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Griechenland-Debatte
"Es gibt wohl kaum Auswirkungen"

Sollte es irgendwann tatsächlich dazu kommen, dass Griechenland aus dem Euro austritt, werde das kaum Auswirkungen auf andere europäische Länder haben, sagte Michael Schröder vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung im DLF. Ferner hinterfragte er kritisch, ob ein Austritt aus der Gemeinschaftswährung rechtlich überhaupt möglich sei.

Michael Schröder im Gespräch mit Silke Hahne |
    Eine Ein-Euro-Münze und einige Stapel von verschiedenen anderen Münzen
    Michael Schröder: "Ein Ausfall griechischer Staatsschulden beispielsweise würde nur die griechischen Banken selbst treffen, aber sicherlich nicht die anderen europäischen Banken." (picture-alliance / dpa / Tobias Hase)
    Silke Hahne: Die Debatte um einen möglichen Austritt Griechenlands aus dem Euro ist erneut entfacht. Anlass ist eine Meldung des Magazins "Spiegel", die Bundesregierung halte einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone inzwischen für hinnehmbar. Infolge der Nachricht schwappte die Diskussion in Berlin hoch: Die Linke spricht von Erpressung, die Regierung wies Vorwürfe zurück, sich in den griechischen Wahlkampf einzumischen. Der allerdings läuft ziemlich ungestört weiter wie bisher. Die Reaktionen auf die deutsche Debatte fielen in Griechenland relativ entspannt aus.
    Wie sich diese Diskussion jetzt schon auf das Land auswirkt und wie die Zusammenhänge zwischen griechischer Wirtschaft, Bankhäusern und dem Rest Europas sind, darüber konnte ich vor dieser Sendung mit Michael Schröder vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung sprechen. Er leitet dort den Forschungsbereich internationale Finanzmärkte. Und als erstes habe ich Michael Schröder gefragt, wie sich die Diskussionen auf die Realwirtschaft und den Finanzplatz Griechenland auswirken.
    Michael Schröder: Wenn man sich anschaut, was derzeit an den Aktienmärkten passiert, dann eigentlich recht wenig. Es gibt wohl kaum Auswirkungen, die europaweit von größerer Bedeutung sind. Das jedenfalls signalisieren die Finanzmärkte. Anders sieht es sicherlich in Griechenland dann selbst aus. Wenn es meinetwegen zu einem Ausfall von griechischen Staatsschulden kommen sollte, was ja auch derzeit diskutiert wird, dann würde sich das sicherlich stark auf die griechische Bankenlandschaft auswirken, aber wahrscheinlich nicht darüber hinaus.
    Hahne: Der Euro befindet sich derzeit im Sinkflug. Die Währung ist heute auf den tiefsten Stand seit neun Jahren, seit 2006 gesunken. Welche Gefahren oder vielleicht auch Chancen birgt denn der schwache Euro für die griechische, aber auch für die europäische Wirtschaft?
    Schröder: Der Euro ist tatsächlich jetzt doch um einiges gesunken. Wenn man das von der Spitze her betrachtet - das war etwa 2008 -, dann sind das ungefähr 25 Prozent Rückgang. Aber Währungen sind generell volatil und von daher sollte man auch diese Veränderung des Euro jetzt nicht überbewerten. Ich denke, der hauptsächliche Grund für die Schwäche des Euro liegt schlicht in der Geldpolitik begründet, und zwar in den relativ niedrigen Zinsen. In den USA wird ein deutlicher Anstieg erwartet im Laufe des Jahres, in Europa nicht, und ich denke, das hat sehr wenig mit Griechenland beispielsweise zu tun. Es ist eigentlich ein normaler Vorgang der Währung.
    Hahne: Auch wenn es mit Griechenland wenig zu tun hat, wirkt es sich denn auf Griechenland aus?
    Schwacher Euro kann Europa helfen
    Schröder: Nicht viel anders als auf andere Länder auch. Die griechische Wirtschaft leidet wahrscheinlich noch viel stärker als alle anderen unter einer mangelnden Kreditversorgung derzeit. Das liegt natürlich auch daran, dass die griechische Wirtschaft auch insgesamt aus sich heraus relativ schwach wächst und daher auch wenig Kredite benötigt. Aber die Banken sind sicherlich noch viel zögernder als in den anderen Ländern, Kredite zu vergeben. Aber ich glaube nicht, dass die Niedrigzinsen in Europa sich jetzt besonders anders auswirken. Der schwache Euro insgesamt kann Europa insgesamt etwas helfen, das Wachstum zu stimulieren, weil es ja insgesamt die Exporte außerhalb des Euro-Gebiets dann günstiger macht, die Importe natürlich verteuert, aber das ist dann die Kehrseite der Medaille. Aber das ist sogar auch ein erwünschter Effekt, ganz nebenbei, weil ja derzeit auch viel davon gesprochen wird, dass in Europa die Inflation anziehen sollte, und ein schwacher Euro würde dann auch helfen, dass die Inflation etwas mehr zunimmt.
    Hahne: Sie haben nun den Bankensektor selbst schon angesprochen. Die Angst vor einem Austritt Griechenlands speiste sich ja zumindest in Zeiten der Finanzkrise unter anderem aus den engen Verflechtungen zwischen den europäischen Banken. Wie steht es denn derzeit um diese Gefahr, sollte es wirklich zu einem Austritt kommen?
    Schröder: Die Verflechtung unter den Banken ist sicherlich nach wie vor da, aber nicht, was griechische Staatsanleihen angeht. Ein Ausfall griechischer Staatsschulden beispielsweise würde "nur" die griechischen Banken selbst treffen, aber sicherlich nicht die anderen europäischen Banken. Insofern wäre aus dieser Sicht ein Austritt Griechenlands vertretbar.Eine andere Frage ist: Kann ein Land überhaupt aus dem Euro austreten? Da gibt es sicherlich noch eine ganze Reihe auch rechtlicher Probleme, wie so etwas denn zustande kommen könnte, wenn es denn zustande kommt.
    Hahne: Eine weitere Angst war damals zumindest: Tritt ein Land aus, kommt es zu einer Kettenreaktion, dann sind die Türen geöffnet für weitere Austritte anderer schwacher Wirtschaften im Euro-Raum. Liegt da wirklich noch ein Gefahrenpotenzial?
    Schröder: Nein, das glaube ich nicht. Derzeit wird tatsächlich nur über Griechenland spekuliert. Vor 12 oder 18 Monaten wurde auch über andere Länder gesprochen, bei denen die Staatsschulden relativ hoch sind. Ich möchte die Länder gar nicht erwähnen, das ist, glaube ich, allgemein bekannt. Derzeit gibt es diese Probleme außerhalb Griechenlands nicht und ich glaube, da wird es auch keine weitere Diskussion geben, und wenn es überhaupt dazu kommen sollte, dass Griechenland aus dem Euro austritt oder freiwillig ausscheidet, dann wird es kaum Auswirkungen auf beispielsweise andere Länder haben in Europa.
    Hahne: ... sagt Michael Schröder vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung über einen möglichen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro, und in Athen sind am späten Nachmittag die Börsenkurse eingesackt. Der ATEX steht bei minus fünf Prozent.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.