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Griechenland-Beratungen in Brüssel
Das Sparen am eigenen Leib spüren

Die eigene Bettwäsche ins Krankenhaus mitbringen, bis zu 80 Prozent des Gehalts für Steuern und Sozialabgaben abgeben: Die Sparmaßnahmen, die Griechenland von der EU verordnet wurden, sind in jedem Bereich des öffentlichen Lebens angekommen. Kritiker werfen der Regierung Tsipras vor, die Wirtschaft zu bremsen.

Von Rodothea Seralidou |
    In zahlreichen griechischen Städten, so wie hier in Thessaloniki, kommt es wegen des Streiks zu Zugausfällen.
    Die Sparmaßnahmen der griechischen Regierung sind in jedem Bereich des öffentlichen Lebens zu spüren. (AFP / Sakis Mitrolidis)
    Vor dem Finanzamt von Glyfada, im Athener Süden. Mit Akten, Formularen und anderen Unterlagen eilen Menschen ins Gebäude oder kommen gerade heraus, unter ihnen ist der 61-jährige Dimitris. Seinen Nachnamen möchte der kleine Mann mit dem weißen Schnurrbart nicht nennen. Dass die Euro-Finanzminister von Griechenland weitere Sparmaßnahmen verlangen, macht ihn rasend:
    Reformen auf Kosten der Schwachen
    "Wir kennen diese Institutionen mittlerweile sehr gut. Sie üben ständig Druck aus und wollen noch mehr Einschnitte. Dabei weiß doch jeder, dass die Sparmaßnahmen in die falsche Richtung gehen. Die Institutionen müssten die Verantwortung übernehmen und das zugeben; stattdessen bestehen unsere EU-Partner auf neuen Maßnahmen. Sie sind es aber nicht, die das ausbaden müssen, sondern wir! Meine Rente sinkt und sinkt, ich kann mich kaum mehr über Wasser halten. Und so wie mir, geht es vielen Leuten."
    Tsipras habe ja beim Referendum im Juni 2015 ein klares "Nein" von der griechischen Bevölkerung bekommen, was die Weiterführung der Austeritätspolitik angeht, sagt Dimitris. Dass der griechische Premierminister trotzdem ein drittes Hilfspaket unterzeichnete und sich seit Monaten mit erfolglosen Verhandlungen herumschlägt, findet der Rentner erbärmlich:
    "Irgendwann mal muss es auch gut sein. Wir müssen reagieren! Wollt ihr uns nicht? Okay, dann gehen wir halt! Tsipras hätte das schon längst machen müssen, das Volk stand ja hinter ihm!"
    Die eigene Bettwäsche ins Krankenhaus mitbringen
    Die Sparmaßnahmen seien in jedem Bereich des öffentlichen Lebens zu spüren, sagt der Rentner. Die Griechen fragen sich, warum sie zum Beispiel so viel in die staatliche Gesundheitskasse zahlen sollen, wenn gleichzeitig das Gesundheitssystem kaputt gespart wird:
    "Gehen Sie doch in ein Krankenhaus, um zu sehen, welche Zustände da herrschen! Mein Sohn lag einen Monat im Krankenhaus. Uns wurde gesagt, dass wir die Bettwäsche von zu Hause mitbringen sollen, sogar den Verband mussten wir in der Apotheke kaufen! Auf der ganzen Station arbeiteten nur zwei Krankenschwestern. Einen Monat lang habe ich nicht geschlafen und mich um meinen Sohn gekümmert."
    Kommunistische Ideologie wird zum Fallstrick für die Regierung
    Mit echten Reformen habe dies nichts zu tun, findet auch die Rechtsanwältin Efi Papadopoulou. Fast 80 Prozent ihrer Einnahmen würden mittlerweile an Steuern und Sozialabgaben abgezogen. Doch so könne man das Land nicht retten, sagt sie:
    "So lange wir so viele Arbeitslose haben, solange die Regierung Investitionen verhindert und ausländische Unternehmen verscheucht, kann zum Beispiel auch das Rentensystem nicht saniert werden. Die Regierung muss diesen Firmen vielmehr Anreize geben, damit Arbeitsplätze geschaffen werden. Leider kann sie nicht begreifen, dass das private Unternehmertum den Staat retten kann. Dazu hat sie eine zu stark kommunistische Ideologie."
    Maßnahmen, um den Armen zu helfen
    Die 58-jährige Efi Tsourtou ist weniger hart mit ihrer Kritik der Regierung gegenüber. Schließlich habe sie ja, entgegen dem Willen der Euro-Partner schon die ersten positiven Maßnahmen für die Bevölkerung ergriffen, zum Beispiel den Kleinrentnern zu Weihnachten einen Rentenzuschlag gegeben und schon bald werden die sozial Schwächsten bis zu 200 Euro Sozialhilfe bekommen. Das sei zwar nicht die Welt, es sei aber ein Anfang, sagt Tsourtou:
    "Es zählt nicht so sehr die Höhe der Beträge, die ausgezahlt werden, sondern viel mehr der Wille, den erzielten Primärüberschuss den Armen zu geben. Auch das wollten unsere Kreditgeber nicht. Denn sie wollen nicht, dass Tsipras ihnen die Suppe versalzt. Aber genau deshalb wurde er gewählt, um ihnen die Suppe zu versalzen. Er versucht es zumindest. Sollte er es nicht schaffen, kann er ja immer noch nach Hause gehen. Es ist aber besser, zu kämpfen, als gar nichts zu unternehmen."