Archiv

Griechenland
Flüchtlingshelfer in der Kritik

Im Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos herrschen katastrophale Zustände. Private Organisationen versuchen zu helfen. Aber deren Unterstützung ist umstritten – jetzt sind zwei Helfer angeklagt worden.

Von Rodothea Seralidou |
    In der Kinderklinik der Ärzte ohne Grenzen auf Lesbos werden rund 100 Kinder am Tag untersucht.
    In der Kinderklinik von "Ärzte ohne Grenzen" auf Lesbos werden rund 100 Kinder am Tag untersucht (Deutschlandradio / Rodothea Seralidou)
    Carola Buscemi arbeitet für die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen": In einer provisorischen Kinderklinik, wenige Schritte vom Camp Moria entfernt, untersucht die Ärztin einen dreijährigen Jungen. Die Zahl der kranken Kinder in Moria steige kontinuierlich an, sagt sie:
    "Wir haben mittlerweile 100 bis 120 Patienten am Tag. Viele Kinder haben Viruserkrankungen, die sich in dem überfüllten Lager schnell verbreiten oder sie haben Hautkrankheiten wegen der schlechten hygienischen Bedingungen. Und ich bin richtig geschockt, dass immer mehr Kinder auch mit psychischen Problemen zu uns kommen. Vom Bettnässen, bis zu Panikattacken und Selbstmordversuchen. Die Situation ist eine Katastrophe."
    "Situation in Moria nicht ideal"
    Die Situation sei zwar nicht ideal, räumt der stellvertretende Camp-Manager von Moria, Dimitris Vafeas, ein, denn Moria sei nun mal überfüllt, das könne er nicht leugnen, aber vieles, was die Hilfsorganisationen schilderten, sei einfach übertrieben, sagt er.
    "Es ist ja bald 2019, da müssen alle Organisationen ihre Anwesenheit auf der Insel legitimieren, und ihre Ausgaben und ihr Personal hier erklären. Wenn hier paradiesische Zustände herrschen würden, hätten sie auch keinen Grund, weiterhin hier tätig zu sein. Also kommen vor allem gegen Ende des Jahres die negativen Berichte raus."
    Zelte in Moria: 40 Prozent der Bewohner des Camps sind Kinder.
    Zelte in Moria: 40 Prozent der Bewohner des Camps sind Kinder (Deutschlandradio / Rodothea Seralidou)
    Eine Organisation, die griechische Rettungsorganisation ERCI, hat ihre Arbeit auf der Insel schon längst eingestellt. Nicht weil sie nicht mehr gebraucht wurde, sondern weil sie mit schweren Anschuldigungen konfrontiert ist.
    Schwere Vorwürfe an die Hilfsorganisation
    Viele ihrer Mitglieder sollen laut Anklage der Staatsanwaltschaft Mytilini in einem Schlepperring beteiligt gewesen sein und Spionage und Geldwäsche betrieben haben. Darunter auch der 24-jährige Deutsch-Ire Sean Binder, der nun in Untersuchungshaft sitzt. Er könne es immer noch nicht fassen, sagt er:
    "ERCI hatte einen sehr seriösen Ruf, die Organisation hat immer nach strengen Regeln gearbeitet, wir hatten eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Küstenwache und der Polizei. Ich bin nach Griechenland gekommen, weil ich dachte, ich kann mich hier nützlich machen."
    Mitangeklagt ist auch die 23-jährige Sarah Mardini, die vor drei Jahren selber als Flüchtling auf Lesbos ankam. Als der Motor des überfüllten Schlauchboots, in dem die junge Frau saß, den Geist aufgab, ist die Profischwimmerin zusammen mit ihrer Schwester Yusra ins Wasser gesprungen. Drei Stunden lang zogen sie das Schlauchboot hinter sich her – bis zur griechischen Küste und retteten damit die achtzehn Insassen des Bootes. Jetzt sitzt auch sie im Gefängnis.
    Kriminalisierung der Flüchtlingshilfe?
    Doch die Beweislage scheint extrem dürr zu sein. Menschenrechtsorganisationen sehen deshalb im Fall ERCI einen klaren Fall von Kriminalisierung der Flüchtlingshilfe, zum Beispiel die Organisation Human Rights Watch, was auch der 24-jährige Sean Binder nicht ausschließt:
    "Ich möchte nicht Teil der politischen Debatte sein, die gerade in Europa stattfindet, aber abgesehen davon, welche politische Agenda jeder verfolgt, hat es keiner verdient, im Meer zu ertrinken. Keiner, auch Flüchtlinge und Migranten nicht."