Archiv


Griechenland friert

Weil die Einkommen gesunken, die Lebenshaltungskosten aber gestiegen sind, können viele Griechen ihre Nebenkostenrechnung nicht mehr bezahlen. In den Haushalten bleiben deshalb die Heizkörper kalt. Stattdessen werden die Kamine genutzt. Mit katastrophalen Folgen für die Umwelt.

Von Alkyone Karamanolis | 03.01.2013
    Zwei Löffel Kaffee, eine Prise Zucker, ein wenig Wasser: Vyronas Gialouris kocht einen Mokka für sich und seinen Besuch – und wärmt sich gleichzeitig die Hände über dem Herd. Das Thermometer in seiner Küche zeigt 13 Grad an. Wie in so vielen Athener Wohnhäusern bleiben auch bei Vyronas Gialouris die Heizkörper in diesem Winter kalt. Der pensionierte Ingenieur behilft sich mit einem kleinen Heizlüfter, der allerdings nur für Küche und Flur reicht:

    "Die Wohnung ist fast 100 Quadratmeter groß, aber jetzt im Winter nutze ich nur die 20 Quadratmeter hier rund um die Küche, die übrigen Zimmertüren halte ich geschlossen. Ich habe den Fernseher und das Sofa hier in den Flur geschoben, und nachts schlafe ich hier auch. Mit zwei extra Decken geht das schon."

    Selbst der Hund friert: er liegt zu einem Knäuel zusammen gerollt in seiner Ecke und gibt keinen Laut von sich. Der Heizölverbrauch in Griechenland ist um 80 Prozent zurückgegangen. Und wenn schon vergangenen Winter viele Griechen ihre Nebenkostenrechnung nicht begleichen konnten, so geht diese Saison gar nichts mehr.

    Vyronas Gialouris zieht einen Packen Rechnungen aus einer Schublade. Er hat Hausmeisterpflichten. Dazu gehört es, bei den Nachbarn die Nebenkosten einzutreiben. Ein undankbarer Job.

    "So eine Situation wie dieses Jahr habe ich noch nie erlebt. Nicht mal ein Drittel der Mieter kommen ihren Verpflichtungen nach. Manche zahlen schon seit Beginn der Krise nicht mehr. Insgesamt haben wir Ausstände in Höhe von 3000 Euro."

    Die Folge: der Heizkessel wird nicht angeworfen, der Aufzug ist seit Monaten nicht mehr gewartet worden, die Gebäudereinigung ist abbestellt. Nun kehrt jeder vor seiner eigenen Haustür. Bei Dimitris Livadas, der gerade zu Besuch ist, ist es kaum anders. Auch er überwintert in einer ungeheizten Wohnung:

    "Einerseits bin ich froh darum, denn unsere Wohnung ist recht groß, und wenn wir heizen würden, müsste ich pauschal 300 Euro im Monat zahlen. Bei einem Gehalt von 1000 Euro ist das einfach nicht möglich. Andererseits ist es bei uns daheim so kalt, dass man sich kaum in der Wohnung aufhalten mag. Wir hüllen uns in Decken oder behalten die Mäntel an. Oft haben wir nur elf, zwölf Grad im Wohnzimmer."

    Für ganz kalte Tage hat Dimitris Livadas einen Kaminofen. Doch auch Kaminholz ist teurer geworden, seit sich viele Menschen in Griechenland kein Heizöl mehr leisten können und nach anderen Wärmequellen suchen. Umweltschützer und Forstbehörden schlagen indes Alarm, denn illegale Holzfäller richten im ganzen Land große Schäden an.

    In Ballungszentren gibt es ein weiteres Problem, die Luftverschmutzung. In den Jahren des Booms gehörte die Kaminecke im Wohnzimmer zum guten Ton. Nun werden die Kamine zum Heizen genutzt, verheizt wird alles, was brennt, auch Spanplatten und Sperrmüll. Mit katastrophalen Folgen, sagt der Klimaforscher Evangelos Gerasopoulos von der Athener Sternwarte. Seit Beginn der Krise steigt die Feinstaubbelastung in der Athener Luft wieder an – und zwar jeweils im Winter.

    "Unsere Messungen zeigen, dass die Konzentration von Kohlenmonoxid und Stickoxiden in den Abendstunden stark zunimmt. Die Luftverschmutzung ist sogar mit bloßem Auge zu erkennen. Von unseren Büros aus überblicken wir ganz Athen; oft sehen wir eine Rauchwolke, die über den tiefer gelegenen Stadtvierteln festhängt. Als ich kürzlich eines dieser Viertel besucht habe, dachte ich sogar, in der Nähe wäre ein Feuer ausgebrochen. Die Sicht war eingeschränkt, und man konnte kaum atmen."

    An manchen Messstationen in Griechenland hat die Feinstaubbelastung in den vergangenen Wochen den europäischen Grenzwert um das drei- bis vierfache überschritten. Die Athener Sternwarte startet nun, in Zusammenarbeit mit mehreren griechischen Universitäten, eine ausführliche Klimastudie, um die genaue Feinstaubbelastung und die chemische Zusammensetzung der Schadstoffpartikel zu erforschen. Man müsse die Bevölkerung notfalls warnen können, sagt Evangelos Gerasopoulos. Indes ist fraglich, ob solche Warnungen die frierenden Griechen erreichen werden. Vyronas Gialouris etwa schaudert beim Gedanken, dass die kältesten Wochen des Jahres erst noch bevorstehen. Um der Kälte in seiner Wohnung beizukommen, greift er auch zu unorthodoxen Methoden:

    "Ohne Heizung ist meine Wohnung unbewohnbar. Klar, ich kann mich einpacken wie ein Bär. Aber das ist doch kein Zustand. Genauso wenig wie die Tatsache, dass ich meinen ganzen Mut zusammen nehmen muss, um zu duschen. Ich habe deshalb so meine Tricks. Bevor ich ins Bad gehe, gebe ich Alkohol in einen Metallbehälter, zünde ihn an und lasse das Feuer einige Minuten brennen. Richtig warm wird es davon zwar auch nicht, aber es ist dann wenigstens nicht mehr so klamm im Bad."