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Griechenland
"Die EZB-Regeln gelten für alle"

Nur weil Griechenland eine neue Regierung habe, könne diese nicht einfach die "Regeln über den Haufen werfen", sagte Norbert Barthle, Haushaltsexperte der Unionsfraktion, im DLF. Nach der neuen Ankündigung der Europäischen Zentralbank werde es finanziell schon bald eng für das Land.

Norbert Barthle im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Norbert Barthle
    Norbert Barthle: Vorsitzender der Arbeitsgruppe Haushalt der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und damit haushaltspolitischer Sprecher. (Imago/Metodi Popow)
    Die Europäische Zentralbank hat auf die Abkehr Griechenlands vom bisherigen Reformkurs reagiert. Sie setzte eine Sondergenehmigung für griechische Staatsanleihen aus. Die EZB will vom 11. Februar an diese Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten für Bankkredite anerkennen.
    Für Norbert Barthle ist klar: EZB-Chef Draghi halte sich an die Regeln, Griechenland hätte die Konsequenzen voraussehen müssen. Er respektiere die Entscheidung, weil sie den Regeln der EZB entsprächen, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im DLF.
    Er nehme an, dass es spätestens ab Ende Februar für die griechischen Finanzen eng werde. Jetzt müsse man abwarten, was die Griechen als Maßnahmenpaket auf den Tisch zu legen bereit seien. Er erwarte, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble seinen griechischen Kollegen Yanis Varoufakis heute auf den Boden der Tatsachen zurückholen werde. "So funktioniert die Zusammenarbeit in Europa nicht, die Regeln gelten auch für Griechenland."

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Es war eine Entscheidung gestern Abend, die mitten in die Europatour des neuen griechischen Ministerpräsidenten platzte. Die Europäische Zentralbank kündigt eine Sonderregelung für Griechenland. Sie will künftig keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheiten für Bankkredite akzeptieren. Das ist eine Entscheidung, die heute in Berlin sicher für einigen Gesprächsstoff sorgen wird. Am Telefon ist jetzt Norbert Barthle, der Haushaltssprecher der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen.
    Norbert Barthle: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Barthle, wir versuchen heute Morgen, immer noch herauszufinden, welche Konsequenzen dieser Schritt haben wird. Was könnten die Folgen für die Finanzen in Griechenland sein?
    Barthle: Das hat sicherlich Auswirkungen auf Griechenland. Aber im Grunde genommen hätte die neu gewählte griechische Regierung das voraussehen müssen und auch wissen müssen, dass es so kommt, denn der Herr Draghi tut nichts anderes, als sich an die Regeln zu halten, die sowohl für die EZB als auch für alle anderen europäischen Länder gelten, und die lauten nun mal: Wenn ein Land kein Programmland mehr ist, also nicht unter einem Rettungsschirm ist, dann dürfen auch die jeweiligen Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten hinterlegt werden. Außerdem gibt es dann noch eine Obergrenze für das Aufkaufen von Staatsanleihen durch die EZB. Also dem Herrn Draghi sind da schlicht und einfach die Hände gebunden und ich wundere mich, dass die neu gewählte Regierung in Griechenland diese Zusammenhänge nicht weiß und nicht kennt und sich entsprechend darauf einstellt, denn es war ja die neu gewählte Regierung in Griechenland, die gesagt hat, sie wollen aus dem laufenden Programm aussteigen, sie wollen das nicht beenden. Das ist dann ein sogenannter dirty exit und damit sind auch dem Herrn Draghi die Hände gebunden.
    "Europäische Regeln nicht über den Haufen werfen"
    Armbrüster: Aber diese neue griechische Regierung befindet sich ja auch mitten in Verhandlungen mit den europäischen Partnern und da kann man ja schon die Frage stellen, mischt sich Mario Draghi nicht in aktuelle politische Prozesse ein.
