Kann das gut gehen, wenn ausgerechnet das Krisenland der EU schlechthin für ein halbes Jahr lang die Präsidentschaft der EU übernimmt? Wenn die Hauptlast von Organisation, Management und Kommunikation sämtlicher EU-Ministertreffen, sämtlicher Verhandlungsprozesse in der europäischen Gesetzgebung bei Griechenland liegt? Kann es. Der Patient kann Präsident, meinen jedenfalls in Brüssel alle, die man fragt. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda:
"Der Patient kann – er könnte es sogar sehr gut, wenn er darauf hinweist, welche Probleme er im eigenen Land hat und mit welchen Problemen er konfrontiert ist. Die griechische Präsidentschaft ist eine gute Gelegenheit, zu zeigen, dass Griechenland seine Probleme mit europäischer Unterstützung lösen kann und außerdem einen wertvollen Anteil am Gelingen des europäischen Projekts hat."
Der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul: "Wenn die Griechen auf Dauer im europäischen Konzert eine Rolle spielen wollen, ernst genommen werden wollen, müssen sie es jetzt beweisen."
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms: "Warum sollen die das schlechter können als andere Länder. Also, wir können ja nicht in Zeiten der Krise zur Regellosigkeit übergehen, was die rotierende Ratspräsidentschaft angeht."
Der FDP-Europaparlamentarier mit griechischen Wurzeln, Georgios Chatzimarkakis: "Im Falle Griechenlands ist es so, dass das Budget der Griechen für die Ratspräsidentschaft arg geschrumpft ist, um 40 Prozent geschrumpft ist. Es stehen den Griechen nur 50 Millionen für ihre Ratspräsidentschaft zur Verfügung, aber sie sind zuversichtlich, dass sie das schaffen."
Der griechische EU-Abgeordnete Dimitrios Droutsas, der in Wien studiert hat: "Griechenland ist bereits ein alter Hase, was EU-Präsidentschaften anbelangt; es ist unsere fünfte EU-Präsidentschaft."
Der griechische Regierungschef Samaras: "Die griechischen Athleten im Marathon der Ratspräsidentschaft werden nicht ermüden."
Aber dass es durchaus ermüden kann, immer wieder als Krisenland wahrgenommen zu werden, dass es schwierig sein kann, den Vorsitz in Ministerrunden zu haben, wo Griechenland gleichzeitig Gegenstand von Verhandlungen ist, davon bekam Samaras einen Vorgeschmack, als er die Schwerpunkte der griechischen Präsidentschaft vor Journalisten in Brüssel vorstellte:
"Selbstverständlich ist es für die griechische Präsidentschaft nicht einfach, wenn sie immer wieder auf ihre eigenen Probleme angesprochen wird und nicht auf das Gesamteuropäische, was zu diskutieren ist, aber ich bin sicher, dass Herr Samaras das im nächsten halben Jahr gut meistern wird."
Das allerdings - wegen der anstehenden Europawahlen im Mai - ein kurzes halbes Jahr ist, worauf der SPD-Abgeordnete im EU-Parlament, Knut Fleckenstein, auch hinweist. Dieses kurze halbe Jahr hat eine dicht gedrängte Agenda: Datenschutzverordnung, Bankenunion, Freihandelsabkommen mit den USA sind nur drei der Themen, die möglichst weit vorangetrieben oder angeschlossen werden sollen.
Die Griechen werden wie alle EU-Länder bei ihrer jeweiligen Präsidentschaft organisatorisch und mit Manpower vom Team des ständigen Ratspräsidenten, Van Rompuy, unterstützt, erklärt dessen Sprechen Preben Aaman. So wird Kontinuität gewahrt, Erfahrung weiter gegeben:
"Das Kabinett von Herrmann Van Rompuy hat immer sehr enge Kontakte mit der jeweiligen Präsidentschaft – und zwar auf allen Ebenen. Das ist wichtig."
Jede Präsidentschaft hat ein Logo, das dann ein halbes Jahr lang auf Plakaten in Brüssel und im Land selbst, auf Broschüren auf Dokumenten zu sehen ist – und in einem offiziellen Imagetrailer. Der griechische klingt so:
Spötter meinen, dass die stilisierten Segelbote und Wellen, die man sieht, gepaart mit echten Meeresbildern und Schlagwörtern auf Englisch und Griechisch, die für die Schwerpunkte der Griechen stehen sollen, eher an einen Werbetrailer des Tourismusverbandes erinnern. Das Maritime, Ausbau der Demokratie, Wachstum, Sicherheit, Prosperität, Arbeit – das taucht in Schrift und Design im griechischen Imagetrailer auf. Und es entspricht dem, was Griechenland wichtig ist. Der griechische Abgeordnete Droutsas jedenfalls findet das Logo angemessen.
"Das soll, glaube ich, auch ein bisschen symbolisch zeigen, dass die griechische Präsidentschaft eine sehr schlichte, eine sehr einfache sein soll und sein wird."