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Griechenland-Hilfen
"Die Zusagen der Regierung sind nicht sehr viel wert"

Ob Griechenland seine Schulden jemals zurückzahlen kann, hält Guntram Wolff für fraglich. Der Direktor des Bruegel-Instituts in Brüssel sagte im DLF, man habe jetzt nur die Wahl, entweder das Geld sofort abzuschreiben oder es noch ein bisschen zu versuchen. Selbst wenn nur 80 Prozent zurückgezahlt würden, stehe man dann noch besser da.

Guntram Wolff im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Guntram Wolff: Direktor der Denkfabrik Bruegel.
    Guntram Wolff: Direktor der Denkfabrik Bruegel. (picture alliance / Bruegel / dpa)
    Dirk-Oliver Heckmann: Die Europäische Union, ihr Name legt Eintracht nahe, Kooperation. Doch so wie in den vergangenen Wochen sind sich Spitzenpolitiker von EU-Mitgliedsländern wohl selten öffentlich angegangen. Finanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich fassungslos über seinen griechischen Amtskollegen Varoufakis. Der soll, auf Deutschland angesprochen, mit einer Geste aufgewartet haben, die einem Minister normalerweise nicht geziemt. Und auch innerhalb der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag war die Empörung mit Händen zu greifen, sprach die neue griechische Regierung doch auch nach dem mühsam erzielten Kompromiss immer noch von dem Ziel, einen Schuldenschnitt erreichen zu wollen. In dieser Stimmungslage die Abstimmung heute im Bundestag.
    Der Bundestag hat also entschieden, das Hilfsprogramm für Griechenland wird um vier Monate verlängert. Damit ist die Sache sozusagen geritzt, denn auch Slowenien gibt wie Finnland grünes Licht.
    Telefonisch begrüße ich jetzt Guntram Wolff. Er ist der Direktor des Bruegel-Instituts. Das ist ein politischer Think Tank in Brüssel. Schönen guten Tag, Herr Wolff.
    Guntram Wolff: Guten Tag!
    Heckmann: Wir haben viele Argumente gehört, Herr Wolff, über Pro und Contra. Was ist Ihre Meinung? Wie sinnvoll ist es, dass Athen jetzt mehr Zeit gegeben wird? Oder ist das alles möglicherweise vergebene Liebesmüh?
    Wolff: Ja, wir sind natürlich jetzt in der Tat in einer sehr schwierigen Situation mit einer Regierung, die radikal alles infrage stellt, zu dem sich Griechenland verpflichtet hat in den letzten Jahren, und da kriegt man natürlich schon Bauchschmerzen, wenn man Hilfe gibt. Umgekehrt ist es aber so: Wenn wir jetzt keine Hilfe geben, dann ist es klar, dass dann sehr, sehr schnell Griechenland zahlungsunfähig sein wird, und dann wird Griechenland de facto sagen, wir werden eure Kredite nicht mehr zurückzahlen, und das Geld, das man schon gegeben hat, wäre dann auf jeden Fall verloren. Insofern, denke ich, ist der Ansatz, jetzt zu versuchen, die Regierung noch irgendwie einzufangen und zu unterstützen, gleichzeitig trotzdem bestimmte Reformen einzufordern, doch der richtige und da muss man dann natürlich darauf hoffen, dass das irgendwie weiterläuft, sodass dann irgendwann - und das ist ja auch ein sehr langer Zeitraum - das Geld graduell zurückgezahlt wird. Aber das wird ja über 30 oder 40 Jahre zurückgezahlt.
    Heckmann: Denken Sie denn, dass ein Euro-Austritt oder ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone damit auf absehbare Zeit ausgeschlossen ist? Anders gefragt: Rechnen Sie damit, dass in den nächsten vier Monaten wieder nach neuem Geld, nach frischem Geld gefragt wird?
    Wolff: Ja, einen Euro-Austritt kann man in der Tat nicht ausschließen. Das kann passieren. Das kann in den nächsten Monaten passieren. Wir wissen nicht, wie stabil die Regierung in Griechenland ist. Es ist so, dass das auch überhaupt nicht populär ist jetzt in Griechenland. Insbesondere bei der rechten Partei, dem rechten Koalitionspartner von Syriza ist es ja in der Tat so, dass die gar kein Interesse haben, jetzt irgendwelche Bedingungen zu erfüllen, die Konditionalität zu erfüllen. Und vielleicht sind wir in der Tat in den nächsten Monaten schon in der Situation, in der die griechische Regierung fällt und dann wieder alles unsicher wird. Das ist eine Unsicherheit.
    Und die andere, was aber andererseits wiederum relativ klar ist: In vier Monaten, wenn es dann weitergehen soll, müssen wir zumindest Hilfe leisten, damit Griechenland den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen kann. Dann kann man sagen, das ist ein Umschichten des Geldes, aber es wird dann trotzdem noch mal eine Bundestagsabstimmung geben um den Finanzierungsbedarf der griechischen Regierung, um die Gläubiger zurückzuzahlen, IWF und EZB zu bedienen.
    Kann Griechenland die Schulden überhaupt zurückzahlen?