    Barthle: Ich sehe das so, dass ich die Entscheidung der Europäischen Zentralbank respektiere, weil sie den Regeln entspricht. Alles andere wäre ein Regelverstoß, und gerade darum geht es derzeit auf europäischer Ebene. Man muss der griechischen Regierung klar machen, dass wir das Wahlergebnis akzeptieren, dass wir bereit sind zu Verhandlungen, aber dass die Regeln, die für alle gelten, auch für Griechenland gelten. Nur weil dort eine neue Regierung gewählt worden ist, werden die europäischen Regeln nicht über den Haufen geworfen. Das geht nicht und damit muss sich die neue Regierung auch abfinden.
    Armbrüster: Jetzt hat das Finanzministerium in Athen bereits gesagt, diese Entscheidung der Europäischen Zentralbank, die wird keine besonderen Auswirkungen haben. Sehen Sie das auch so?
    Barthle: Nein, das sehe ich schon etwas anders. Bereits Ende Februar wird es für die griechischen Finanzen eng werden. Wenn das Programm verlängert werden kann, wozu es aber entsprechender Beschlüsse bedarf, dann hat Griechenland vielleicht noch zwei, drei Monate flüssige Mittel. Aber dann wird es sehr eng und dann kommt irgendwann der Tag, an dem Griechenland auf Hilfe von außen angewiesen sein wird, und darauf muss man sich einstellen.
    "Griechische Regierung muss diese Krise abwenden"
    Armbrüster: Aber können wir denn im Rest von Europa sozusagen zusehen, wie das Euro-Mitgliedsland Griechenland immer weiter reinschlittert in diese Krise und, wie Sie sagen, auf die Zahlungsunfähigkeit zusteuert? Ist das nicht auch in unserem Interesse, da gegenzusteuern?
    Barthle: Selbstverständlich! Das sehen Sie vollkommen richtig. Deshalb warten wir ab, was die griechische Regierung als Paket auf den Tisch zu legen bereit ist, um diese Krise entsprechend abzuwenden. Bislang ist es ja so, dass nahezu stündlich andere Vorschläge aus Griechenland kommen, und deshalb rate ich uns sehr, von dem etwas doch forschen Auftreten uns weder irritieren, noch provozieren zu lassen, sondern in aller Ruhe abzuwarten, was die griechische Regierung bereit ist, auf den Verhandlungstisch zu legen. Denn nur etwas zu fordern, geht auch nicht, sondern die müssen etwas anbieten, das eine Perspektive eröffnet, dass dieses Land wieder auf eigene Beine kommt und nicht dauerhaft am Tropf anderer hängt. Momentan hat man den Eindruck, der griechischen Regierung geht es nur darum, ihre Schulden los zu werden oder frisches Geld zu bekommen. Das ist aber nicht der Weg in die Zukunft. Der Weg in die Zukunft ist, dass Griechenland selbst wieder in der Lage ist, sich Kredite zu beschaffen und sich damit unabhängig macht von externen Geldgebern.
    "Varoufakis auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen"
    Griechenlands Finanzminister (r) Yanis Varoufakis und Ministerpräsident Alexis Tsipras
    Griechenlands Finanzminister (r) Yanis Varoufakis und Ministerpräsident Alexis Tsipras (imago / Wassilis Aswestopoulos)
    Armbrüster: Der griechische Finanzminister Varoufakis wird ja heute zu Gesprächen in Berlin erwartet. Er wird Finanzminister Schäuble treffen. Was erwarten Sie? Was sollte Varoufakis da auf den Tisch legen?
    Barthle: Ich kann es Ihnen nicht sagen, weil ich nicht weiß, welche Vorstellungen die neue griechische Regierung hat. Das weiß, glaube ich, momentan noch niemand. Vielleicht wissen sie es selber gar nicht so richtig. Ich nehme an, unser Finanzminister wird dem Herrn Varoufakis genau die Zusammenhänge erläutern, die ich versuche, gerade auch darzustellen. Er wird versuchen, den Herrn Varoufakis auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Dann kann man anfangen zu verhandeln. Politik beginnt immer mit der Betrachtung der Realitäten.
