeit gewonnen in der Vergangenheit, die Finanzmärkte sind nicht mehr so nervös. Wie sich das letzten Endes aber auswirken wird, dafür gibt es keinen Modellfall, und das wird nicht einfach werden.
    Breker: 60 Milliarden würde Deutschland verlieren, das ist das eine. Das andere ist, Griechenland braucht frisches Geld, Griechenland soll frisches Geld auch bekommen. Aber macht es denn überhaupt noch Sinn, dass man sozusagen 60 Milliarden schlechtem Geld gutes Geld hinterherwirft?
    Michelbach: Mit Sicherheit nicht. Und man muss sehen, dass das Ziel immer sein muss, keine Dauersubvention, sondern wirtschaftliche Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit des Landes und Finanzierung der eigenen Ansprüche durch das Land selbst. Das muss das Ziel sein, da wollte man dafür Zeit geben durch Anpassungsprogramme. Wenn das nicht mehr stattfindet, und man hat ja gesagt vonseiten der griechischen Regierung, dass man eher zu viel Geld gegeben hätte. Gleichzeitig will man aber unkonditioniert neues Geld haben. Also, das ist alles etwas wirr und ohne Plan und ohne Konzeption. Ich meine, dass es wichtig ist, dass die ökonomische Bestandssicherung in Griechenland auch ein Thema sein muss, also, ohne dass man das Ziel praktisch der Hilfe gegen Gegenleistung und der Besserung zur Wettbewerbsfähigkeit und der Refinanzierung am Markt selbst durch Griechenland - da kann man eigentlich nicht vorbei, denn das würde ja auch gegenüber den Steuerzahlern bei uns natürlich eher ein Fall von Untreue sein.
    "Ich hoffe ja immer noch, dass Vernunft einkehrt"
    Breker: Das heißt, wenn es spitz auf Knopf kommt, Herr Michelbach, keine Zahlen aus Griechenland, keine Zusicherung, dass man sich an Vereinbarungen halten will, dann neues Geld aus Europa, neues Geld aus Deutschland?
    Michelbach:Nein, ich glaube nicht, dass es hierfür Mehrheiten im Parlament geben wird, ohne dass man Sicherheiten hat, ohne dass man ein Reformprogramm hat, ohne dass man Gegenleistungen hat und Klarheit bei den Privatisierungen hat also, wird das alles nicht so einfach sein, dafür Mehrheiten im deutschen Parlament zu erreichen.
    Breker: Und kein Geld aus Europa heißt für Griechenland die Pleite?
    Michelbach: Ja, das wäre die bittere Pille für Griechenland, insbesondere für die Bevölkerung. Ich hoffe ja immer noch, dass Vernunft einkehrt, dass man das noch löst. Aber die Zeit läuft natürlich, und die Zeit ist eigentlich schon vertan, weil so kurzfristig es auch schwierig wird, im Deutschen Bundestag Abstimmungen für eine neue Anpassungsformel oder für eine Verlängerung der Verträge zu erreichen. Das würde ja nur in der nächsten Woche gehen, und hier gibt es noch keinerlei Vorlagen für die Fraktionen. Das wird alles sehr knapp, sehr schwierig.
    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Einschätzung von Hans Michelbach. Der CSU-Politiker ist Vorsitzender der Mittelstandsunion. Herr Michelbach, ich danke Ihnen für diese Einschätzungen!
    Michelbach: Ich danke Ihnen, Herr Breker!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.