    Heckmann: Herr Wolff, Sie haben gerade eben schon auf die Rückzahlung der Schulden rekurriert und davon gesprochen, dass das 30, 35 Jahre dauern wird, die ganze Angelegenheit. Hat denn Griechenland überhaupt die reelle Chance, diese Milliarden-Schulden jemals wieder zurückzuzahlen, oder ist das möglicherweise eine Schimäre, die nur von den Politikern, den Spitzenpolitikern der Eurozone aufgebaut wird nach dem Motto, ja ja, das ganze Geld, das fließt schon zurück, und eigentlich ist klar, einen Teil muss man abschreiben?
    Wolff: Sehen Sie, das hängt davon ab, wie sich die Wirtschaft weiter entwickelt in den nächsten Jahren. Wenn wir natürlich weiterhin in einer Stagnation bleiben werden in Griechenland, aber auch in der Eurozone schwach wachsen, aber vor allem in Griechenland schwach wachsen, dann wird Griechenland in der Tat nicht in der Lage sein, das komplett zurückzuzahlen. Umgekehrt ist es aber so: Wir wissen, dass nach scharfen Rezessionen, nach tiefen Rezessionen oft ein Land sich dann auch irgendwann wieder erholt und einigermaßen anständige Wachstumsraten hat, und wenn das der Fall ist, dann ist das durchaus schaffbar, diese Schulden zurückzuzahlen. Insofern war die grundsätzliche Idee, dass man die Höhe der Rückzahlungen koppelt an die wirtschaftliche Entwicklung, denke ich, grundsätzlich erst mal keine schlechte Idee, weil man dadurch eine gewisse Sicherheit für Investoren für Griechenland schafft. Aber es ist in der Tat so: Wenn es sehr schlecht läuft, wird Griechenland nicht die gesamte Summe zurückzahlen können.
    Heckmann: Und davon ist ja offenbar auch die Regierung in Athen überzeugt, dass die Schuldenlast einfach zu hoch ist. Formal hat man ja die Forderung nach einem Schuldenschnitt fallen gelassen, aber Athen hat danach wieder schnell klar gemacht, dass man diesen Plan dann doch nicht ganz aufgegeben hat. Kann man sich eigentlich aus Ihrer Sicht auf die Zusagen der Regierung irgendwie verlassen?
    Wolff: Nein. Diese Zusagen der Regierung sind natürlich nicht sehr viel wert. Vor allem wissen wir auch, dass Regierungen auch aus dem Amt gefegt werden können, instabil sind, und dann muss man natürlich eine neue Regierung haben. Natürlich verpflichtet sich eine Regierung immer als Vertreter des Landes juristisch, aber es ist in der Tat so: Wenn eine andere Regierung irgendwann sagt, wir wollen es nicht mehr zahlen, dann kann das in der Tat dazu führen, dass es dann zum Zahlungsausfall kommt. Aber noch einmal: Ich denke, man hat eigentlich jetzt die Wahl, das Geld sofort abzuschreiben, und zwar in der gesamten Höhe, und außerdem auch noch einen Austritt Griechenlands aus dem Euro-Raum zu haben und natürlich auch eine große geopolitische Verantwortung dann in Kauf zu nehmen, auch eine historische Verantwortung in Kauf zu nehmen, dass dieses Land noch weiter in die Armut getrieben wird und den Euro-Raum verlässt, oder jetzt zu sagen, wir versuchen es noch ein bisschen, und selbst wenn am Ende nicht 100 Prozent zurückgezahlt wird, sondern nur 80 Prozent, stehen wir immer noch besser da, als jetzt einen kompletten Schlussstrich zu machen.
    Ist es richtig vom strikten Sparkurs abzuweichen - so wie in Frankreich und Italien?
    Heckmann: Noch ganz kurz zum Schluss, Herr Wolff. Schauen wir noch auf die Eurozone insgesamt. Die EU-Kommission gibt Frankreich mehr Zeit zum Defizitabbau, auch Italien und Belgien. Ist das aus Ihrer Sicht richtig, von diesem strikten Sparkurs abzuweichen, oder machen wir jetzt die gleichen Fehler wie in der Anfangsphase der Währungsunion?
    Wolff: Na ja, erst mal darf man Griechenland wirklich nicht mit Frankreich und Italien vergleichen. In Griechenland geht es um Geld, das wir den Griechen gegeben haben, und in Frankreich und Italien ist es immer noch das Geld, das die beiden Länder sich selber an den Kapitalmärkten leihen. Das ist der erste große Unterschied.
    Der zweite Unterschied ist in der Tat, dass wir jetzt nicht in der boomenden Periode 1999 bis 2007 waren, als es ja wirklich sehr gut lief, auch in Griechenland, und da haben sich ja die griechischen Politiker vollkommen unverantwortlich verhalten. Und was wir jetzt in Italien sehen ist durchaus ein verantwortungsbewusstes Handeln, ein Versuch, schwere Reformen durchzuführen. Auch in Frankreich gibt es zumindest Ansätze für Reformen und da würde ich eigentlich vor allem dran arbeiten. Wir brauchen vernünftige Reformen, wachstumsfördernde Reformen, Strukturreformen in diesen beiden Ländern, und daran arbeitet eigentlich das politische System in beiden Ländern, sodass ich nicht ganz pessimistisch bin.
    Heckmann: Der Direktor des Bruegel-Instituts, Guntram Wolff, war das. Herr Wolff, besten Dank für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.