    Armbrüster: Aber so besonders verhandlungsbereit scheinen die ja gar nicht zu sein in Griechenland.
    Barthle: Ich nehme an, das wird sich ändern, wenn auch Herr Varoufakis und Herr Tsipras erkennen, dass man nicht einfach alles übern Haufen werfen kann, weil man sagt, wir sind jetzt neu und wir sind jetzt da und jetzt soll alles so gehen, wie wir uns das vorstellen. So funktioniert das Zusammenarbeiten in Europa nicht. Wir haben klare Regeln, wir haben Gesetze, wir haben Verabredungen, wir haben Bedingungen für Hilfskredite und die gelten auch für Griechenland.
    "Neue Regierung wird von uns akzeptiert"
    Armbrüster: Nun haben sich ja auch verschiedene Politiker bereits auf europäischer Ebene dafür ausgesprochen, dass man auf diese griechische Regierung durchaus zugehen könnte und dass man ihnen durchaus auch Zugeständnisse machen kann, weil die Regelung zum Beispiel mit der Troika nicht unbedingt die optimale war. Können Sie sich denn vorstellen, dass auch die Bundesregierung einen Schritt zumacht auf die neue Führung unter Alexis Tsipras und sagt, über diesen oder jenen Punkt können wir möglicherweise reden?
    Barthle: Wenn die Regierung ein Maßnahmenpaket auf den Tisch legt, das die bisher verabredeten Maßnahmen äquivalent ersetzen kann, selbstverständlich. Das ist gar keine Frage. Die neue Regierung wird von uns akzeptiert und respektiert, die ist gewählt, ist demokratisch gewählt. Mit der neuen Regierung wird man verhandeln und einen Weg suchen, wie man Griechenland aus diesem Dilemma heraus bekommt. Das ist gar keine Frage. Niemand von uns hat ein Interesse daran, Griechenland zu schaden oder gar diese Regierung zu stürzen oder etwas Ähnliches. Niemand! Das hätte man früher und leichter und billiger haben können. Deshalb geht es sicherlich darum, Wege aufzuzeigen, die zu einer Lösung führen. Aber diese Wege können immer nur auf der Grundlage der bestehenden Vereinbarungen verabredet werden und nicht alles sozusagen in Frage zu stellen.
    Armbrüster: Aber das ist ja genau das Problem, Herr Barthle. An die bestehenden Vereinbarungen möchte sich Alexis Tsipras nicht halten.
    Barthle: Ich möchte auch manches nicht, was ich tun muss, und das wird er irgendwann noch verstehen müssen.
    Armbrüster: Wie sehen Sie denn das Szenario in den kommenden Wochen, wenn es Ende Februar wirklich eng wird? Ab wann, glauben Sie, wird er umschwenken?
    Barthle: Ich vermute, dann, wenn die Zeit es erfordert, wenn es eng wird für Griechenland. Denn auch die neue griechische Regierung hat ja immer wieder betont, dass sie gerne im Euro-Raum bleiben würde, dass sie gerne den Euro behalten würde. Das ist richtig und vernünftig und dann muss sie die entsprechenden Schritte unternehmen.
    Armbrüster: Können Sie sich denn vorstellen, dass wir auch an einem Punkt ankommen, wo möglicherweise die Bundesregierung der griechischen Bevölkerung sagen muss, ihr habt leider die falsche Regierung gewählt?
    Barthle: Das kann ich mir schlecht vorstellen, denn ein solcher Schritt wäre politisch ausgesprochen unklug, denn dann hätte diese neue Regierung einen Schuldigen gefunden und bei der nächsten Wahl wäre das Wahlergebnis noch dramatischer als jetzt. So ein Schritt wäre politisch völlig unklug.
    Armbrüster: Norbert Barthle, der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, heute Morgen live hier bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Herr Barthle, für dieses Interview.
    Barthle: Bitte sehr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.